Niedersachsen & Bremen Für die Sicherheit: Elterntaxis werden ausgebremst
23.09.2025, 05:34 Uhr
Vor Unterrichtsbeginn herrscht oft Verkehrschaos vor Schulen. Dabei steigt die Unfallgefahr. Niedersachsen erleichtert es daher Kommunen, Straßen zeitweise zu sperren. Funktioniert das Modell?
Hannover (dpa/lni) - Stau, zugeparkte Einmündungen, riskante Wendemanöver: Um gefährliche Situationen durch Elterntaxis vor dem Schulgebäude zu verhindern, setzen einige Schulen in Niedersachsen auf Straßensperrungen. Das Verkehrsministerium in Hannover hatte im Frühjahr in einem Schreiben Kommunen, Städte und Landkreise Rechtssicherheit gegeben, sogenannte Schulstraßen einzurichten. Diese sind während der Bring- und Abholzeit oder auch während der gesamten Unterrichtszeit für den motorisierten Verkehr gesperrt. So soll der Schulweg für Mädchen und Jungen zu Fuß, per Fahrrad oder Tretroller sicherer werden.
Immer wieder gefährliche Situationen am Morgen
Gute Erfahrungen hat damit die Stadt Braunschweig gemacht. An einer Grundschule wurde nach den Osterferien in einem Pilotprojekt die Straße für eine halbe Stunde am Morgen gesperrt, wie eine Vertreterin der Stadt mitteilte. Zuvor sei es immer wieder zu gefährlichen Situationen gekommen. Die Polizei kontrolliere regelmäßig, ob das Verbot eingehalten werde. Die Nachbarschaft sei in die Pläne einbezogen worden. "Im Ergebnis ist das Pilotprojekt erfolgreich verlaufen. Aufgrund der positiven Resonanz wurde die Schulstraße an der Grundschule Altmühlstraße dauerhaft eingerichtet", sagte die Sprecherin.
Nach den Herbstferien wird in Lüneburg die Straße vor der Grundschule Im Roten Felde morgens und nachmittags gesperrt. "Seitens der Eltern gibt es vereinzelt Bedenken, wie sich das Holen und Bringen der Kinder mit dem Auto verändert", sagte Stefan Ahrens, Sprecher der Stadt. "Im Wesentlichen gab es jedoch eine große Aufgeschlossenheit für das Projekt." Wie die Anlieger zu dem Pilotprojekt stehen, könne er bisher nicht sagen. Der Austausch mit ihnen sei nicht abgeschlossen.
In Hannover gibt es bisher nur eine Schulstraße
Auch an der Albert-Schweitzer-Schule in Hannover gab es früher viele brenzlige Begegnungen von Autos und Schulkindern. "Wenden ist immer eine gefährliche Situation, wenn die Kinder unter dem Rückspiegelniveau laufen", sagt Lehrer Ekkehard Oehler-Austin. Passiert sei zum Glück nie etwas. "Aber es war ein paar mal knapp." Inzwischen sei die Sackgasse morgens und nachmittags für den Durchgangsverkehr gesperrt. "Die Kinder finden das super, weil sie nicht mehr aufpassen müssen." Die Einrichtung der Schulstraße erfolgte bereits 2017 und sei leicht umsetzbar gewesen, weil es dort keine direkten Anwohner gebe, die sich behindert fühlen könnten. Andere Schulstraßen sind in Hannover laut einem Stadtsprecher zurzeit nicht geplant.
In Wietze im Landkreis Celle formierte sich dagegen lautstarker Protest: Dort fühlen sich Anwohner einer Straße in der Nachbarschaft der Schule belästigt durch den verstärkten Ausweichverkehr vor ihrer Haustür, es gab nach Medienberichten sogar eine Klagedrohung. Die Stadt hatte den Eltern zwar Alternativparkplätze in Schulnähe angeboten, diese seien allerdings nicht ausreichend angenommen worden. Wie es dauerhaft mit der Straßensperrung weitergeht, steht nach Landkreis-Angaben noch nicht fest. Bis Mitte 2026 soll der Verkehrsversuch noch dauern.
Eltern fahren teilweise bis zur Schuleingangstür
Viele Eltern würden ihre Kinder "möglichst dicht zur Eingangstür der Schule fahren", sagte Susanne Osing von der Landesverkehrswacht Niedersachsen. Laut dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club ADFC werden in Deutschland rund 43 Prozent der Kinder unter zehn Jahren mit dem Auto zur Schule gebracht. Dabei seien Schulwege in Deutschland relativ kurz: 47 Prozent seien unter einem Kilometer lang.
"Es handelt sich in der Regel um ein Zeitfenster von 10 bis 15 Minuten, in denen sich der Hol- und Bringverkehr ballt", sagte Osing. "Eltern verzichten nur dann auf die Fahrt zur Schule, wenn sie den Schulweg des Kindes zu Fuß ohne Elternbegleitung subjektiv als sicher empfinden." Das sieht auch der ADFC so. Laut einer von dem Verband in Auftrag gegebenen Umfrage denkt 77 Prozent der Bevölkerung, dass mehr Eltern ihre Kinder mit dem Rad, Roller oder zu Fuß zur Schule schicken würden, wenn die Schulwege sicherer wären.
Viele Schulen haben sogenannte Elternhaltestellen in Seitenstraßen für ein kurzes Ein- und Aussteigen eingerichtet, von wo aus die Schülerinnen und Schüler das letzte Stück zu Fuß zurücklegen können. Diese werden laut Osing aber nur genutzt, wenn sie für Eltern auf ihrem Weg gut zu erreichen seien.
"In NRW feiern sie jede Schulstraße"
Obwohl das Verkehrsministerium in Hannover die Einrichtung von Schulstraßen unterstützt, reagieren laut ADFC Landkreise oder Städte oft eher verhalten auf entsprechende Wünsche von Schulen - vor allem wegen der Auswirkungen auf die Anlieger. In Bremen gibt es laut ADFC keine einzige Schulstraße.
In Nordrhein-Westfalen sieht das ganz anders aus: "In NRW feiern sie jede Schulstraße", sagte Frauke Maack vom ADFC Bremen. Dort hatte das Landesverkehrsministerium als oberste Straßenverkehrsbehörde 2024 per Erlass Rechtssicherheit für Städte und Gemeinden geschaffen. Inzwischen wurde vor rund 50 Grundschulen der Verkehr während der Bring- und Abholzeiten gestoppt. Bis Ende des Jahres sollen es insgesamt rund 70 Schulen werden - deutlich mehr als in Niedersachsen, wo allerdings eine offizielle Erfassung fehlt. "Es besteht keine Meldepflicht", sagte ein Ministeriumssprecher.
Quelle: dpa