Haftbefehl gegen Kronzeugen Russland hält Doping-Vorwürfe für widerlegt
08.11.2017, 16:46 Uhr
Russland weist die Doping-Anschuldigungen zurück. Die Existenz eines Doping-Programms sei nicht bestätigt.
(Foto: imago/Ralph Peters)
Es ist unklar, ob russische Sportler an den Olympischen Winterspielen 2018 teilnehmen dürfen. Grund dafür sind die schweren Doping-Vorwürfe, die die Welt-Anti-Doping-Agentur erhebt. Doch Russland bestreitet sie - und prescht mit einem Haftbefehl vor.
Die zuständige russische Ermittlungskommission hält alle Vorwürfe des Staatsdopings für widerlegt. Das teilte die staatliche Behörde in einer Erklärung mit und fügte hinzu, dass ein Haftbefehl gegen den Whistleblower Gregorij Rodtschenkow erlassen worden sei. Die Auslieferung des ehemaligen Leiters des Moskauer Anti-Doping-Zentrums, der sich in den USA im Zeugenschutzprogramm aufhält, solle beantragt werden. Ein Auslieferungsabkommen zwischen den USA und Russland gibt es allerdings nicht.

Einst leitete Gregorij Rodtschenkow das Moskauer Anti-Doping-Zentrum, dann wurde er zum Whistleblower.
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Die Argumente des Sonderermittlers des Anti-Doping-Weltverbands Wada, Richard McLaren, hinsichtlich eines Austausches von Dopingtests im Anti-Doping-Labor in Sotschi während der Olympischen Winterspiele 2014 seien "ebenso widerlegt wie die Existenz eines staatlichen Dopingprogramms für Sportler in Russland, um eine maximale Anzahl an Medaillen zu gewinnen", hieß es in einer Mitteilung des Komitees. Die russischen Behörden hätten mehr als 700 Sportler, Trainer, Betreuer und Funktionäre vernommen. "Keiner von ihnen hat die Existenz eines Doping-Programms bestätigt. Wenn es Verstöße gegen die Anti-Doping-Regeln gab, waren sie individuell", hieß es. Rodtschenkow hingegen habe erklärtermaßen verbotene leistungssteigernde Mittel verabreicht und positive Dopingproben vernichtet. Der kanadische Rechtsprofessor McLaren hatte auch auf Basis der Aussagen des Kronzeugen Russland ein staatlich gelenktes Dopingsystem unterstellt.
Ermittlungen gegen 26 Sportler
Damit gewinnt der russische Doping-Skandal weiter an Brisanz. Das Internationale Olympische Komitee untersucht derzeit mit zwei Kommissionen die russischen Vergehen rund um die Winterspiele 2014 in Sotschi. Die Kommission unter der Leitung des Schweizer IOC-Exekutivmitglieds Denis Oswald hat bereits die beiden russischen Langläufer Alexander Legkow und Jewgeni Below lebenslang von Olympia ausgeschlossen - wohl auch aufgrund der Erkenntnisse McLarens. Langlaufstar Legkow wurde zudem eine Goldmedaille aberkannt. Die IOC-Entscheidung, die zunächst ohne Urteilsbegründung erfolgte, wurde in Russland heftig kritisiert.
Insgesamt ermittelt die Oswald-Kommission gegen weitere 26 verdächtige russische Sotschi-Starter, die Sanktionen sollen nun der Reihe nach bekannt gegeben werden. Eine zweite IOC-Kommission des Schweizer Ex-Politikers Samuel Schmid befasst sich mit der Frage der Mitwisserschaft russischer Politiker und Behörden. Auf Basis ihrer Einschätzung will die IOC-Exekutive im Rahmen einer vom 5. bis 7. Dezember angesetzten Sitzung eine übergreifende Strafe verhängen.
Am Kontrolllabor scheiden sich die Geister
Der Präsident des Russischen Nationalen Olympischen Komitees (NOK), Alexander Schukow, sagte, er werde die Erkenntnisse der Moskauer Behörden der Wada und den zuständigen IOC-Kommissionen vortragen. "Wir gehen davon aus, dass sie bei den anstehenden Entscheidungen berücksichtigt werden", sagte er der Agentur Interfax zufolge. Nach den seit 2015 andauernden Doping-Enthüllungen hat Russland zwar die Arbeit seiner Anti-Doping-Agentur Rusada neu organisiert. Verlangt wird aber auch, dass Moskau die Ergebnisse der mittlerweile zwei Berichte von McLaren anerkennt. Dies lehnt die russische Sportführung ab. Sie sieht den Vorwurf staatlich gesteuerten Dopings als politische Kampagne gegen Russland.
Die russischen Ermittler erklärten, sie hätten das Kontrolllabor in Sotschi genau untersucht - im Unterschied zu McLaren. Es gebe dort das Loch in der Wand nicht, durch das nach Rodtschenkows Angaben die Proben vertauscht worden seien. Auch das Öffnen und Austauschen der Sicherheitsverschlüsse von Dopingproben-Fläschchen sei nicht möglich - anders als vom Wada-Ermittler unterstellt.
Am Sonntag hatte die "New York Times" geschrieben, das IOC erwäge unter anderem ein Verbot der russischen Hymne bei den Winterspielen in Pyeongchang (9. bis 25. Februar) und einen Ausschluss russischer Athleten von der Eröffnungsfeier. Auch dieser Bericht hatte einen Sturm der Entrüstung in Russland entfacht. Mehrere Politiker forderten im Falle der Verhängung solcher Maßnahmen durch das IOC einen russischen Pyeongchang-Boykott.
Quelle: ntv.de, ara/sid/dpa