Tritt der FDP-Chef zurück? "Westerwelles Ego nicht unterschätzen"
21.12.2010, 21:46 UhrDie Krise der FDP droht Parteichef Westerwelle hinwegzuspülen. n-tv.de ist sich sicher: "Guido Westerwelle ist als Chef der FDP wohl nicht mehr zu halten." Es gehe gar nicht mehr darum, ob er den FDP-Vorsitz abgibt, sondern wann. Die deutschen Zeitungen sind sich da nicht ganz so sicher. Einfach abservieren lassen werde sich Westerwelle nicht. Trotzdem empfehlen die Kommentatoren: Westerwelle wird der FDP einen letzten Dienst erweisen und sich möglichst bald von der Parteispitze zurückziehen müssen.
Die Frankfurter Rundschau erinnert an den einstigen Höhenflug der Liberalen. "Acht Jahre ist es her, da malte sich Guido Westerwelle eine 18 unter seinen Schuh. Daran muss man unwillkürlich denken, wenn nun das erste Meinungsforschungsinstitut den Liberalen den Negativ-Rekordwert von drei Prozent attestiert. Natürlich sind Umfragen keine Wahlergebnisse. Aber sie spiegeln und beeinflussen Stimmungen so oder so. Deshalb konnte Westerwelle lange mit Hoffnungswerten wuchern. Und deshalb haftet ihm nun das Verlierer-Image wie Hundekot an der Sohle."

Westerwelle steht erheblich unter Druck. Ob und wann er gehen wird, halten die Kommentatoren aber noch für fraglich.
(Foto: dapd)
Auch der Mannheimer Morgen blickt zurück auf die Erfolgsgeschichte der FDP. "Dem Wahlrausch der Liberalen folgte zunächst die Hybris des Siegers und nun die Ernüchterung des Versagers", lautet das bittere Fazit der Zeitung. "Denn so gut wie nichts hat Westerwelle aus dem Klumpen Gold gemacht, den ihm die Wähler geschenkt hatten. Stattdessen steht er jetzt mit leeren Händen da. Westerwelle wird der FDP einen letzten Dienst erweisen und sich möglichst bald von der Parteispitze zurückziehen müssen. Ob er damit die FDP aus dem Strudel reißen kann, bleibt ungewiss. Schließlich ist er in den Augen der Wähler auch als Außenminister eine Fehlbesetzung. Zu stoppen ist die Debatte über die Zeit nach Westerwelle jedenfalls nicht mehr. Dringend benötigt werden Talente, die weniger Pose bieten und Bürgernähe statt elitäre Distanz verkörpern."
Der Weser-Kurier aus Bremen warnt allerdings vor allzu lauten Unkenrufen. "Westerwelles Ego ist nicht zu unterschätzen: Einfach abservieren lassen wird er sich nicht. Zu sehr hat er dafür gekämpft, seine FDP wieder in die Regierung zu führen. Den Erfolg bei der Bundestagswahl hat er immer als seinen Erfolg betrachtet und die Parteiführung als One-Man-Show", schreibt die Zeitung. "Geliebt wurde er dafür nie, respektiert schon - jedenfalls, solange es mit der Partei nach oben ging. Nun aber gibt es nichts mehr zu feiern, nur noch zu beklagen." Das Fazit des Blatts: "Die FDP steckt in der schwersten Krise seit der Affäre um Jürgen Möllemann im Jahr 2003."
Die Nürnberger Zeitung ist der Überzeugung, dass es noch einen Weg der Hoffnung für die FDP gibt. "Mit konstruktiver Selbstkritik und einer Portion Demut ließe sich der bisherige Eindruck von uneinsichtiger Selbstgerechtigkeit der Parteiführung vielleicht noch rechtzeitig mildern. Wenn dann noch eine Rückbesinnung auf die klassischen Werte der Liberalen wie Bürgerrechte und Bildung unter Aufgabe der Klientelpolitik hinzukäme, könnte die FDP möglicherweise gerade noch die Kurve kriegen."
Die Hessische Niedersächsische Allgemeine aus Kassel glaubt nicht ein allzu schnelles Ende des FDP-Chefs. "Wird Westerwelle im Januar demissionieren? Zwei Aspekte sprechend dagegen. Es gibt - noch - keine ernsthafte Alternative. Das weiß auch das Präsidium. Der biedere Rainer Brüderle ist ein Mann von gestern, mit seinem Ministeramt hat er für sich das höchste erreicht. Philipp Rösler und Christian Lindner, beides Zöglinge Westerwelles, sind noch nicht so weit. Ein Dreikönigsmörder wird sich also so schnell nicht finden. Hinzu kommt der Hochleistungswahlkämpfer Westerwelle. Er wird es auf die zentralen Landtagswahlen im März ankommen lassen.... Gelingt ihm das nicht, hat seine letzte Stunde als Parteichef geschlagen."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Till Schwarze