Leichtathletik am Scheideweg Coe gegen Bubka - IAAF wählt neuen Chef
18.08.2015, 12:08 Uhr
Sebastian Coe (l) und Sergej Bubka (r) kämpfen um den Chefposten beim IAAF.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Zwei Olympiasieger wollen den Leichtathletik-Weltverband aus dem Doping-Sumpf ziehen. Sergej Bubka und Sebastian Coe stehen zur Wahl um den Posten des IAAF-Chefs. Eine weiße Weste hat keiner von ihnen. Trotzdem gibt es einen Favoriten.
Mitten in einer der schlimmsten Krise der Leichtathletik kämpfen zwei ehemalige Superstars um das Präsidentenamt im Weltverband IAAF. Sebastian Coe oder Sergej Bubka - einer der beiden Olympiasieger wird am Mittwoch Nachfolger des umstrittenen Senegalesen Lamine Diack - und muss nach den seit Monaten anhaltenden Dopingvorwürfen direkt um die Zukunft der Traditionssportart kämpfen.
"Beide sind hervorragende Kandidaten, aber der DLV sieht bei Coe das noch größere Reformpotential", sagte Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). Der Brite, 1500-m-Olympiasieger von 1980 und 1984, Cheforganisator der Olympischen Spiele 2012 und Ritter des britischen Empires, scheint im Rennen der beiden bisherigen Vizepräsidenten momentan die Nase ein bisschen vorne zu haben. Zumindest haben sich bisher weit mehr Nationen für ihn ausgesprochen als für seinen ukrainischen Gegenkandidaten. Den ehemaligen Stabhochsprung-Weltrekordler, sechsmaligen Freiluft-Weltmeister und Olympiasieger von 1988.
Seit Monaten reisen beide rund um die Welt, um für sich zu werben. Hatten sie sich noch zu Beginn ihres Wahlkampfes die Modernisierung der Leichtathletik auf die Fahnen geschrieben, ist nun Doping das allgegenwärtige Thema. Während Bubka die Zusammenarbeit mit der WADA befürwortet, plädiert Coe für seine Sportart für eine unabhängige Anti-Doping-Organisation. Trotzdem ließ er sich dazu hinreißen, die letzten Enthüllungen über weit verbreitetes Doping in der Leichtathletik als "Kriegserklärung" an die Sportart zu kommentieren. Was ihm viel Kritik außerhalb der IAAF einbrachte, bei der Wahl aber vielleicht noch ein paar Stimmen zusätzlich bescheren könnte.
Mögliche Interessenkonflikte
Deutschlands Top-Leichtathlet Robert Harting sieht die Wahl nüchtern: "Was ich mir nicht vorstellen kann, ist, dass beide Vizepräsidenten über Sachen wie Korruptionszahlungen oder Doping-Proben-Freikäufe nie Bescheid gewusst haben. Das kann unmöglich an einem Vizepräsidenten vorbeigegangen sein". Es wird die dringendste Aufgabe des neuen Präsidenten sein, die IAAF nach 16 Jahren Herrschaft von Lamine Diack zu reformieren - und die Doping-Anschuldigungen aufzuklären. "Wir befinden uns im freien Fall. Irgendjemand muss schnell handeln, sonst ist unsere Sportart tot", zitiert der Guardian anonym eine "einflussreiche" Quelle.
Auch die Rolle Coes beim Marketingunternehmen CSM wirft Fragen auf. Beratend war CSM unter anderem sowohl bei der Vergabe der umstrittenen Europaspiele sowie der Begegnungen der Fußball-EM 2020 an Baku tätig. Als IAAF-Präsident wäre Coe auch Mitglied im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) - und würde bei der Vergabe Olympischer Spiele mit abstimmen. Ein möglicher Interessenkonflikt.
Laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erwarte Prokop, dass Coe seinen Posten bei CSM ruhen lasse. Anfragen der FAZ an Coes Berater, die Firma und die IAAF seien unbeantwortet geblieben. Sein Kontrahent Bubka sitzt bereits im IOC - und versuchte dort vergeblich, die Präsidentschaftswahl gegen Thomas Bach zu gewinnen. Doch auch seine Kampagne warf Fragen auf. Der 51-Jährige kandidiert sowohl für das Präsidentenamt als auch für die Stellvertreterposten. Ist er selbst nicht von seinem Wahlsieg überzeugt? Oder ist es ein Signal, seiner Sportart in jedem Fall "dienen" zu wollen?
Quelle: ntv.de, kbe/SID