Pressestimmen "Es ist eine Schande"
22.11.2010, 20:52 UhrDas stolze Irland hat es nun doch erwischt: Es muss ab unter den von der EU gespannten Rettungsschirm. Für die Iren ein schwerwiegender Verlust der Unabhängigkeit, meint n-tv.de. Bezahlen wird das alles der Steuerzahler - zu einem nicht unerheblichen Teil der deutsche. Die Zeitungen sind sich einig: Das war es noch lange nicht.
Die Lübecker Nachrichten sind der Meinung: "Die einzigen, die wieder nichts zu befürchten haben, sind die Großbanken. Vor allem britische und deutsche Finanzinstitute haben Irland jahrelang mit Krediten gefüttert, bis es daran erstickte. Allein deutsche Geldhäuser sollen gegenüber irischen Schuldnern Forderungen von rund 140 Milliarden Euro halten, für die jetzt die Eurostaaten - sprich die Steuerzahler - eine Blanko-Deckung geben. Es ist eine Schande, dass auch drei Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise die Gewinne weiter privatisiert und die Verluste sozialisiert werden."
Die Junge Welt aus Berlin schreibt: "Wie Griechenland im Frühjahr, so gerät jetzt auch Irland unter Aufsicht der Europäischen Kommission und des Internationalen Währungsfonds. Und wie in Griechenland werden vor allem die Lohnabhängigen und die sozial Schwachen darunter leiden. Kürzungen der Sozialetats in zweistelliger Milliardenhöhe sind bereits angekündigt. Der skandalös niedrige irische Unternehmenssteuersatz von knapp über 12 Prozent soll hingegen weiter gelten. Damit zeigt die EU einmal mehr, auf wessen Seite sie steht. Zum 'Fall Griechenland' kommt nun der 'Fall Irland' hinzu. Die europäische Finanzkrise ist noch lange nicht zu Ende."
Die Rheinpfalz kommt zu einem ähnlichen Schluss: "Die niedrigen Steuern, insbesondere für Unternehmen, haben zum Aufstieg Irlands beigetragen - auch auf Kosten anderer Länder und Standorte. Es ist den Europäern wirklich nicht zu vermitteln, wieso sie jetzt Irland helfen sollen, ohne dass das Land seine steuerpolitische Dumpingstrategie ernsthaft überdenkt. (…) Irland zeigt, dass die Finanz- und Schuldenkrise in Europa keineswegs überwunden ist; nach wie vor gibt es erhebliche Risiken für die Währungsunion und den Euro. Deshalb braucht die EU eine Anschlussregelung für den Rettungsschirm, der 2013 zugeklappt wird. Irland, das ist zu befürchten, ist nämlich nicht das letzte Land, das sich unter diesen Schirm flüchten muss."
Die Märkische Oderzeitung sieht die Banken in der Pflicht: "Als der EU-Ratspräsident Herman van Rompuy kürzlich warnte, wenn die Euro-Zone nicht überlebe, werde auch die EU nicht überleben, mögen das manche als Schwarzmalerei eines Berufseuropäers betrachtet haben. Warum auch sollte man Staaten, die finanz- und haushaltspolitisch geschludert oder - wie Griechenland - sogar falsch gespielt haben, nicht einfach in die Pleite laufen lassen? Die Antwort darauf ist relativ einfach: Weil die Euro-Staaten inzwischen so eng verflochten sind, dass der Kollaps des einen unweigerlich Folgen auch für die anderen hat. (... ) Jetzt geht es darum, mit großem Mitteleinsatz Zeit zu gewinnen, um kontrolliert sanieren zu können - unter Mithaftung der Banken, bitte schön! Eine bittere, aber unumgängliche Medizin."
Und die Frankfurter Rundschau appelliert: "Die Kritiker einer solchen Rettung führen eine theoretische Diskussion, wenn sie glauben, Banken und Lebensversicherer würden das Geld der Sparer vorsichtiger investieren, wüssten sie, dass sie nicht gerettet würden. Diese Argumentation geht von hocheffizienten Finanzmärkten aus, die es in der Wirklichkeit nicht gibt. Sinnvoller wäre es deshalb, über eine ordentliche und strikte Regulierung zu diskutieren, die den Instituten vorsichtiges Investieren vorschreibt. Und wen es ärgert, dass einige (reiche) Spekulanten und fette Banker-Boni nebenbei mitgerettet werden, der möge eine Vermögensabgabe fordern, der möge sich für ein gerechteres Steuersystem einsetzen. (...) Darum lasst uns endlich die Debatte um die Vertiefung der Währungsunion führen, bevor es zu spät ist."
Quelle: ntv.de