Putins Propaganda in Melbourne Ein dunkler Schatten legt sich über Australien
26.01.2023, 15:32 Uhr
Der Vater von Novak Djokovic sorgte für Aufsehen.
(Foto: picture alliance/dpa/AAP)
Bei den Australian Open zeigt sich, wie schwer der Balanceakt zwischen Sport und Politik ist. In Melbourne bahnt sich Kriegspropaganda ihren Weg, Fans schwenken russische Fahnen und zeigen das Z-Symbol. Die Tennis-Profis reagieren genervt, andere erkennen eine "Schande".
In Melbourne ist der Krieg in der Ukraine weit weg - und doch so nah. Über den "Happy Slam" im australischen Hochsommer legte sich vor den Halbfinals der Frauen Wladimir Putins langer Schatten. Russische Flaggen und Schlachtrufe, das Konterfei des Aggressors aus dem Kreml und Kriegssymbole - wieder einmal zeigte sich: Sport und Politik lassen sich nicht trennen. Auch nicht am anderen Ende der Welt.
Das IOC allerdings klammert sich fester denn je an die selbst ausgerufene "unpolitische" Mission, die Welt im friedlichen Wettbewerb zu einen - und steht davor, die Sanktionen gegen Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus zu lockern. Der Weg zur Wiedereingliederung führt wie geplant über Asien. Für die Rückkehr, so teilte es das IOC am Mittwoch mit, habe sich eine "überwiegende Mehrheit" ausgesprochen.
Bei den Australian Open ist unter dem Brennglas zu beobachten, wie russische Kriegspropaganda sich trotz der Neutralität der Spieler ihren Weg bahnen kann. Die ist die Voraussetzung für den Sonderweg des Tennis, auf die setzt auch das IOC in anderen olympischen Sportarten. Keine Flaggen, keine Hymnen, keine Farben - und doch ist Russland, doch sind Putin und sein Angriffskrieg Teil des Spektakels in Melbourne.
"Irgendwie zieht man uns Spieler immer hinein"
"Man darf nicht naiv sein und muss sich der Tatsache stellen, dass Russland den Sport massiv für innen- und außenpolitische Zwecke instrumentalisiert", sagte Maximilian Klein vom Verein Athleten Deutschland am Donnerstag dem SID. Die Neutralität der Sportler, die das IOC auch nach dem russischen Dopingskandal als Lösung präsentierte, sei nie dagewesen. Der Zeitpunkt, um über die russische Rückkehr zu sprechen, zu früh.
Für Aufregung hatte in Melbourne auch Srdjan Djokovic gesorgt. Der Vater des serbischen Rekordchampions Novak Djokovic spielte eine unrühmliche Rolle bei der Pro-Putin-Demonstration. Die Turnierveranstalter sahen sich zu einem Statement gezwungen, der ukrainische Botschafter für Australien und Neuseeland schaltete sich ein - die Frauen-Halbfinals rückten zeitweise in den Hintergrund und Wiktoria Asarenka ärgerte sich.
"Ich weiß überhaupt nicht, was das mit Novak zu tun hat", sagte die Belarussin nach ihrer 6:7 (4:7), 3:6-Halbfinalniederlage gegen Wimbledon-Gewinnerin Jelena Rybakina sichtlich genervt, als sie von einem Journalisten auf den Zwischenfall angesprochen wurde. Diese Dinge hätten "nichts mit uns Spielern zu tun, aber irgendwie zieht man uns Spieler immer wieder hinein". Die Belarussin Sabalenka siegte 7:6 (7:1), 6:2 gegen die Polin Magda Linette und kann in ihrem ersten großen Finale am Samstag das Grand-Slam-Turnier unter neutraler Flagge gewinnen. Auch das hätte eine politische Dimension.
Z-Symbol und Russland-Flaggen
Während des Djokovic-Spiels zeigte ein Fan ein T-Shirt mit dem "Z"-Symbol, das als Unterstützung für Russland einschließlich der Invasion in der Ukraine steht und beim Turnier ebenso verboten ist wie die russische und belarussische Flagge. Danach waren vier Zuschauer von der australischen Polizei verhört worden, weil sie "unangemessene Flaggen und Symbole gezeigt und das Sicherheitspersonal bedroht" haben sollen, wie der Veranstalter mitteilte. Twitter-Posts zeigen, dass mehrere Zuschauer nach dem Match russische und serbische Flaggen schwenkten sowie "Serbien! Russland!" riefen. Wasyl Miroschnytschenko, der ukrainische Botschafter in Australien, twitterte: "Es ist so eine Schande."
Asarenka wich derweil den Fragen zu russischen Flaggen und Kriegssymbolen auf der Anlage aus. Egal, was sie dazu sage, es werde doch gegen sie verwendet, behauptete sie sichtlich genervt. Diskussion beendet. Zumindest kurzfristig. Denn: Die Debatten um Sinn und Unsinn der Rückkehr russischer und belarussischer Athleten, um die Wirkung von Sanktionen im Sport und politische Einflussnahme werden nicht nur anhalten - sie werden lauter und scharfkantiger geführt werden. Laut den Organisationen Ukrainian Athletes und Global Athlete sende das Vorgehen "die Botschaft an die Welt, dass das IOC den brutalen Krieg und die Invasion Russlands in der Ukraine gutheißt".
Sportveranstaltungen wie die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris würden dazu genutzt, "den Krieg zu normalisieren, zu legitimieren und davon abzulenken". Nach Argumentation des IOC sollte aber "kein Athlet nur aufgrund seines Passes an der Teilnahme an Wettkämpfen gehindert werden". Dem schließen sich mittlerweile die NOK's aus Asien und das US-Komitee an. Widerstand gibt es aus Skandinavien und dem Baltikum - zudem wirbt der ukrainische Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj energisch dafür, die Sanktionen aufrechtzuerhalten. Im Dezember forderte er bei IOC-Präsident Thomas Bach den Ausschluss, am Dienstag bei Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron. Gehör findet Selenskyj nicht - und so bleibt Wladimir Putin auch Teil der Sportwelt, die so gerne unpolitisch wäre.
Quelle: ntv.de, dbe/sid