Erschwerte Bedingungen 2G am Arbeitsplatz - ist das möglich?
01.12.2021, 12:08 Uhr
Die gesetzliche Einführung von 2G am Arbeitsplatz würde für Arbeitnehmer eine faktische Impfpflicht bedeuten.
(Foto: imago images/Christian Ohde)
Einige Arbeitnehmer möchten sich nicht impfen lassen. Angesichts der hohen Corona-Infektionszahlen liebäugelt so mancher Politiker und Arbeitgeber daher mit 2G am Arbeitsplatz. Ob die Einführung möglich ist, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Seit dem 24. November 2021 gelten die 3G-Bestimmungen für Arbeitnehmer. Der Arbeitsplatz darf nunmehr nur noch betreten werden, wenn man geimpft oder genesen ist oder einen negativen Test einer zertifizierten Stelle vorweisen kann. Vielen Arbeitgebern und einigen Politikern gehen die Regelungen jedoch nicht weit genug, sie möchten nur noch Geimpfte oder Genesene an ihre Arbeitsstätte lassen.
Kann der Arbeitgeber 2G anordnen?
Der Arbeitgeber hat das sogenannte Direktionsrecht. Er darf seinen Mitarbeitern also Weisungen erteilen. Ob der Arbeitgeber aber auch eine so weitgehende Maßnahme wie eine 2G-Pflicht anordnen kann, ist fragwürdig. Auch die Gerichte hatten bisher kaum Gelegenheit, sich zu dieser schwierigen Frage zu äußern.
Eine 2G-Regelung am Arbeitsplatz würde für impfunwillige Arbeitnehmer den Verlust ihrer Stelle bedeuten. Grundsätzlich sind Arbeitnehmer aber bisher nicht verpflichtet, sich impfen zu lassen. Zudem käme eine Impfung als Voraussetzung der Weiterbeschäftigung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit in Konflikt.
Ein so tiefgehender Eingriff in Rechte des Arbeitnehmers ist üblicherweise nicht vom Direktionsrecht gedeckt. Im Gegenteil ist der Arbeitgeber sogar verpflichtet, auch auf die Interessen und Rechte seiner Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen. Arbeitgeber können daher voraussichtlich nicht auf eigene Faust 2G am Arbeitsplatz einführen. Dies gilt zumindest so lange, wie der Gesetzgeber nicht aktiv wird.
Kann die Politik 2G am Arbeitsplatz einführen?
Dies erscheint nicht ausgeschlossen. Die gesetzliche Einführung vom 2G am Arbeitsplatz würde für Arbeitnehmer allerdings eine faktische Impfpflicht bedeuten - sofern sie ihren Arbeitsplatz behalten und nicht arbeitslos werden möchten. An ein solches Gesetz wären daher außerordentlich strenge Maßstäbe anzulegen. Beispielsweise müsste der Gesetzgeber hier genau begründen, warum er in die Grundrechte der Arbeitnehmer eingreift und weshalb die 2G-Regel am Arbeitsplatz trotzdem notwendig ist. Die rechtlichen und politischen Hürden eines solchen Gesetzes liegen daher hoch.
Neben der ausdrücklichen Einführung von 2G am Arbeitsplatz kann der Gesetzgeber Unternehmen auch ermöglichen, 2G im Kundenverkehr einzuführen. In manchen Bundesländern können Betriebe schon jetzt zwischen einem 2G- und 3G-Optionsmodell wählen. Entscheiden sie sich für 2G und lassen nur noch geimpfte oder genesene Kunden zu, müssen mitunter auch Arbeitnehmer mit Kundenkontakt diese Voraussetzungen erfüllen. Obwohl in den Betrieben somit nicht offiziell 2G am Arbeitsplatz gilt, sind diese Arbeitnehmer dann trotzdem betroffen. Machen Arbeitgeber von dieser Option Gebrauch, bedeutet das für ihre Arbeitnehmer praktisch 2G am Arbeitsplatz. Dieses Modell kann für betroffene Arbeitnehmer dann eine faktische Impfpflicht darstellen. Die Rechtmäßigkeit dieser Regelung ist daher umstritten.
Andere Bundesländer haben daher abweichende Regelungen getroffen. Hier dürfen auch ungeimpfte Arbeitnehmer weiterhin im 2G-Kundenkontakt eingesetzt werden. Die genaue Auswirkung eines solchen 2G-Modells auf Arbeitnehmer hängt somit von der konkreten Regelung im jeweiligen Bundesland ab.
Sind Kündigungen Ungeimpfter auch jetzt schon möglich?
Zurzeit sind Kündigungen ungeimpfter Arbeitnehmer grundsätzlich nicht möglich. Da keine Impfpflicht und keine gesetzliche 2G-Regelung am Arbeitsplatz besteht, ist die Verweigerung einer Impfung auch keine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung.
Eine 2G-Pflicht "durch die Hintertür" einzuführen, indem der Arbeitgeber ungeimpften Arbeitnehmern kündigt, ist also nicht möglich.
Hiervon gibt es jedoch einige Ausnahmen:
- In Kleinbetrieben mit nicht mehr als 10 Arbeitnehmern und in der Probezeit genießen Arbeitnehmer keinen Kündigungsschutz. Arbeitgeber brauchen daher auch keinen Kündigungsgrund und könnten ungeimpften Arbeitnehmern ohne weitere Begründung kündigen.
- Entscheiden sich Unternehmen, im Kundenverkehr 2G einzuführen, gilt dies je nach gesetzlicher Regelung auch für Arbeitnehmer mit Kundenkontakt. Verweigern diese Mitarbeiter die Impfung, muss der Arbeitgeber sie auf eine Stelle ohne Kundenkontakt versetzen. Ist dies nicht möglich, kommt eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht. Eine solche Kündigung muss aber das absolut letzte Mittel sein und wird daher meist scheitern.
In seltenen Einzelfällen ist eine Kündigung somit auch dann möglich, wenn noch nicht offiziell 2G am Arbeitsplatz eingeführt wurde. Das ist aber die absolute Ausnahme. Die rechtliche Lage ist oft unsicher und gerichtliche Entscheidungen gibt es kaum. Betroffene Arbeitnehmer sollten daher im Falle ihrer Entlassung unbedingt eine Kündigungsschutzklage in Betracht ziehen. Sie haben dann gute Chancen, ihren Arbeitsplatz zu retten.
Alicia von Rosenberg ist Rechtsanwältin mit eigener Kanzlei in Berlin. Ihr Schwerpunkt liegt im Bereich Arbeitsrecht und insbesondere beim Thema Kündigungen beziehungsweise Kündigungsschutzklagen.
Quelle: ntv.de