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"Safety First" in Südafrika Die WM geizt mit Spektakel

Die WM ist noch kein Tor-Festival. Alle Teams setzen auf Taktik und Disziplin. Fast alle Teams. Ausgerechnet Deutschland brilliert in der ersten Runde spielerisch. Da staunen sogar die Rivalen aus England - und die plötzlich typisch deutsch spielenden Brasilianer und Niederländer.

Neidisch auf die Deutschen: Englands Ausnahmestürmer Wayne Rooney.

Neidisch auf die Deutschen: Englands Ausnahmestürmer Wayne Rooney.

(Foto: REUTERS)

Enttäuschend wenig Tore, enttäuschend wenige Fans in den Stadien: Südafrika ist ein freundlicher Gastgeber, doch ein rauschendes Fußball-Fest ist die WM-Premiere am Kap noch nicht. Nach dem ersten Auftritt aller 32 Mannschaften ist der ernüchternde Trend eindeutig. Wie schon beim Sommermärchen 2006 heißt die Turnier-Devise "Safety First". Nur Deutschland sorgt für Spaß-Fußball und wird für seine Leistung gegen Australien von allen Seiten bewundert. Der Niederländer Mark van Bommel erhob das DFB-Team gar zum Titelfavoriten, Englands Wayne Rooney lobte: "Die Deutschen sahen wirklich gut aus. Bis auf sie gab es bislang noch kein Team, das wirklich herausragt."

Der Superstar von der Insel hat wie seine Artgenossen in Südafrika einen schweren Stand. Der Teamgedanke ist wichtiger als die Solo-Show der Individualisten. Lionel Messi, Cristiano Ronaldo und Samuel Eto'o - alle gingen bislang wie Rooney leer aus. Der Tor-Durchschnitt liegt konstant auf Negativrekord-Niveau. Die Torjägerliste ist überschaubar, lediglich 1,55 Treffer pro Spiel nach dem ersten Spieltag hat es in der 80-jährigen WM-Geschichte noch nie gegeben. Nur die deutsche Mannschaft produzierte beim 4:0 gegen Australien bisher mehr als zwei Tore, ehe sich Gastgeber Südafrika in seinem zweiten Spiel gegen Uruguay blamierte.

Nur keine Startniederlage!

"Wir befinden uns derzeit noch in der Anfangsphase des Turniers, daher spielen die Teams eher nach der Devise 'lieber das eigene Tor sichern, als Tore zu schießen'. Die goldene Regel lautet dahingehend einfach: Nicht mit einer Niederlage starten", sagte Holger Osieck. Der Weltmeister-Co-Trainer von Franz Beckenbauer 1990 beobachtet als technischer Experte der FIFA das Turnier. "In den ersten Spielen ist es allen Teams wichtig zu punkten", betonte Dänen-Coach Morten Olsen, der mit seinem Team zum Auftakt nur durch ein unglückliches Eigentor auf die Verliererstraße gebracht wurde.

Carlos Dunga will Brasilien mit Disziplin zum sechsten WM-Titel führen.

Carlos Dunga will Brasilien mit Disziplin zum sechsten WM-Titel führen.

(Foto: dpa)

"Ich denke, dass alle Teams, die hier sind, effizient spielen müssen", sagte auch Brasiliens Trainer Dunga. Die Zauber-Kicker des Rekordweltmeisters haben den neuen internationalen Fußball-Kanon perfekt verinnerlicht. Strategischer Minimalismus wie beim 2:1 gegen Nordkorea bringt auch drei Punkte. "Das ist normal. Im ersten Spiel sind alle vorsichtiger. Das ändert sich, wenn mehr Partien gespielt sind", hofft Portugals Deco auf mehr Offensivgeist im Turnierverlauf. Seine Portugiesen hatten sich von der Elfenbeinkünste im ersten Spiel nur 0:0 getrennt.

Kompaktheit sticht Spielfreude

Die FIFA sieht ihr Premiumprodukt trotz vieler langweiliger Spiele selbstverständlich nicht in Gefahr. "Es ist zu früh, irgendwelche Schlüsse zu ziehen", lautet das Statement des Weltverbands. Doch Fußball-Experten können deutliche Erkenntnisse gewinnen. Noch nie wurde bei einer WM teamübergreifend so viel Wert auf kompakte Spielkultur gelegt. Das auch von Joachim Löw präferierte 4-2-3-1-System ist mächtig en vogue. Es hat aber auch einen Nachteil: Noch nie taten sich die Stürmer so schwer, Akzente zu setzen. Von den 25 Treffern in den ersten 16 Spielen gingen nur fünf Tore auf ein Angreifer-Konto, die deutschen Spitzen Miroslav Klose und Cacau trafen je einmal. Uruguays Diego Forlan war im zweiten Vorrundenspiel gegen Südafrika der erste Spieler, der zwei Tore erzielen konnte.

Auf der südlichen Halbkugel steht die Fußball-Welt gewissermaßen Kopf. Die Brasilianer werden zu Minimalisten. Die sonst kreativen Niederländer spielen nicht schön, aber gewinnen. Und die DFB-Elf zaubert. "Ein guter Start für Deutschland. Ein großes Spiel, das beste, das ich bisher gesehen habe", twitterte auch Ronaldo aus Brasilien.

Dürfen wir vorstellen: Fawzi Chaouchi, die einzige schlechte afrikanische Nr. 1 bei der WM.

Dürfen wir vorstellen: Fawzi Chaouchi, die einzige schlechte afrikanische Nr. 1 bei der WM.

(Foto: AP)

Fußball-Paradox liefern auch die Afrikaner auf dem eigenen Kontinent. Zwar konnte aus dem Sextett nur Ghana sein erstes Spiel gewinnen, doch die oft für ihre taktische Naivität gescholtenen Teams haben sich dem Weltniveau angepasst und - abgesehen von Algerien - plötzlich sogar Top-Torhüter.

Endgültiger Abschied von den Kleinen

Insgesamt ist die Fußball-Welt enger zusammengerückt. Berti Vogts' Prophezeiung von der größeren Breite in der Spitze, den gewachsenen Kleinen, ist Realität geworden - was ausgerechnet die Europameister der Jahre 2004 und 2008 bitter erfahren musste. Griechenland unterlag Südkorea nach desolater Leistung hochverdient. Die stolzen Spanier dominierten die kleine Schweiz zwar, verloren aber dennoch.

Internationalen Standard erreichen auch Südafrikas lange gescholtene Organisatoren - trotz des Ordnerstreiks und kleinerer Transportprobleme. Nur die Fans strömen nicht so zahlreich wie vorab verkündet in die Stadien. Viele an Sponsoren und Organisationen verkaufte Tickets bleiben ungenutzt. Die FIFA, bemüht um immerwährende Positivnachrichten, verweist hilflos auf 97 Prozent Stadionauslastung. Doch die Lücken auf den Rängen sind nicht zu übersehen. Die WM-Laune ist trotz Vuvuzela-Lärms heiter. Bundestrainer Joachim Löw stellt fest: "Wenn man die ersten Spielen gesehen hat, ist die Stimmung in den Stadien sehr gut, und die im Land hervorragend."

Quelle: ntv.de, cwo/dpa

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