Sexuelle Orientierung egal Was die neuen Regeln zur Blutspende bedeuten
05.09.2023, 07:12 Uhr Artikel anhören
An der Sicherheit der Blutprodukte ändert sich nichts.
(Foto: Frank Molter/dpa/dpa-tmn)
Blutspender werden künftig nicht mehr nach ihrer sexuellen Orientierung befragt. Was Spender und Empfänger jetzt wissen müssen und die Schritt-für-Schritt-Anleitung für alle, die ihre Blutspende-Premiere noch vor sich haben.
Vielen homo- und bisexuellen Männern war es bislang aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht möglich, in Deutschland Blut zu spenden. Künftig soll dieses Kriterium bei der Risikobewertung keine Rolle mehr spielen. Das sieht eine erneuerte Richtlinie der Bundesärztekammer vor, die am Montag in Kraft getreten ist. Ab wann genau die neue Regelung in der Praxis angewendet wird, hängt einem Sprecher zufolge davon ab, wie schnell die Blutspendedienste auf einen neuen Fragebogen umstellen.
Die Änderungen seien im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut sowie unter Beteiligung des Bundesgesundheitsministeriums und des Robert-Koch-Instituts erfolgt, so der Sprecher. Unter anderem Schwulenverbände hatten die bisherige Praxis als diskriminierend bewertet. Aber auch an den neuen Regeln üben sie deutliche Kritik - sie würden die meisten schwulen Männer weiterhin ausschließen.
Was ändert sich mit der neuen Richtlinie?
Um Diskriminierung zu verhindern, erfolgt die Risikobewertung von Blutspenden künftig unabhängig von der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität. Daher werden Spendeninteressierte nun nicht mehr nach ihrer sexuellen Orientierung, sondern nach der Anzahl der Sexualpartner und der Sexualpraxis befragt, wie Johannes Oldenburg, Arzt und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer, der Deutschen Presse-Agentur erklärte. Auch heterosexuelle Menschen müssen also künftig konkret Angaben zu ihrer Sexualpraxis machen. Dabei wird auch speziell nach Analsex gefragt. Spezielle Ausschlusskriterien für Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), fallen weg. Außerdem entfällt die Regelung zur Rückstellung von Transmenschen, die Sex mit häufig wechselnden Partnern haben. Zudem gibt es bisherige Altersgrenzen künftig nicht mehr. Auch Über-60-Jährige können damit in Zukunft als Erstspender zugelassen werden.
Wer darf künftig nicht Blut spenden?
Zurückgestellt wird, wer "innerhalb der letzten vier Monate ein Sexualverhalten aufgewiesen hat, das ein deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten birgt". Dazu gehört demnach etwa Sex mit insgesamt mehr als zwei Personen in diesem Zeitraum und Sex mit einer neuen Person, wenn dabei Analverkehr praktiziert wurde. Auch Sexarbeit und deren Inanspruchnahme sowie Sexualverkehr mit einer Person, die mit Hepatitis B, Hepatitis C oder HIV infiziert ist, gilt als risikobelastetes Verhalten. Ziel der Risikoanalyse ist es, die Übertragung einer Infektion auf den Empfänger einer Blutspende möglichst zu verhindern.
Welche Blutspende-Regeln galten bislang in Bezug auf das Sexualverhalten?
Unabhängig von der Sexualpraxis galt bislang noch als risikoreich, wenn ein Mann innerhalb der letzten vier Monate Sex mit einem neuen Mann hatte. Bei Sexualverkehr zwischen Frau und Mann wurde hingegen für vier Monate nur zurückgestellt, wer "häufig wechselnde Partner/Partnerinnen" hatte.
Was ist Auslöser für die Änderung?
Im März beschloss das Parlament, "eine unvertretbare, medizinisch unnötige Diskriminierung" homosexueller Männer bei Blutspenden zu beseitigen, wie es Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nannte. Das Gesetz gab der Bundesärztekammer eine entsprechende Änderung der Richtlinie vor. Im Transfusionsgesetz wurde dafür festgelegt, dass die sexuelle Orientierung bei der Bewertung des Risikos, das zu einem Ausschluss oder einer Rückstellung von Blutspenden führt, nicht berücksichtigt werden darf. Eine Einschätzung solle aber nach dem "individuellem Sexualverhalten der spendewilligen Person" möglich bleiben.
Wieso galten für homo- und bisexuelle Männer bislang andere Kriterien?
Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts zeigen epidemiologische Daten, dass Sex unter Männern mit einem besonders hohen Übertragungsrisiko für verschiedene Infektionen einhergeht. Etwa zwei Drittel der jährlichen Neuinfektionen mit HIV fielen auf MSM. Auch bei Syphiliserkrankungen, bei denen der Infektionsweg bekannt sei, wurden dem RKI zufolge 85 Prozent aller Erkrankungen auf Sex unter Männern zurückgeführt (Stand: September 2021). Bis 2017 durften MSM und Transmenschen deswegen sogar gar nicht Blut spenden.
Was sagen Betroffene zu den neuen Regeln?
Die Deutschen Aidshilfe und Schwulen-Vertreter bezeichnen die neue Richtlinie als nach wie vor diskriminierend. Die neuen Kriterien würden die meisten schwulen Männer weiterhin ausschließen, ohne dies klar zu benennen. Aidshilfe, der Berliner Queer-Beauftragte und der Lesben- und Schwulenverband forderten neue Regeln. So hält die Aidshilfe die Regelung für Analverkehr für falsch - die Sexualpraktik an sich sei kein Risiko. "Diese Annahme ist stigmatisierend", hieß es in einer Mitteilung. Es sei nicht nachvollziehbar, warum Schutzmaßnahmen wie Kondome und HIV-Prophylaxe in der Risikobewertung nicht berücksichtigt würden. "Zum wiederholten Mal hat die BÄK (Bundesärztekammer) eine inakzeptable Regelung vorgelegt." Der Plan der Ampel-Koalition, der Diskriminierung schwuler Männer und Transmenschen ein Ende zu setzen, sei gescheitert.
Welche Vorsichtsmaßnahmen gelten bei der Blutspende?
Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung werden täglich 15.000 Blutspenden für Operationen, zur Versorgung von Unfallopfern und für die Behandlung schwerer Krankheiten benötigt. Um eine sichere Versorgung zu garantieren, werden alle Blutspenden im Labor auf spezielle Infektionskrankheiten untersucht, etwa auf HIV, Syphilis und Hepatitis B, C und E.
Transfusionsmediziner Oldenburg zufolge wird die Spende etwa auch auf eine Infektion mit dem West-Nil-Virus überprüft. Allerdings könnten die Tests keine absolute Sicherheit geben, auch wenn sie äußert sensibel seien. Vor allem sehr neue Infektionen können erst nach einer gewissen Zeit im Blut nachgewiesen werden. Daher müssen Spendeninteressierte vor einer Spende einen umfangreichen Fragebogen zu ihrer Gesundheit ausfüllen und ein Arztgespräch führen.
Sind Blutprodukte auch mit der neuen Regelung noch sicher?
"An der Sicherheit der Blutprodukte ändert sich nichts", versicherte Oldenburg. Das zeigten auch Erfahrungsberichte aus anderen Ländern, die ihren Fragenkatalog bereits entsprechend angepasst hätten. Auch wenn künftig nicht mehr explizit nach der sexuellen Orientierung gefragt werde, würden mögliche Risiken ebenso gut erfasst. Auch über den Wegfall der Altersgrenze müssten potenzielle Blutspendenempfänger sich keine Sorgen machen. "Die Qualität des Blutes wird durch das Alter nicht beeinträchtigt." Die bisherige Regelung sei zum Schutz von Spendern eingerichtet worden, weil ältere Menschen zum Teil Kreislaufprobleme oder Bluthochdruck hätten.
Hier kommt die Schritt-für-Schritt-Anleitung für alle, die ihre Blutspende-Premiere noch vor sich haben.
Schritt 1: Die Vorbereitung
Auch wenn man für die Blutabnahme in der Hausarztpraxis das Frühstück vorher ausfallen lassen muss - Blut spendet man besser nicht auf nüchternen Magen. Es ist ratsam, vorher ausreichend zu essen, am besten fettarme Mahlzeiten, die nicht schwer im Bauch liegen. Ebenfalls wichtig: vorher viel trinken, am besten 1,5 Liter Wasser, Tee oder Fruchtsäfte.
Schritt 2: Die Anmeldung
Wer zur Blutspende kommt, muss erstmal den Personalausweis oder ein anderes Ausweisdokument vorzeigen. Alle, die nicht zum ersten Mal spenden, sollten ihren Blutspendeausweis parat haben, wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) auf ihrem Portal blutspenden.de schreibt. Das ist eine Karte, auf der unter anderem die Blutgruppe und das Datum der letzten Spende hinterlegt sind. Den Ausweis bekommt man nach der ersten, spätestens nach der zweiten Blutspende per Post zugeschickt.
Schritt 3: Klären, ob eine Blutspende möglich ist
Weiter geht es mit einem Fragebogen, den Spenderinnen und Spender ausfüllen müssen. Dort werden sie zum Beispiel gefragt, ob sie in den vergangenen sieben Tagen einen Infekt hatte, etwa eine Erkältung. Die Antworten im Fragebogen liefern dem Blutspendedienst Anhaltspunkte, ob man für die Spende infrage kommt oder nicht. Zum Beispiel, weil Infektionskrankheiten vorliegen könnten, die über das Blut übertragen werden.
Und auch einen ersten Tropfen Blut muss man bei der Vorbereitung schon lassen. Es gibt einen kleinen Piks in die Fingerkuppe, womit der Hämoglobinwert bestimmt wird. Liegt er zu niedrig, heißt das laut BZgA: Die Eisenreserve reicht nicht aus, um den Blutverlust auszugleichen. Eine Spende ist dann nicht möglich. Anschließend folgt eine kurze Untersuchung durch einen Arzt oder eine Ärztin: Der Puls wird gemessen, der Blutdruck bestimmt, der Fragebogen besprochen. Spricht nichts gegen eine Spende, gibt der Arzt oder die Ärztin grünes Licht.
Schritt 4: Die Blutspende
Nun kann es losgehen. Wie lange die Spende an sich dauert, hängt von der Art ab. Wer Vollblut spendet, dem werden über die Armbeuge 500 Milliliter Blut entnommen. Das dauert rund zehn Minuten. Etwas mehr Zeit muss mitbringen, wer Plasma spendet. Auch hier werden 500 Milliliter Vollblut entnommen. Sie werden dann aber noch durch ein Gerät geschickt, das die festen und flüssigen Bestandteile voneinander trennt. Das flüssige Plasma bleibt zurück, der Rest wandert wieder in den Körper. Insgesamt dauert eine Plasmaspende rund 45 Minuten.
Schritt 5: Grünes Licht für die Verwendung geben
Darf mein Blut für Kranke und Verletzte verwendet werden? Diese Frage bekommen Spenderinnen und Spender im Anschluss noch einmal auf einem Formular gestellt. Wer von der Spende zurücktreten möchte, kann das jetzt noch tun - und zwar vertraulich und anonym. Wichtig zu wissen: Ist dieser sogenannte vertrauliche Selbstausschluss nicht oder nicht eindeutig ausgefüllt, darf die Spende nicht weiterverwendet werden.
Schritt 6: Das Ausruhen danach
Direkt nach der Blutspende ins Fitnessstudio? Das ist laut DRK-Blutspendedienst tabu. Am Tag der Spende ist allenfalls ein leichtes Sportprogramm drin, wobei man gut auf die Signale des Körpers hören sollte. Ohnehin muss man nach der Spende noch 30 Minuten warten, ehe man sich verabschieden darf. Um den Kreislauf wieder in Schwung zu bringen, gibt es meist einen kleinen Imbiss und etwas zu trinken.
Quelle: ntv.de, awi/dpa