Pressestimmen

IS-Attentat in Tunesien "Terror ist kein Beleg für Destabilisierung"

Das Attentat in Tunis ist gleichzeitig ein Anschlag auf die Demokratie, meint die deutsche Presse. Der Islamische Staat versucht mit solchen Gräueltaten, den Fortschritt aufzuhalten. Doch statt zu destabilisieren, bewirken solche Terroranschläge das Gegenteil.

Das Handelsblatt aus Düsseldorf sieht vor allem die Politik in der Verantwortung: "Die tunesische Regierung hat die Terroristen bisher fast schon auf naive Weise gewähren lassen. Wenn Imame etwa nach der Freitagspredigt Jugendliche mit der Hassideologie des Islamischen Staats (IS) indoktrinieren, schauen die Sicherheitskräfte weg." Seit Jahren unterhalten in der tunesischen Wüste mehrere Dschihadisten-Gruppen Trainingscamps, ohne dass die Armee etwas dagegen unternommen hätte, schreibt das Blatt. "Tunesien ist auch unfähig, den Waffenschmuggel aus dem Nachbarland Libyen zu unterbinden. So kommt es also nicht von ungefähr, dass das als moderates Sunni-Land geltende Tunesien im Nahen Osten zu den Top-Exporteuren von Terroristen zählt." Wenn es Tunesien nicht gelingt, gegen die Gewaltbereitschaft seiner Bürger vorzugehen, läuft der arabische Frühling laut der Zeitung Gefahr, sein einzig verbliebenes Vorzeigebeispiel zu verlieren.

Die Lüneburger Landeszeitung schreibt: "Der Westen entsetzt sich darüber, dass islamistischer Terror nun auch die einzige Demokratie erreicht hat, die aus dem Arabischen Frühling erblüht ist. Doch genau das macht Tunesien zum idealen Angriffsziel. Zum einen, weil sich radikale Islamisten nun in dem nordafrikanischen Staat heimatlos fühlen." Gemessen an der Einwohnerzahl schlossen sich aus keinem anderen Staat mehr Gotteskrieger dem gottlosen Kalifat an. Zum anderen müssen Islamisten aus ihrem Selbstverständnis heraus verhindern, dass sich der Islam so tolerant zeigt wie in vergangenen Jahrhunderten, so das Blatt. "Der Terror von Tunis ist deshalb kein Beleg für eine Destabilisierung Tunesiens, sondern im Gegenteil für dessen erstaunliche Stabilität."

"Das Attentat führte nun vor Augen, wie gigantisch die Herausforderungen der Einheitsregierung von Ministerpräsident Habib Essid noch sind", meint die Neue Westfälische aus Bielefeld. Dazu gehöre der Zeitung zufolge zuvorderst der Kampf gegen den religiösen Fundamentalismus im Land, welcher durch die große Armut und hohe Arbeitslosigkeit reichhaltigen Nährboden finde. "Die Geschichte lehrt, dass die beste Waffe gegen Extremismus und Terror der Ausbau von Demokratie, Rechtsstaat, Fortschritt und Wohlstand ist. Auf diesem hürdenreichen Weg muss die EU das tunesische Volk tatkräftig unterstützen." Denn ein Scheitern des tunesischen Demokratieexperiments wäre ein verhängnisvolles Signal, mit dem die Hoffnung des arabischen Frühlings in der islamischen wie der westlichen Welt wohl endgültig untergehen würde, so das Blatt.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung gibt an: "(...) Nicht allein Tunesien, die ganze Region steht vor der gewaltigen Herausforderung, den Terror zu bekämpfen und zu besiegen, der vom 'Islamischen Staat' (IS) befeuert wird. Bereits fest im Griff hat dieser Terror ... Libyen, das immer mehr zerfällt." Von dort greife er nach Ägypten, wo Terroristen, die sich zum IS bekennen, Polizisten und Soldaten angreifen, schreibt die Zeitung. "In Tunesien haben sie sich sicher genug gefühlt, aus den Bergen hinabzusteigen, wo sie sich Gefechte mit der Armee geliefert hatten, um mitten in der Hauptstadt zuzuschlagen." Zum Anschlag hat sich der IS bekannt, die Identität der Attentäter sei aber laut dem Blatt nicht von Belang. Denn die Terroristen des IS und von Al Qaida konkurrieren immer weniger miteinander, sondern verschmelzen, zumindest in Nordafrika - was die Gefahr, die von ihnen ausgeht, nur weiter erhöhe.

Die junge Demokratie steht laut den Westfälischen Nachrichten aus Münster zwischen zwei Gefahren: Einerseits drohe die Destabilisierung durch den islamistischen Terror, andererseits gelte es zu verhindern, dass die notwendigen Anti-Terror-Maßnahmen in einer neuen Diktatur enden. "Beides wäre eine Katastrophe für Tunesien; es wäre auch eine Katastrophe für Europa. Denn wenn ein nordafrikanisches Land die Chance hat, den Beweis anzutreten dafür, dass Islam und Demokratie doch vereinbar sind, dann ist das - immer noch - Tunesien."

Zusammengestellt von Lisa Schwesig

Quelle: ntv.de

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