Recht verständlich Homeoffice-Anspruch vor Urlaubsstart?
29.06.2021, 13:24 Uhr
Gibt es einen Anspruch auf Homeoffice?
(Foto: picture alliance / Karl Schöndorfer / picturedesk.com)
Ein Mitarbeiter, nach eigenen Angaben Risikopatient, soll in Präsenz neue Mitarbeiter einarbeiten und weigert sich, auch um durch eine "Homeoffice-Quarantäne" den geplanten Urlaub nicht zu gefährden. Der Arbeitgeber kündigt fristlos wegen Arbeitsverweigerung - zu Recht?
Das Arbeitsgericht Kiel entschied kürzlich (Aktenzeichen: 6 Ca 1912 c/20), dass die Weisung eines Arbeitgebers gegenüber einem sich selbst als Risikopatient bezeichnenden Mitarbeiter, zwei ihm zugeordnete Mitarbeiter in Präsenz einzuarbeiten, auch in Pandemiezeiten wirksam sein kann. Weigert sich der Mitarbeiter trotz mehrfacher Gespräche beharrlich, der Weisung nachzukommen, um seine bereits geplante Urlaubsreise nicht durch eine Corona-Ansteckung zu gefährden, so rechtfertigt dies eine fristlose Kündigung.
Wie war der Fall?
Der Konflikt entstand zu einer Zeit, in der es - wie auch nun wieder ab dem 1.Juli - aufgrund von Sars-CoV-2- Arbeitsschutzregelungen keine Homeoffice-Pflicht gab. Der klagende Mitarbeiter war der einzige Web-Entwickler mit einem bestimmten Aufgabenbereich, der schließlich befördert wurde. Der Kläger hatte dem Arbeitgeber im Zuge der Corona-Pandemie mitgeteilt, dass er Risikopatient sei und hatte ebenso wie die überwiegende Zahl der anderen Mitarbeiter seine Tätigkeit im Homeoffice ausgeführt. Ihm war bereits ein 5-wöchiger Erholungsurlaub genehmigt worden, den er bei seiner Familie im Ausland verbringen wollte. Er wurde dann seitens des Arbeitgebers angewiesen, in den zwei Wochen vor seinem Urlaub zwei in seinem Spezialbereich neu eingestellte Mitarbeiter vor Ort im Unternehmen unter Einhaltung aller üblichen Hygiene-/Mund-Nase-Schutz- und Abstandsregeln in einem 40 Quadratmeter großen Raum einzuarbeiten.
Er startete damit zwar, beendete dies am zweiten Tag aber schon mittags eigenmächtig und weigerte sich dann, die Einarbeitung in Präsenz abzuschließen, trotz mehrfacher Aufforderung seitens des Geschäftsführers. Der Mitarbeiter argumentierte, er wolle wegen Corona nicht kommen, weil seine Urlaubsreise in sein Heimatland bereits geplant sei und er nun kein Infektionsrisiko in der Firma mehr eingehen wolle. Auf die Frage der Geschäftsführung, ob dies seine endgültige Entscheidung sei, bejahte er dies. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin fristlos - der Mitarbeiter erhob Kündigungsschutzklage.
Das Urteil
Das Arbeitsgericht Kiel gab dem Arbeitgeber recht und erklärte die Kündigung für wirksam. Es liege eine beharrliche Arbeitsverweigerung vor. Die Weisung des Arbeitgebers, die neuen Mitarbeiter in Präsenz einzuarbeiten, sei wirksam und entspreche billigem Ermessen. Es habe kein Homeoffice-Anspruch bestanden. Insbesondere führe die Möglichkeit, während der Pandemie von zu Hause aus zu arbeiten, nicht automatisch zur Konkretisierung in einen Homeoffice-Arbeitsvertrag. Auch sonst ergebe sich aus dem Arbeitsschutz keine Verpflichtung, Mitarbeiter in Pandemiezeiten ausschließlich im Homeoffice zu beschäftigen.
Der Arbeitgeber habe entsprechend der geltenden Regeln Infektionsschutz beschlossen, Hygiene- und Abstandsregeln konnten eingehalten werden. Der Kläger konnte auch trotz einer im Prozess vorgelegten ärztlichen Bescheinigung einer Asthmaerkrankung nicht belegen, dass er zum Zeitpunkt der Weisung ein so hohes gesundheitliches Risiko hatte, dass jegliche Beschäftigung im Büro unverantwortlich gewesen wäre. Die Gesundheitseinwendungen seien auch wenig glaubhaft, wenn er trotzdem das Risiko einer Reise eingehen wollte. Die Einarbeitung neuer Mitarbeiter, die ein Arbeitgeber in Präsenz verlangen dürfe, gehöre als Nebentätigkeit zu seinen arbeitsvertraglichen Pflichten als Web-Entwickler, die in einer arbeitsteiligen Organisation zwingend erforderlich sei. Die Weisung galt auch nur vorübergehend für zwei Wochen, der Arbeitgeber sei erkennbar wegen des anstehenden Urlaubs auf den Kläger mit seinem Spezialwissen für die Einarbeitungswochen angewiesen gewesen.
Die Richter stellten ausdrücklich klar, dass ein Arbeitgeber bei der Ermessensausübung keinesfalls ein Interesse des Klägers zu berücksichtigen habe, dass er sich vor seinem Heimaturlaub lieber in quasi Quarantäne begeben wolle - die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung sei keine Vorbereitung für einen geglückten Urlaub. Die Arbeitsverweigerung sei auch beharrlich, der Kläger habe - mehrfach angesprochen - deutlich gemacht, dass dies sein letztes Wort sei. Dann sei auch eine Abmahnung entbehrlich. Auch die Interessenabwägung im Einzelfall half dem Kläger hier nicht. Er verlor fristlos seinen Arbeitsplatz, weil er - so das Gericht - seine eigenen Urlaubsinteressen "in bemerkenswerter Deutlichkeit" über die Arbeitgeberinteressen an einem ordnungsgemäßen Betriebsablauf gestellt habe.
Rechtsanwältin Dr. Alexandra Henkel ist Fachanwältin für Arbeitsrecht, Wirtschaftsmediatorin und Business Coach.
Quelle: ntv.de