Gabriel als wiedergewählter SPD-Chef "Hier tut sich die Glaubwürdigkeitslücke auf"
14.11.2013, 20:28 Uhr
Die SPD-Basis hat Sigmar Gabriel auf ihrem Parteitag in Leipzig als Vorsitzenden wiedergewählt. Doch der bestätigte Parteichef legt einen eher nachdenklichen Auftritt hin. Die deutsche Presse diskutiert, denn die SPD scheint nach dem Wahldebakel im September an einigen ihrer Grundpfeiler, wie der Glaubwürdigkeit, noch einmal ordentlich schleifen zu müssen.
Die Westfälischen Nachrichten aus Münster meinen, dass diese nüchterne Standortbestimmung des Vorsitzenden die SPD noch lange beschäftigen wird. Denn Sigmar Gabriel habe zwar die Schwächen und Fehler vorbuchstabierte, bleibe eine konkrete Rezeptur fürs zukünftige Bessermachen aber noch weitgehend schuldig. "Die Wunden, in die Gabriel den Finger legte, liegen nahe an den Herzkammern der Sozialdemokratie. Glaubwürdigkeitsdefizite in programmatischen Kernbereichen und kulturelle Entfremdung von der Kernwählerschaft - das geht ans Eingemachte.", schreibt das Blatt.

Ex-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ruft in seiner Rede die SPD zu mehr Selbstsicherheit auf.
(Foto: dpa)
Noch schärfer sieht die Frankfurter Allgemeine Zeitung die Problematik: "Sigmar Gabriel hat alle, die darin ein Ablenkungsmanöver und einen weiteren Linksruck der SPD erkennen wollten, in Leipzig erst einmal mit Lügen gestraft. Seine Rede schloss er mit einem Bekenntnis zu einem sozial-liberalen Weg der SPD bis zur Bundestagswahl 2017, auf dem sich die SPD weniger der Linkspartei öffnet, sondern eine erneuerte FDP überflüssig macht." Damit stelle er auch klar, dass er einer Auseinandersetzung über das Wahlergebnis - "seinem" Wahlergebnis - nicht aus dem Wege gehen wolle. Allerdings meint die Zeitung, dass sich hier die "Glaubwürdigkeitslücke" erst so richtig auftue, über die Gabriel mehrfach sprach. Wenig bis gar nicht sei in Leipzig nämlich die Rede davon gewesen, dass das Scheitern von Rot-Grün ein Scheitern der "Troika" und der "linken Mitte" war, in der sich Grüne und SPD um die größtmögliche Umverteilung stritten.
Der Tagesspiegel schreibt, dass der Umstand, dass die SPD auch jetzt wieder therapeutischen Zuspruch verlangt, am Ende auf den Parteivorsitzenden zurückfällt. Auch deshalb erziele er persönlich kein Glanzresultat. "Gabriel sagte in Leipzig, er übernehme die Verantwortung für das auch diesmal schlechte SPD-Ergebnis. Das sicherte ihm die Zustimmung des Parteitags, dessen Delegierte die eigene Führung mitten in den Koalitionsverhandlungen zudem nicht unnötig schwächen wollten. Welche Schlüsse aber zieht der Analytiker Gabriel aus seinem bisherigen Wirken?" Der Kommentator bricht die Frage auf einen Punkt herunter: "Es bleibt ein Grundproblem der SPD, dass sie von einem Mann geführt wird, der sich die Kanzlerkandidatur bisher nicht zutraute und dem auch die Mehrheit der Deutschen sie nicht zutraut."
Dagegen steht die Neue Westfälische aus Bielefeld der Wiederwahl von Gabriel positiver gegenüber: "Gabriels Botschaften sind noch nicht ausbuchstabiert. Leipzig markiert einen zarten Anfang." Um den Schwenk sinnlich erfahrbar zu machen, müsse Gabriel nun selbst Verantwortung übernehmen. Am besten als Wirtschafts- und Energieminister in einer großen Koalition. Da könne er soziale Sensibilität und wirtschaftliche Vernunft zusammenbringen. Gelänge die Energiewende so, dass die Wirtschaft wettbewerbsfähig und die Strompreise bezahlbar blieben, wäre etwas Großes geschafft, meint die Zeitung. Voraussetzung dafür wäre natürlich, dass die SPD-Basis die Parteispitze in die große Koalition lässt. "So viel Respekt und Vertrauen hätte diese Führung allemal verdient. Wenn sich die Basis querstellt, verlieren sowohl die Partei als auch das Land."
Quelle: ntv.de