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Hamburg & Schleswig-Holstein Den Kurs immer gehalten: 50 Jahre "Theaterschiff Hamburg"

Wo einst Senta Berger und Peter Ustinov auftraten, feiern heute Comedy, Kabarett und Musikshows Erfolge: auf der Minibühne des "Theaterschiff Hamburg". Das Schiff startet nun seine Jubiläumssaison.

Hamburg (dpa/lno) - Das gibt es wohl nur in Hamburg: ein Theater, das sich bei Gezeitenwechsel hebt oder auf Grund läuft, in dem man die Pumpe anspringen hört und Diesel riecht – und das sogar hochseetüchtig ist. Fest vor Anker liegt der ehemalige Besan-Ewer "Rita Funck" - 32 Meter Länge, 1,20 Meter Tiefgang, 265 Bruttoregistertonnen – am Nikolaifleet nahe der Holzbrücke in der Innenstadt. Im Jahr 1975 vom Bühnen-Tausendsassa Eberhard Möbius (1926-2020) und seiner Frau Christa Möbius zum literarisch-politischen Kabarett umgebaut, traten dort schon Größen wie Gerd Fröbe, Sir Peter Ustinov und Senta Berger vor stets ausverkauften 120 Plätzen auf.

Szene-Stars und Eigenproduktionen

Vor 25 Jahren übernahm die erfahrene Theaterfamilie Schlesselmann das Ruder auf der damals noch "Das Schiff" genannten Kulturinstitution mit dem urigen maritimen Flair. Seither ist das Programm des "Theaterschiff Hamburg" vielfältiger geworden, doch satirisches, zeitkritisches Unterhaltungstheater wird auf der zwei mal zwei Meter kleinen Bühne noch immer geboten. Szene-Stars wie Alice Köfer, Moritz Netenjakob und Florian Wagner sind einige der regelmäßigen Gastkünstler auf dem Wasserfahrzeug von 1912.

Den 50. Geburtstag ihres intimen Bühnenraums mit Barbetrieb feiern der Schiffseigner Heiko Schlesselmann als kaufmännischer Geschäftsführer und der Kabarettist Michael Frowin, seit 2012 als künstlerischer Leiter mit an Bord, ab kommenden Sonnabend (11. Oktober) mit der Drei-Personen-Show - "Desperate Boatwives", einer Eigenproduktion. 

Das Jubiläum erfreut auch Kultursenator Carsten Brosda (SPD). "Seit einem halben Jahrhundert ist das Theaterschiff ein Symbol für Hamburgs lebendige Kulturszene. Die Bühne auf dem Wasser schafft Nähe, überraschende Momente und unvergessliche Theatererlebnisse", sagte Brosda auf dpa-Anfrage. Und ergänzte: "Das 50. Jubiläum würdigt nicht nur die generationsübergreifende Begeisterung, sondern markiert auch den Auftakt für viele weitere Jahre voller kreativer Impulse und kultureller Begegnungen in unserer Stadt."

Mit viel Musik 

"Ein Markenzeichen des Theaterschiffs ist, dass es immer musikalisch ist", sagt Frowin im Gespräch mit der dpa in einer kleinen Kajüte mit Blick auf den Hafen. Er vermerkt: "Neben politischem Kabarett, für das wir schon immer gestanden haben, zeigen wir Ensemblestücke mit sehr viel Musik, dazu Mischformen aus Comedy, Boulevard und Kabarett." Mit seinem eigenen Programm "Das wird ein Vorspiel haben" wird der gesanglich ausgebildete Stand-Up-Kabarettist (55) ab November wieder zu erleben sein. Darin macht er sich Gedanken über das menschliche Gehirn – und dessen begrenzte Fähigkeit, schlechte Nachrichten zu verarbeiten.

Den Spielplan auf dem Schiff, das seine Luke in der Regel von August bis Juni öffnet, verantwortet in der Regel Frowin. Doch zustimmen muss, als Mann der Zahlen, Schlesselmann – ein überzeugter Hamburger und lange auch Fan-Beauftragter des FC St. Pauli. "Außer allem tagsüber im Büro verkaufe ich die Karten, stehe abends an der Tür und reiße die Karten ab", sagt der 53-Jährige, der seit dem Tod seiner Eltern auf der Kommandobrücke steht.

Alle fünf Jahre auf die Werft 

Vor allem durch Corona hatte auch das Theaterschiff mit Publikums-Flauten zu kämpfen. Heute sorgen 20.000 Zuschauer für eine solide Platzausnutzung von 75 Prozent. "Wir wissen beide, was Arbeit ist. Da steckt viel Herzblut drin", merkt Frowin an, der seinen Hauptwohnsitz in Berlin hat. Zudem freut sich das Leitungsduo über einen engagierten Förderverein – und über jährlich 70.000 Euro Zuwendung von der Kulturbehörde, was manches Projekt erst ermögliche. Viel Geld kostet es nicht zuletzt, das Seegefährt alle fünf Jahre auf einer Werft warten zu lassen. Eine Grundsanierung gab es dort zuletzt vor fünf Jahren.

Besondere Anerkennung für Schlesselmann und Frowin bedeutete der Hamburger Theaterpreis Rolf Mares, den sie 2023 für "außergewöhnliche Leistungen im Rahmen des Hamburger Theaterlebens für die Leitung des Theaterschiffs Hamburg" erhielten. Beiden Chefs ist dabei klar, dass ihr Publikum inzwischen viel diverser aufgestellt ist als noch zu Möbius‘ Zeiten. "Gerade das satirische Theater hat sich sehr verändert. Ich bin mit Dieter Hildebrandt und seinem TV-„Scheibenwischer“ aufgewachsen – das war ja oft so ein Verabredungstheater zwischen Künstler und Zuschauern", sagt Frowin. Heute wollten Letztere jeden Abend neu erobert werden.

Hanseatische Schlagseite

Schlesselmann ergänzt, dass anders als früher im Sommer der Zustrom hoch sei. "Wir profitieren stark vom Elbphilharmonie-Tourismus. Die Leute entdecken uns auf ihrem Weg und buchen dann Karten für ihren freien Abend bei uns", so der Geschäftsführer. Da wundert es nicht, dass viele Aufführungen bewusst eine hanseatische Schlagseite haben. So gibt es etwa eine "Matrosen-Show" sowie die Comedy-Crashkurse "Hamburger werden in 90 Minuten" und "Hamburger werden – Jetzt auch mit Speckgürtel".

Und als erstmalige Kooperation mit dem traditionsreichen Ohnsorg-Theater ist Mitte November das auch als Hollywood-Film bekannte Stück "Novecento – De Geschicht vun den Ozeanpianist" von Alessandro Baricco auf dem "Theaterschiff Hamburg" zu erleben – auf Plattdeutsch.

Quelle: dpa

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