Terror am Flughafen Moskau "Ins Gedächtnis der Welt zurückgebombt"
24.01.2011, 20:58 UhrDer Anschlag auf den Flughafen in Moskau mit mindestens 35 Toten und über hundert Verletzten geht vermutlich auf das Konto kaukasischer Terroristen. Das Attentat zeigt auf grausame Weise, dass die "gewaltfixierte Kaukasus-Politik" Russlands gescheitert ist. Moskau befindet sich jetzt in einem Dilemma, für das es keine Lösung zu geben scheint.
Bereits kurz nach dem Anschlag stand für das offizielle Russland fest, dass es sich bei den Attentätern um kaukasische Terroristen handelt. Moskau wird daher wohl "erneut gegen Kaukasier in Russland vorgehen und kaukasische Problemregionen wie Tschetschenien oder Südossetien einem harten Repressionsregime unterwerfen", glaubt die Märkische Allgemeine aus Potsdam. "Der Kaukasus hat sich ins Gedächtnis der Weltöffentlichkeit zurückgebombt. Die Hoffnung, die früheren Sowjetrepubliken am Südrand des Imperiums würden sich friedlich dem Moskauer Macht-Magnetismus unterwerfen, ist nicht aufgegangen. Wirtschaftliche Eigenständigkeit durch Bodenschätze, Einfluss der islamischen Welt, der USA und unvergessene Sowjet-Schikanen machen den Kaukasus virulent rebellisch."
"Wieder gibt es Tote in Moskau. Und wieder führt die Spur in den Kaukasus. Sollte sich der Verdacht bestätigen, macht dies mit grausamer Härte erneut nur eines klar: Knebeln und wegschauen - das allein reicht nicht", schreibt das Flensburger Tageblatt. "Der russische Unterdrückungsapparat arbeitet im Kaukasus ebenso brutal wie geräuschlos. Der Westen hat sich mit der Friedhofsruhe zufrieden gegeben und lässt Moskau gewähren. Vor Ort aber leiden die Menschen weiter unter der alltäglichen Gewalt, die von rivalisierenden Warlords ausgeht. Der Flughafen-Anschlag in Moskau beweist deshalb einmal mehr, dass die gewaltfixierte russische Kaukasus-Politik gescheitert ist. Hoffnung, dass der Kreml seine Strategie ändern könnte, besteht kaum. Es gehört zu Putins Glaubensbekenntnissen, dass Terror nur mit Terror auszurotten ist."
Die Lüneburger Landeszeitung wertet das Attentat als Rückschlag für den russischen Präsidenten Medwedew, der bemüht war, "sein Land als wiedererstarkte, weltoffenere Macht darzustellen. So sollten die Konflikte in den Kaukasusrepubliken in den Hintergrund gedrängt werden - und damit auch lästige Fragen nach den Menschenrechten in Tschetschenien, Dagestan und Inguschetien, wo täglich Menschen bei Kämpfen sterben. Nun aber gerät Moskau in Zugzwang. Schließlich sollen 2014 die Olympischen Winterspiele und 2018 die Fußball-WM in Russland stattfinden."
Auch der Mannheimer Morgen sieht Moskau in einem Dilemma: "Gibt es den Abtrünnigen nach, muss es Nachahmer fürchten. Behält es im Kaukasus seine Linie bei, gewalttätige Statthalter einzusetzen und gewähren zu lassen, schafft es sich dort mehr Feinde als Freunde. Auch unter der Jugend, der die Perspektive fehlt. Russlands politisch weit entfernter Süden ist so etwas wie sein Naher Osten und eine Lösung nicht in Sicht."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Katja Sembritzki