"So etwas beschäftigt uns" DHB-Kapitän findet Pfiffe gegen Scholz "erschreckend"
23.01.2024, 22:42 Uhr
Johannes Golla freut sich über die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus.
(Foto: picture alliance / Marco Wolf)
Die Handball-Europameisterschaft fällt in Deutschland in eine Zeit zwischen Bauernprotesten, Bahnstreik und Großdemonstrationen gegen Rechtsextremismus. Die Stimmung im Land ist angespannt - und entlädt sich auch in Pfeifkonzerten gegen Spitzenpolitiker. Der Nationalmannschaftskapitän bezieht Stellung.
Die deutsche Handball-Nationalmannschaft kämpft in Köln um den Einzug ins Halbfinale der Europameisterschaft und um einen möglichst langen Verbleib am Rhein: Am kommenden Sonntag werden die Medaillen in der gewaltigen Lanxess-Arena ausgespielt. Ob im Falle eines Finales mit deutscher Beteiligung ein Spitzenpolitiker der Ampel-Regierung zu Gast sein wird, ist fraglich: Mehrere Politpromis waren - noch am Vorrundenspielort Berlin - bei Spielen der deutschen Mannschaft massiv ausgepfiffen worden. Beim DHB sorgte das für Ärger.
Als Ersten hatte es Olaf Scholz erwischt: Der Bundeskanzler hatte das Vorrundenspiel des DHB-Teams gegen Nordmazedonien in der Mercedes-Benz-Arena besucht. Als der SPD-Politiker vom Hallensprecher begrüßt wurde, setzte ein Pfeifkonzert ein, das allerdings nach wenigen Sekunden vom Jubel über einen deutschen Treffer abgelöst wurde.
"Wir fanden das erschreckend"
Beim letzten Vorrundenspiel der deutschen Mannschaft bekamen dann Wirtschaftsminister Robert Habeck und Innenministerin Nancy Faeser den Unmut des Publikums zu spüren: Während des Duells gegen Rekord-Weltmeister Frankreich mussten beide Spitzenkräfte der Ampelregierung ein gellendes Pfeifkonzert der gut 13.000 Zuschauer über sich ergehen lassen. "Ich muss ehrlich sagen, dass wir das erschreckend fanden", sagte Kapitän Johannes Golla bei einem Medientermin vor dem Hauptrundenfinale gegen Kroatien dem "Spiegel". "So etwas beschäftigt uns."
Die Europameisterschaft fällt in eine Zeit des Aufruhrs: Bauern protestierten wütend und aufmerksamkeitsstark am Vorrundenspielort Berlin, der Mobilitätspartner Deutsche Bahn, mit dem Mannschaften, Fans und weitere EM-Gäste durchs Land reisen sollen, wird mit einer kurzen Unterbrechung während des Turniers massiv bestreikt und "die letzten Wochen haben gezeigt, dass es eine Grundstimmung in Deutschland zu vernehmen gibt, die diese Pfiffe leider nicht unwahrscheinlich gemacht haben", kommentierte DHB-Sportvorstand Axel Kromer zu den Reaktionen der Zuschauer gegen den Bundeskanzler.
"Habe Gänsehaut bekommen"
Am vergangenen Wochenende nun gingen im ganzen Land etwa eine Million Menschen auf die Straße, um gegen Rechtsextremismus und für die Verteidigung der Demokratie zu demonstrieren. Eine der größten Veranstaltungen mit nach Polizeiangaben rund 70.000 Teilnehmenden fand in Köln nahe der Lanxess-Arena statt, wo die deutsche Mannschaft ihre restlichen EM-Spiele bestreitet.
"Es freut mich, das zu sehen und dass so viele Menschen aufstehen", sagte Golla dem "Spiegel". "Das Land geht gefühlt in eine Richtung, die unschön ist und die sich nicht wiederholen sollte. Diese Bilder zeigen, dass die Menschen doch aufstehen und etwas dagegen unternehmen wollen. Ich habe beim Anblick Gänsehaut bekommen." In der Mannschaft rede man "natürlich darüber, was im Land und in der Politik passiert". Eine eigene Aktion plane das DHB-Team in den kommenden Tagen jedoch nicht. Die deutsche Mannschaft spielt am Mittwoch (20.30 Uhr/ARD und im Liveticker auf ntv.de) gegen Kroatien um den Einzug ins Halbfinale.
Quelle: ntv.de, ter