Sport

"Volksverarsche" oder Durchbruch? Was Sie zum Dopinggesetz wissen müssen

Die Politik will ab sofort härter gegen dopende Spitzensportler vorgehen.

Die Politik will ab sofort härter gegen dopende Spitzensportler vorgehen.

(Foto: dpa)

Innenminister Thomas de Maizière und Justizminister Heiko Maas haben in Berlin den Entwurf eines neuen Anti-Doping-Gesetzes vorgestellt. Es wird voraussichtlich im neuen Jahr verabschiedet.Seit Jahren hatten Politik und Sport darum gerungen, am Ende steht ein Konsens, der viel Kritik provoziert. Die wichtigsten Informationen im Überblick.

Was steht drin?

  • Erstmals kann ein dopender Sportler strafrechtlich verfolgt werden. Selbstdoping steht derzeit nur sportrechtlich unter Strafe.
  • Bestraft werden soll künftig der Besitz von Dopingmitteln, egal in welcher Menge - auch das ist neu. Die alte Dopinggesetzgebung, die im Arzneimittelgesetz integriert war, zielte eher auf die Hintermänner ab, hatte auf den Spitzensport aber praktisch keine Auswirkungen.

Welche Strafen können verhängt werden?

  • Die Höchststrafe für dopende Sportler beträgt drei Jahre.
  • Wer Minderjährigen Dopingmittel verabreicht, muss sogar mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren rechnen.

Wen betrifft das neue Gesetz?

  • Leistungssportler, die im Testpool der Nationalen Anti Doping Agentur (Nada) vertreten sind, betroffen wären damit derzeit etwa 7000 Athleten.
  • Ausländische Sportler, die in Deutschland starten.

Wer ist dafür und warum?

  • Die Politik rühmt sich nach 15 Jahren Diskussion mit einem Durchbruch - der notwendig gewesen sei, auch wenn Bundesinnenminister Thomas de Maizière zugibt: "Wir haben den Einbruch verboten und dennoch wird noch eingebrochen." Dagegen sollen nun Razzien, Telefonüberwachungen und letztlich auch hohe Strafen helfen.
  • "Das ist ein klarer Schritt in die richtige Richtung. Es ist ein klares Zeichen für den sauberen Sport", sagte die Vorstandsvorsitzende der Nada, Andrea Gotzmann. Sie begrüßt vor allem den Datenaustausch zwischen der Nada und den Staatsanwaltschaften.
  • Die Welt-Antidoping-Agentur Wada sieht in dem Gesetz einen wichtigen Schritt auch in Hinsicht auf die Bewerbung für Olympia 2024. Dieses Argument betonte auch de Maizière.
  • Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) begrüßt das Gesetz - zumindest offiziell. "In der Grundtendenz geht das, was die Regierung vorlegt, genau in die Richtung, die wir uns vorstellen. Über einige Details wird noch einmal zu diskutieren sein", sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann zurückhaltend. Zwar hatte die Mitgliederversammlung ein solches Gesetz gefordert, aber zuvor hatte sich der Verband stets gewehrt, denn die Details haben es in sich: Der DOSB fürchtet eine Entwertung der Sportsgerichtsbarkeit. Viele Verbände fürchten Schadensersatzklagen, sollte ein nachgeordnetes Strafverfahren einen Sportler entlasten, der zuvor durch das Sportrecht verurteilt wurde.

Wer ist dagegen und warum?

  • Ehemalige und aktuelle Athleten kritisieren, dass nur der Druck auf die Sportler erhöht werde. Die Vorsitzende des Doping-Opfer-Hilfeverein, Ines Geipel, sagte: "Wir wissen, Doping ist ein System, da gibt es sehr viele Interessen, und jetzt gibt es wieder die Schwarze-Schaf-Variante mit dem Athleten als Bösewicht."
  • Doping-Experten meinen ebenfalls, der Entwurf treffe die Falschen.  Im Interview mit n-tv bezeichnete Zell- und Molekularbiologe Werner Franke den Entwurf als "Volksverarsche". Vor allem stört ihn, dass nur auf Profis gezielt werde. Das seien weit weniger als die 7000 Athleten im Nada-Testpool. Der Schutz der Menschen gerate völlig aus dem Fokus, da das Hauptproblem bei jungen Sportlern liege.
  • Datenschützer halten den Entwurf für verfassungswidrig. Edgar Wagner, Landesbeauftragter für den Datenschutz in Rheinland-Pfalz, bezeichnete die Eingriffe in das Datenschutzgrundrecht als "unverhältnismäßig". Ohnehin sei niemand so gläsern wie deutsche Leistungssportler. Wagner kritisierte vor allem das Meldesystem Adams.
  • Kritik erregt auch, dass eine Kronzeugenregelung fehlt. Nur dank dieser Regelung konnte beispielsweise im Fall Lance Armstrong ein ganzes Doping-Netzwerk ausgehebelt werden.
  • Mediziner, die in Doping-Skandale involviert sind, können weiterhin nicht von der Schweigepflicht entbunden werden.

Was hat Claudia Pechstein damit zu tun?

  • Die fünfmalige Eisschnelllauf-Olympiasiegerin führt derzeit in zweiter Instanz einen Schadensersatzprozess gegen den Eislauf-Weltverband ISU.
  • In erster Instanz hatte sie bestätigt bekommen, dass ihre Athletenvereinbarung, in der sie die Sportgerichtsbarkeit akzeptiert, unwirksam sei. Der Entwurf des neuen Anti-Doping-Gesetzes enthält einen Passus, der die Schiedsgerichtsbarkeit aber ausdrücklich stärkt.
  • Innenminister Thomas de Maizére hofft, "dass die Bestimmung über die Absicherung der Sportgerichtsbarkeit vielleicht auch eine Art Vorwirkung in einem aktuellen Verfahren entfalten könnte." Pechsteins Anwalt Thomas Summerer hält das für eine "ungehörige Einmischung der Exekutive in die Unabhängigkeit der deutschen Justiz".

Quelle: ntv.de, cba/dpa/sid

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen