Sport

Überraschender Diskus-Goldgewinner Die seltsame Sensation Christoph Harting

Auf dem Platz ein Champion, auf dem Podium mit Luft nach oben: Christoph Harting.

Auf dem Platz ein Champion, auf dem Podium mit Luft nach oben: Christoph Harting.

(Foto: imago/Chai v.d. Laage)

Was für eine Geschichte: Erst verpasst Diskus-Champion Robert Harting das Olympia-Finale, dann gewinnt ausgerechnet sein kleiner Bruder Christoph spektakulär Gold. Doch sein Verhalten irritiert Zuschauer und Gegner.

Diskusgold in Rio an Harting? Vor dem Olympia-Start keine kühne Prognose. Als der Triumph in Rio tatsächlich perfekt war, stand über dem nächsten Harting-Gold nach London 2012 dennoch das Wort "Sensation". Dafür taugte ja schon, dass Christoph Harting nach dem dramatischen Qualifikations-Aus seines Bruders Robert in Rio dafür sorgte, dass Diskus-Gold in der Familie Harting bleibt. Doch wie der kleine Harting die Nachfolge seines großen Bruders als Diskus-Olympiasiegers antrat, trug fast schon kitschige Züge.

  Vor seinem letzten Versuch hatte ihn sein deutscher Teamkollege Daniel Jasinski mit 67,05 Metern aus den Medaillenrängen verdrängt. Hinter Jasinski, dem Esten Martin Kupper und Piotr Malachowski aus Polen war Harting plötzlich nur noch Vierter. Er antwortete wie ein Champion. Mit seinem finalen Versuch schleuderte der 25-Jährige den Diskus auf 68,37 Meter. Weiter als je zuvor in seiner Karriere in einem Wettbewerb. Und vor allem weiter als seine Konkurrenten im olympischen Diskusfinale. Malachowski, der das gesamte Finale über geführt hatte, konnte nicht mehr kontern: Ihm blieb mit 67,55 Meter wie in Peking nur Olympia-Silber.

Christoph Harting nach seinem Triumph mit ausgebreiteten Armen, sein am Freitag tieftrauriger Bruder Robert nun applaudierend auf der Tribüne, das wird in keinem Olympia-Rückblick fehlen. Es mangelt Olympia in Rio ja keineswegs an rührenden Stories über sportliche Geschwister. Im Tennis traten die Schotten Jamie und Andy Murray gemeinsam zum Doppel an, US-Schwimmer Conor Dwyer wurde in Rio von seinem Zwilling Spencer angefeuert, am Sonntag in Marathon der Frauen werden neben zwei deutschen Zwillingen auch drei eineiige Drillinge aus Estland mitlaufen. Aber wie Christoph Harting in Rio aus dem riesigen Diskusschatten seines Bruders trat, immerhin Olympiasieger und dreifacher Weltmeister, das hatte eine spezielle Note. "Ich glaube nicht, dass es viele Brüder gibt, die bei Olympischen Spielen in derselben Disziplin triumphiert haben", sagte der Este Gerd Kanter nach dem Wettkampf anerkennend. Wenn man so will, schrieb der falsche Harting in Rio ein echtes Sportmärchen.

"Nett, aber ein wenig seltsam"

Es war allerdings eines mit Beigeschmack. Vor Malachowski letztem Versuch, der über Gold oder Silber für den Deutschen entschied, ging Harting zu seinem Konkurrenten. Was er ihm sagte? Laut Malachowski forderte er ihn auf "zu kämpfen und weiter als er zu werfen", so erzählte es der Pole später und befand: "Er ist nett, aber ein wenig seltsam." Auch Hartings Tritt gegen eine Stadionbande während des Wettbewerbs war nur schwer zu erklären.

Noch befremdlicher war in den Augen vieler Zuschauer und Sportlerkollegen Hartings Verhalten bei der Siegerehrung. Er wippte auf dem Podest, pfiff die Hymne mit, machte selbstzufriedene Freudengesten. "Gold im Diskus ist echt super geil!!! Aber für dieses Verhalten schäme ich mich in Deutschand vor dem TV! Sorry ...", twitterte Weitspringer Sebastian Bayer. Er war nicht der einzige dem Hartings Verhalten sauer aufstieß. Auch das ZDF düpierte der neue Diskus-Olympiasieger, indem er ein Interview verweigerte.

Ein introvertierter Tänzer

Dem ARD-Hörfunk sagte Harting immerhin: "Ich bin kein Medienmensch, ich bin keine Kunstfigur, ich bin Sportler und lasse meine Leistung sprechen." Vor den Medien reden musste er dann aber auf der obligatorischen Pressekonferenz nach seinem Triumph. Von dort ist überliefert, dass er die Fragerunde prompt beendete, als ihn ein Reporter mit "Robert Harting" ansprach. Zuvor hatte er erklärt, "extrovierte Menschen" wollten wahrgenommen werden. Er aber sei ein introvertierter Mensch und fühle sich "völlig unwohl hier".

Davon zumindest war bei Siegerehrung wenig zu merken, wie zuvor auch schon während des Wettkampfes. Harting wirkte von Beginn an gelöst, ließ sich von den Samba-Klängen beim Einmarsch zu einem Tänzchen verleiten, spielte mit den Fernsehkameras. Und legte mit seinem zweiten Wurf auf 66,34 Meter eine Weite hin, die ihn lange auf dem Silberrang hielt. Dann kamen die starken letzten Versuche von Jasinski und Kupper, ehe Christoph Harting im Olympiastadion für ein bemerkenswerte Finale sorgte. In jeder Hinsicht.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen