Pressestimmen

Niederlande-Referendum "Verlierer sind die Ukraine - und Europa"

50070881.jpg

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Niederländer sagen "Nein" zum EU-Abkommen mit der Ukraine. Das Referendum ist für die EU zwar nicht bindend, die Ratifizierung des Vertrags ist jedoch vorerst unsicher. Überraschend kommt das Ergebnis nicht - es ist nur ein weiteres Puzzleteil der immer stärker kriselnden EU. Hier steht nicht nur die Zukunft eines Vertrages auf dem Spiel, meinen verschiedene Kommentatoren aus der deutschen Presselandschaft.

"Europa droht sein wichtigstes Kapital zu verlieren: der Glaube der Menschen an eine kraftvolle Gemeinschaft, die Probleme gemeinsam zu lösen vermag." Zu diesem Urteil kommt das Straubinger Tagblatt und fasst zusammen: "Die Liste des Versagens ist lang: Flüchtlinge, Terror, die nicht enden wollende Griechenland-Krise. Es hätte nicht dieses Misstrauensvotums der niederländischen Wähler bedurft, um der Gemeinschaft einen Spiegel vorzuhalten. Umso schallender fällt die Ohrfeige aus. Weil die Bürger eines Mitgliedstaates die erste Gelegenheit genutzt haben, um der EU klar zu sagen: So nicht."

Auf die Akteure schaut derweil der Tagesspiegel: "Die Gewinner des niederländischen Referendums sind die Rechtspopulisten in der gesamten EU und die Kreml-Elite. Die Verlierer sind die Ukraine - und Europa. Das Votum macht deutlich, dass es sich für den Kreml lohnt, auf die Rechten in Europa zu setzen, um es von innen zu zerstören. Wladimir Putin und Geert Wilders eint, dass sie die EU und vor allem die Werte ablehnen, die diese Gemeinschaft ausmachen. Wenn Europas Bürger nicht endlich aus ihrer Gleichgültigkeit aufwachen, wird von der europäischen Idee bald nicht mehr viel übrig sein."

Bei der Südwest-Presse fragt man sich, wie es denn nun weiter gehen soll: "Die EU-Institutionen (...) stehen vor einem Dilemma, egal welche Schlüsse die Niederländer selbst aus der Abstimmung ziehen. Übergehen sie das Votum, wird ihnen Ignoranz und Arroganz vorgeworfen werden. Das würde das Misstrauen in der Bevölkerung verstärken. Gehen sie auf Vorbehalte ein, müssten sie ein ausgehandeltes Abkommen erneut formulieren. Natürlich könnten sie den Ukraine-Vertrag auch ganz ad acta legen. Doch damit stünde die EU im Verdacht, erpressbar zu sein."

"Unangenehmer ist ein anderer Aspekt", findet der Reutlinger Generalanzeiger, denn auch national könnte das Referendum Konsequenzen haben: "Wenn in immer mehr Mitgliedstaaten über einzelne EU-Beschlüsse im Nachhinein eine Volksbefragung abgehalten wird, könnte das die EU im schlimmsten Fall paralysieren. Aber nicht nur das. Auch nationale Parlamente und ihre Entscheidungen können auf diesem Wege ausgehebelt werden. Das wäre sicherlich nicht im Sinne des Erfinders, wohl aber im Sinne von Leuten wie Wilders und Co."

Die Saarbrücker Zeitung resümiert: "Die Bürger sind keineswegs so machtlos, wie sie sich offenbar fühlen. Doch wer Gewicht einfordert, muss dem Anspruch auch genügen und die Dimension seiner Entscheidung erfassen. Sonst schadet, ja beschädigt er. Und so zeigt das niederländische Referendum mitnichten, wie segensreich eine breite Beteiligung an der europäischen Gesetzgebung sein könnte. Es ist bestenfalls ein Beispiel für die Grenzen von mehr Demokratie. Die Außenpolitik der EU ist aber zu wichtig, um sie für Denkzettel zu instrumentalisieren. So kann und darf Mitbestimmung in politischen Fragen nicht funktionieren."

Zusammengestellt von Annika Thöt.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen