WM-Countdown (97) Kleine Parabel über das russische Zeitgefühl
09.03.2018, 12:00 Uhr
Bis zur WM ist alles fertig, versprochen - auch das Stadion in Saransk.
(Foto: imago/ITAR-TASS)
Die Frage steht im Raum: Werden bis zur Fußball-WM alle Stadien fertig? Die Antwort ist: ja. Warum das so ist, lässt sich am besten mit einer kurzen Geschichte über das russische Zeitgefühl erklären. Und Kevin Kuranyi spielt auch eine Rolle.
Fragen, die einem auf der Zielgeraden zur Fußball-WM immer öfter begegnen: "Aber werden denn auch alle Stadien rechtzeitig fertig? Oder müssen die Teams dann im halbfertigen Stadion spielen?" Dazu eine kleine Geschichte zum russischen Zeitgefühl.
Vergangene Woche musste ich zum russischen Konsulat in Bonn, ein neues Visum beantragen. Nach einigem Rumstehen draußen vor der Tür (bei -8 Grad, aber hey, wer in Russland lebt, ist kältemäßig gut im Training) saßen wir schließlich oben vor dem uns zugewiesenen Schalter und warteten: ich ohne festen Termin, dann ein Paar, das um 9.30 Uhr dran sein sollte. Ein Mann mit BVB-Schal, Termin um 9.50 Uhr.
Noch ein Mann, der zu einer Konferenz nach Russland wollte, Termin um 10.10 Uhr. Um 10.15 Uhr hat der Schalter dann geöffnet. Kurz darauf waren alle unsere Anträge erfolgreich bearbeitet.
Was heißt das für die russischen WM-Stadien? Dass sie, da lege ich mich fest, bis zum Anpfiff fertig sein werden. Vielleicht wird in der Nacht davor noch was zusammengeschweißt oder irgendwo der letzte Sitz montiert. Vielleicht ist der Türrahmen vom Stadionklo noch mit Kreppband umklebt, damit er nicht mitgestrichen wird.
Katrin Scheib ist Journalistin, Schalke-Fan und kommt aus dem Rheinland. Als die deutsche Mannschaft 2014 in Brasilien Fußball-Weltmeister wurde, war sie gerade nach Moskau gezogen. Seitdem bloggt sie unter kscheib.de über ihren Alltag und informiert mit ihrem "Russball"-Newsletter jede Woche über den Fußball und die WM-Vorbereitungen in Russland. Und nun schreibt sie für n-tv.de den Countdown, bis das Turnier am 14. Juni beginnt.
Vielleicht endet der Fußweg vom Stadion zur Metro auf halber Strecke und besteht nur noch aus Schotter. Vielleicht muss vier Wochen nach der WM ein Teil des Gebäudes abgerissen und neu gebaut werden. Aber das Entscheidende - Stadion, Rasen, Tribünen - wird zum 14. Juni fertig sein, da bin ich mir sicher.
Die beste Reaktion, als am Visa-Schalter in Bonn um viertel nach zehn das Rollo hochgezogen wurde, hatte übrigens der mitwartende Fan der Dortmunder Borussia: Der schwarz-gelbe Schal verschwand zügig im Rucksack, Reißverschluss zu, nicht mehr zu sehen. Denn hinter dem russischen Visums-Sachbearbeiter, der für uns alle zuständig war, hing gut sichtbar ein Schalke-Wimpel an der Wand. Wahrscheinlich hat den damals Kevin Kuranyi vorbeigebracht.
Die Folgen 100, 99 und 98 des WM-Countdowns finden Sie hier.
Quelle: ntv.de