"Reibe mir ungläubig die Augen" Ärger um Uniform-Auftritt der Rekord-Olympionikin Pechstein
18.06.2023, 13:18 Uhr
Claudia Pechstein soll bei einer CDU-Veranstaltung zu Sport und Ehrenamt sprechen, ihren Auftritt aber nutzt die deutsche Rekord-Olympionikin auch für einen Ausflug in die innere Sicherheit - mit kontroversen Beispielen. Ihren Vortrag hält die Politikerin, die bei der Bundespolizei angestellt ist, in Uniform.
Eisschnellläuferin Claudia Pechstein hat mit ihrem Auftritt in Polizeiuniform am Wochenende bei einem CDU-Konvent für Diskussionen gesorgt. Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler schrieb auf Twitter: "Eine Polizeibeamtin in Uniform schwingt Parteitagsreden? Ich reibe mir gerade ungläubig die Augen." Er fordere vom Bundesinnenministerium Transparenz und Nachbereitung dazu. Fiedler nutzte in seinem Tweet den Hashtag "Neutralitätspflicht". Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau schrieb auf Twitter: "Befasse mich seit 25 Jahren mit Beamten und Disziplinarrecht, nicht nur im Innenausschuss, dazu kommt Parteienfinanzierung und Zeugs - dieser Vorgang ist außerhalb von jeder tolerablen Möglichkeit."
Pechstein warb am Samstag auf dem Konvent in Berlin für eine Stärkung des Vereins- und Schulsports. Sie mahnte auch Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber an. Das sorge für mehr Sicherheit im Alltag. Öffentliche Verkehrsmittel "ohne ängstliche Blicke" nutzen zu können, gehöre zu Problemen, die besonders Ältere und Frauen belasteten. Verbesserungen dort sollten wichtiger sein, "als darüber nachzudenken, ob wir ein Gendersternchen setzen oder ob ein Konzert noch deutscher Liederabend heißen darf oder ob es noch erlaubt ist, ein Zigeunerschnitzel zu bestellen", sagte Pechstein.
Bundespolizei prüft dienstrechtlich
Eine CDU-Sprecherin sagte am Sonntag, dass vor der Rede nicht klar gewesen sei, dass Pechstein eine Uniform der Bundespolizei tragen werde. Die Polizistin habe ihrer Kenntnis nach aber eine Tragegenehmigung für die Uniform. Die Äußerungen Pechsteins wollte die Sprecherin nicht kommentieren.
Schleswig-Holsteins Bildungsministerin und stellvertretende Parteivorsitzende, Karin Prien, lobte am Sonntag auf Twitter den "exzellenten CDU-Grundsatzkonvent". "C. Pechstein sollte ihre Perspektive zu Sport und Ehrenamt beitragen", schrieb Prien. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums wollte sich zunächst nicht äußern. Beamte unterliegen nach dem Beamtenrecht der Neutralitätspflicht. Im Bundesbeamtengesetz heißt es: "Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben." Die Bundespolizei habe "am Samstagmittag von dem in Rede stehenden Vorgang erfahren und unverzüglich eine dienstrechtliche Prüfung eingeleitet", verkündete die Behörde.
"Die Neider sind mir total egal"
Pechstein gewann bei Olympischen Winterspielen fünfmal die Goldmedaille, außerdem holte sie jeweils zweimal Silber und Bronze. Unter den deutschen Athletinnen und Athleten sind die acht Olympia-Teilnahmen Pechsteins unangefochten Rekord, nur der Japaner Noriaki Kasai nahm ebenfalls achtmal an Olympischen Winterspielen teil. Bei den Spielen 2022 in Peking durfte sie gemeinsam mit Bobpilot Francesco Friedrich bei der Eröffnungsfeier die deutsche Fahne ins Olympiastadion tragen. Trotz ihrer mittlerweile 51 Jahre zählt Pechstein national noch immer zu den besten Eisschnellläuferinnen, internationale Medaillen sind für sie aber längst außer Reichweite geraten.
"Dass ich jetzt nicht mehr um Medaillen mitlaufen kann", sagte Pechstein, die 1992 im französischen Alpenort Albertville ihr Olympia-Debüt gefeiert hatte, schon 2020 RTL/ntv, sei "überhaupt nicht schlimm, und das war es noch nie. Wenn man sein Bestes gibt, ist alles gut, und wenn andere besser sind, dann ist das so. Du kannst keine Siege abonnieren, und es ist gut, dass das im Sport nicht funktioniert." Sogar einen Start bei den Olympischen Winterspielen in Mailand und Cortina d'Ampezzo - es wären ihre neunten - schließt sie nicht grundsätzlich aus. "2026 bin ich aber wieder drei Jahre älter - und werde nicht schneller, höchstens ausdauernder", sagte Rekord-Olympionikin Pechstein: "Deshalb macht es keinen Sinn, so weit im Voraus zu planen. Aber man sollte nie Nie sagen." National ist Pechstein über ihre Paradestrecken weiterhin sportlich kaum angreifbar. "Die Neider, die sagen 'Die muss doch längst zurücktreten', sind mir total egal. Die Einzige, die das entscheidet, bin ich", sagte Pechstein. Wann es so weit sein wird, lässt sie weiter offen.
In der politischen Karriere läuft es noch nicht so gut: Die Wintersportlerin war 2021 für die CDU in Berlin bei der Bundestagswahl angetreten, im Berliner Wahlkreis Treptow-Köpenick konnte sie jedoch nur 13,5 Prozent der Stimmen holen - gut 5 Prozent weniger als bei der Bundestagswahl 2017.
Quelle: ntv.de, ter/dpa