Sport

Olympia-Startrecht für Russen Ein "widerliches, abgekartetes Spiel"

Das IOC hat die Forderungen der  Welt-Anti-Doping-Agentur nach einem Komplettausschluss ignoriert und Russlands Olympioniken eine goldene Brücke gebaut.

Das IOC hat die Forderungen der Welt-Anti-Doping-Agentur nach einem Komplettausschluss ignoriert und Russlands Olympioniken eine goldene Brücke gebaut.

(Foto: dpa)

Russische Sportler dürfen bei den Olympischen Spielen starten - unter Landesflagge. Doping-Experte Fritz Sörgel bezeichnet die Entscheidung als "widerliches, abgekartetes Spiel". Damit habe sich das IOC ein "riesiges Kuckucksei ins Nest gelegt.

Das Internationale  Olympische Komitee (IOC) hat Russland mit einem mehr als fragwürdigen Maßnahmenpaket eine goldene Brücke zu den Sommerspielen in Rio de Janeiro gebaut. Mit teils kaum nachvollziehbaren Einzelentscheidungen sorgte das IOC unter seinem deutschen Präsidenten Thomas Bach für einen Tiefpunkt in der olympischen Geschichte.

Das IOC lässt die Sport-Großmacht, die über Jahre hinweg und noch bei den Olympischen Spielen in Sotschi 2014 die Sportwelt mit einem staatlichen Dopingsystem betrogen hat, in knapp zwei Wochen bei der Eröffnungsfeier unter der Landesflagge einlaufen. Eine Entscheidung, die weitestgehend für Unverständnis sorgt. Die meisten Spitzenfunktionäre, Politiker und Wissenschaftler verurteilen die IOC-Entscheidung auch wegen des Startverbots für Whistleblowerin Julija Stepanowa als "schwarzen Tag" für den Kampf gegen Doping. Lediglich aus Russland erhielten Bachs Herren der Ringe Applaus.

Doping-Experte Fritz Sörgel bezeichnete die Entscheidung als "widerliches, abgekartetes Spiel". "Allein die Tatsache, dass die russischen Sportfunktionäre mit der Entscheidung zufrieden sind, ist doch ein starkes Zeichen dafür, dass gemauschelt worden ist", sagte Sörgel im Gespräch mit Sky Sport News HD: "Es glaubt doch wohl niemand, dass das IOC das nicht im Vorfeld mit den Verbänden abgesprochen hat."

Der olympische Gedanke, so Sörgel, habe mit dieser Entscheidung "großen Schaden genommen. Das IOC hätte endlich ein Exempel statuieren können, aber das war doch nie ernsthaft vorgesehen". Jetzt müsse "mal schnell jemand den russischen Leichtathleten erklären, warum sie eigentlich nicht starten dürfen".

IOC samt Bach haben komplett versagt

Seine Vorhersage sei, dass "Russland eine zweistellige, wenn nicht gar dreistellige Zahl an Athleten nach Rio schicken wird. Das ist doch der eigentliche Skandal. Das IOC, besonders Präsident Bach, hat hier komplett versagt." Der Tennis-Weltverband ITF bestätigte Sörgels Aussage schon am Sonntag: Alle sieben für Olympia qualifizierten russischen Tennisspieler bekamen von der ITF grünes Licht für Rio.

Auch das Startverbot für Whistleblowerin Julia Stepanowa kritisierte Sörgel scharf. "Es wäre eine so wichtige symbolische Geste gewesen, sie dort antreten zu lassen", sagte er: "Aber da hat man lieber vor dem russischen System einen Knicks gemacht." Das IOC habe sich am Sonntag ein "riesiges Kuckucksei ins Nest gelegt. Das wird Thomas Bach irgendwann wieder rausnehmen müssen, oder aber es wird sich endgültig bestätigen, dass er nicht der richtige Mann auf diesem Posten ist".

Die Sportausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag, der frühere Wada-Chef Dick Pound und Travis Tygart, Chef der US-Anti-Doping-Agentur USADA, kritisierten Bach und das IOC ebenfalls scharf.  "Das IOC hat sich gegen eine eindeutige Empfehlung der Welt-Anti-Doping-Agentur ausgesprochen, in Sachen eines  glaubwürdigen Anti-Doping-Kampfes ist das das schlechteste Zeichen  überhaupt", sagte Freitag. Pound kommentierte zynisch: "Null  Toleranz - es sei denn, es geht um Russland." Tygart, Chefankläger  im Dopingfall Lance Armstrong, warf dem IOC vor, es verweigere sich "einer eindeutigen Führungsrolle".

Die Nationale Anti Doping Agentur (Nada) zeigte sich ebenfalls enttäuscht: "Die Nada hat sich ein klares Signal für den sauberen Sport gewünscht, das ausgeblieben ist. Die Entscheidung lässt leider viele  Fragen offen und schwächt dadurch das Anti-Doping-System", hieß es in einer ersten Stellungnahme.

Quelle: ntv.de, dsi/sid

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