Taylor unterwegs ins Wunderland Wer gewinnt das "Starkstromfinale"?
01.01.2018, 14:43 Uhr
Voll unter Strom.
(Foto: picture alliance / dpa)
Es wird historisch, so oder so: Gelingt Phil "The Power" Taylor beim Abschied von der WM-Bühne sein letzter, sein 17. großer Wurf? Oder schreibt Rob "Voltage" Cross sein Darts-Märchen fort? Das Märchen vom Amateur zum Weltbesten beim Debüt?
Zugetraut hat es ihm vor Turnierbeginn eigentlich niemand mehr, nur er sich selbst: Phil "The Power" Taylor steht bei seiner letzten Darts-Weltmeisterschaft tatsächlich noch einmal im Finale und fokussiert sich und seine Pfeile auf den möglichen 17. WM-Titel. "Auf jeden Fall wäre das die großartigste Erinnerung an meine Karriere", sagte der 57-Jährige, der den Sport fast 30 Jahre geprägt und dominiert hat. Zum Abschied aus der Darts-Welt bekommt die Legende am Abend (ab 21 Uhr bei Sport1 und im Liveticker n-tv.de) einen ihm bisher unbekannten Gegner: In seinem 21. Finale trifft "The Power" im Starkstromduell zum ersten und einzigen Mal auf Rob "Voltage" Cross. Auf den jungen Mann, der in einem epischen Halbfinale den Weltranglistenersten Michael van Gerwen in einem Darts-Drama aus dem Turnier warf, der in seiner Premierensaison auf der PDC Pro Tour die Weltelite aufmischte, wie Taylor einst vor 28 Jahren. Als der mit seinem ersten WM-Sieg Mentor Eric Bristow entthronte und die ersten Schritte zur Legende machte.
Es ist ein Finale, wie es niemand vorhersagen konnte. Außer Taylor. Natürlich. "Phil kam beim Grand Slam zu mir", erzählt Cross nun im Interview mit Sport1, "und meinte 'Du und ich im WM-Finale'." Unvorstellbar eigentlich. Für die Darts-Welt. Für den 27-jährigen Newcomer sowieso. Und dann kam ja auch noch die Auslosung, Taylors Weg ins Finale eigentlich unmöglich, fast die ganze Weltspitze lauerte: James Wade (11. der Weltrangliste) im Achtelfinale, Gary Anderson (3.) im Viertelfinale, Peter Wright (2.) im Halbfinale und van Gerwen (1.) zur Krönung. Doch bis auf den stark angeschlagenen Doppelweltmeister Anderson knickten alle frühzeitig ein, so lautete der Weg Chris Dobey in Runde eins (38., 3:1), dann Justin Pipe (27., 4:0) und plötzlich Keegan Brown (58., 4:0), ebenjener Anderson (5:3) und Jamie Lewis (46, 6:1).
So aber ist nun wahrgeworden, was Taylor prognostizierte. Es ist ein Finale, das als Märchen endet. So oder so. Entweder mit dem kitschigsten Ende einer fantastischen und einzigartigen Karriere (Taylor), oder dem möglichen Beginn einer neuen Ära (Cross). Denn die sagt der scheidende Superstar "Voltage" voraus. Noch aber ist nicht Cross, der als erster WM-Debütant seit Kirk Shepherd 2008 über die Siege gegen Seigo Asada (nicht gelistet, 3:0), Michael Smith (13., 4:3), John Henderson (29., 4:1), Dimitri van den Bergh (43., 5:4) und eben van Gerwen (1., 6:5) ins Finale eingezogen ist, die Zukunft, noch ist Taylor längst nicht die Vergangenheit. Auch wenn die im Darts-Tempel Alexandra Palace in den vergangenen Jahren düster für die Legende geworden war. 2014 erlebte er als amtierender Weltmeister ein Fiasko gegen "Bully Boy" Smith in Runde zwei (3:4-Niederlage) und scheiterte zuletzt im Viertelfinale an seinem Rivalen Raymond van Barneveld (3:5-Niederlage), gegen den er so gerne das Endspiel seiner Karriere bestritten hätte.
Cross' Leistung entscheidet das WM-Finale
"Ich liebe es, gegen ihn zu spielen und andersrum. Er nennt es 'Clasico', und damit hat er vollkommen recht", hatte Taylor vor der WM gesagt. Barney scheiterte auf dem Weg zum "El Dartico" im Viertelfinale ganz knapp an seinem seit zwei Jahren dominierenden Landsmann Michael van Gerwen. Und wie viele andere Weggefährten gönnt auch der fünffache Weltmeister van Barneveld der Legende den perfekten Abgang. Auf Twitter schrieb der Niederländer: "Stellt euch vor, ihr habt alles gewonnen, was es jemals zu gewinnen gab. Stellt euch vor, ihr spielt euer letztes Turnier und es ist das größte von allen. Stellt euch vor, ihr kommt ins Finale und könntet euren 17. WM-Titel gewinnen. Viel Erfolg im Finale, Phil Taylor."
Der allerdings hängt vornehmlich von der Leistung ab, die Rob Cross in seinem Premierenfinale ans Board bringt. Das jedenfalls glaubt Darts-Experte Elmar Paulke. Im Gespräch mit n-tv.de sagt er: "Taylor wird das zeigen, was er zuletzt gespielt hat. Die Frage wird daher sein, kann Cross sein episches Halbfinale gegen van Gerwen verarbeiten? Und dann spielt er ja auch zum allerersten Mal gegen Taylor und das gleich im WM-Finale. Bekommt er das alles zusammen und spielt sein bestes Niveau spielt, dann ist er derzeit einen Ticken besser als Taylor." Aber, so sagt Paulke: "Mein Gefühl sagt mir, dass Taylor es macht."
Und dann? Dann droht der Darts-Welt ein ganz eigenartiger Abgang. Denn "The Power" hat angekündigt, im Falle des Triumphs einfach von der Bühne zu gehen und den Pokal stehen zu lassen. "Ich glaube er würde das wirklich machen", sagt Paulke, "als Zeichen seines Abschieds. Und so ist Taylor ja auch. Der gewonnene Pokal zählt für ihn in diesem Moment nicht mehr so viel. Er ist dann wie immer schon bei seinem nächsten Schritt und das ist der Abschied." Der Abschied ins Wunderland, in sein Wunderland. In das seine Fans ihn seit Jahrzehnten singen. Aus dem er heute Nacht aber nicht mehr zurückkehrt.
Quelle: ntv.de