Chaos vor dem EU-Gipfel "Lage ist schrecklich ernst"
21.10.2011, 20:31 UhrIn Griechenland gibt es Massenproteste, Frankreich zittert um seine Einsernote bei den Ratingagenturen und Deutschland bringt den Terminkalender der Staats- und Regierungschefs durcheinander: Die Europäer kommen im Kampf gegen die Schuldenkrise nur mühsam voran. Die scheinbar verfahrene Situation vor dem EU-Gipfel in Brüssel ist nicht nur verwirrend, sie ist nach Ansicht der Kommentatoren der deutschen Zeitungen auch gefährlich.
Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung ist die Verwirrung vor dem EU-Gipfel in Brüssel "nahezu komplett". Das Blatt fasst das Geschehen zusammen: "In Paris wird dementiert, dass es weiterhin gravierende Differenzen über die Ausgestaltung des europäischen Rettungsfonds EFSF mit Deutschland gebe, in Berlin wird genau dies behauptet. In den kleineren EU-Ländern wird das Gegrummel über weitere angemaßte Alleingänge der beiden Großen lauter. Die Troika aus IWF, EZB und EU-Kommission, welche die Lage in Griechenland prüft, ist sich offenbar nicht einig darüber, ob Athen weitere Hilfsgelder bekommen soll. Gleichzeitig verhandeln die privaten Gläubiger, also vor allem Banken, darüber, wie groß und wie 'freiwillig' der Schuldenschnitt sein müsste". Zu allem Überfluss, so die Kommentatoren, sei auch noch der EU-Gipfel am Wochenende "zu einer Art 'Vorgipfel' herabgestuft worden, dem wenige Tage später der eigentliche 'Entscheidungsgipfel' folgen soll".
Angesichts des Durcheinanders schreibt der Münchner Merkur: "Wäre die Lage nicht so schrecklich ernst, könnte man die Sache ja komisch finden: Erst verschieben Angela Merkel und ihr Kollege Sarkozy ihr Brüsseler Euro-Rendezvous, und dann versetzt auch noch Horst Seehofer im Steuerstreit die Kanzlerin". Doch den Kommentatoren aus Bayern ist nicht zum Lachen zumute: "(…) die Sache ist nicht komisch", ist hier zu lesen. Denn: Was bei den Bürgern zurück bleibe, sei nicht der Eindruck von souveränem Krisenmanagement. "Sondern von Führungsversagen, Kontrollverlust, Chaos. Und das Schlimmste: Er trügt nicht. Europa erlebt einen Titanenkampf, bei dem die Gegner längst die höfischen Regeln der Gipfeldiplomatie hinter sich gelassen haben - und auch die Gewissheit, dass am Ende schon irgendein (fauler) Kompromiss stehen wird. Unversöhnlich stehen sich Frankreich und Deutschland gegenüber: nicht mehr als Tandempartner, sondern als Anführer zweier erfeindeter Lager".
Auch die tageszeitung (taz) kritisiert das Management der Politik. Natürlich, so die Kommentatoren aus Berlin, sei der Beschluss, "sich drei Tage länger über die Ausgestaltung des Rettungsfonds EFSF zu prügeln, das Gegenteil des 'klaren Signals an die Finanzmärkte', das am laufenden Meter gefordert wird". Und gerade deshalb könne "man den Aufschub aber auch als traurigen Restnachweis dessen bezeichnen, was die Bürger in der Finanzkrise so schmerzlich vermissen: politische Souveränität".
Für das Westfalen-Blatt steuert das Krisenmanagement der Europäer "unübersehbar" auf einen neuen Höhepunkt zu: "Die nächsten vier Tage sind für die Zukunft Europas und der Euro-Zone von enormer Bedeutung". Doch angesichts des Streits zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy um die Hebelung des Rettungsschirms EFSF ahnen die Kommentatoren aus Bielefeld Böses. Eine Lösung müsse her, "die den Märkten die Lust aufs Spekulieren nimmt". Und so kommt auch die Zeitung aus Bielefeld zu dem Schluss: "Halbherzige Beschlüsse helfen nicht mehr weiter. Ganz zu schweigen davon, dass die Politiker so das letzte bisschen Vertrauen der Bevölkerung aufs Spiel setzen würden".
Die Rhein-Neckar-Zeitung aus Heidelberg appelliert an die europäischen Strategen: "Zu welchen Beschlüssen sich die EU auch zusammenrauft: Sie werden die kommende Dekade prägen. Darum braucht Europa jetzt Politiker, die erklären, was auf uns zukommt. Nur Ehrlichkeit kann Vertrauen schaffen".
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Susanne Niedorf-Schipke