
Schwächer startete Mercedes zuletzt 2012 in die Saison, als Michael Schumacher und Nico Rosberg nach zwei Wochenenden bei einem mickrigen Punkt standen.
(Foto: IMAGO/Motorsport Images)
Kein Formel-1-Pilot hat mehr Rennen gewonnen als Lewis Hamilton. Beim zweiten Grand Prix der Saison fährt der Mercedes-Pilot jedoch deutlich hinterher, die erhoffte Lösung wirft nur noch mehr Fragen auf. Vor allem beim erfolgsverwöhnten Briten selbst.
Oft sind es kleine Fragen, die mehr über die Größe eines Problems verraten, als es ausschweifende Antworten je tun könnten. Lewis Hamilton stellte am Sonntagabend in Dschidda genau so eine. "Okay Lewis", funkte Hamiltons Renningenieur Peter Bonnington nach der Zieldurchfahrt ins Cockpit: "Das ist Platz 10. Tut mir leid." Der Pilot fragte ratlos zurück: "Gibt's dafür eigentlich noch Punkte?"
Was im ersten Moment nach der Arroganz eines Rekordweltmeisters klingen mag, ist viel mehr schlicht die fehlende Erfahrung. Der Große Preis von Saudi-Arabien war Hamiltons 290. Start in der Formel 1, rein statistisch ist er selbst Michael Schumacher längst enteilt. 103 Siege sind einsamer Rekord, während 48 zweite und 32 dritte Plätze verdeutlichen: Der Brite ist für gewöhnlich dort zu finden, wo die großen Erfolge ausgefahren werden. Als Zehnter dagegen erreichte Hamilton das Ziel zum erst dritten Mal. Das erste Mal, 2008 in Frankreich, liegt dabei so weit zurück, dass es anders als heute noch keinen WM-Punkt dafür gab.
"Es ist völlig inakzeptabel, wie sich unsere Performance gerade darstellt", sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff nach dem Rennen, darüber hinaus zog er nach dem zweiten Saisonlauf ein ernüchtertes und ernüchterndes Fazit: "Es gibt viele Teile des Autos, die nicht funktionieren, die wir nicht verstehen, die nicht gut genug sind." Das führten auch die 50 Rennrunden auf dem Hochgeschwindigkeitskurs in der Hafenstadt am Roten Meer der Weltöffentlichkeit deutlich vor Augen. Die Silbernen kämpfen nicht mehr um Siege, sondern um die beste Position hinter den überlegenen Red Bull und Ferrari. Platz fünf, wie ihn George Russell diesmal belegte, ist zurzeit das Maximum.
Wolff macht mehrere Probleme aus
Die Probleme des W13 sind also zahlreich, daraus macht Mercedes kein Geheimnis. Das Porpoising ist nur eines davon, das vom Abreißen des Luftstroms am Unterboden ausgelöste Auf-und-Ab-Hoppeln des Autos, mit dem viele Teams kämpfen. Dazu kommt das Gewicht des Autos, das deutlich über dem vorgegebenen Mindestwert von 798 Kilogramm liegen soll. Bei Hamilton experimentierte Mercedes an diesem Wochenende mit der Fahrzeughöhe, um das Hoppeln zu unterbinden. Das Ergebnis - Platz 16 im Qualifying, Platz 10 im Rennen, jeweils deutlich hinter Russell - spricht nicht unbedingt dafür, an den Änderungen festzuhalten.
Wolff sagte darüber hinaus, der W13 sei "tricky to set-up", also schwierig abzustimmen. Zwischen beiden Autos habe es "keine riesigen Unterschiede" gegeben, "aber sie waren groß genug, um dramatische Auswirkungen auf die Performance zu haben". Während Hamilton im ersten Quali-Abschnitt chancenlos scheiterte, erarbeitete sich Russell immerhin Startplatz sechs. Die Suche nach dem "sweet spot of the car", wie der Österreicher die bestmögliche Konfiguration nennt, geht weiter.
Erschwert werden dürfte diese, dass Mercedes mit einem suboptimalen Heckflügel unterwegs ist. Da die Autos komplett neu entwickelt wurden und die ersten belastbaren Renndaten erst eine Woche zuvor beim Saisonauftakt in Bahrain gesammelt werden konnten, sind die Alternativen an Bauteilen rar. Zwar habe man ein Stück des Heckflügels entfernt, so Wolff, "aber es war nicht genug, um den Luftwiderstand zu verringern". Zu viel Luftwiderstand kostet Top-Speed und drückt, im Falle des Heckflügels, das Auto an der Hinterachse nach unten, was wiederum das Porpoising begünstigt.
Was ist mit dem Motor los?
"Wir haben viel Arbeit vor uns", resümierte Hamilton angesichts des neuerlichen Rückschlags. "Wir sind weit von den Jungs entfernt, die vor uns liegen." 73 Sekunden fehlten dem 37-Jährigen in Saudi-Arabien auf Sieger Max Verstappen, mit dem er im Vorjahr noch bis zur letzten Runde des letzten Rennens um die Weltmeisterschaft gekämpft hatte. Davon ist Mercedes derzeit weit entfernt, stattdessen musste man diesmal in der Schlussphase sogar Kevin Magnussen im Haas davonfahren lassen. "Uns mangelt es wirklich an Geschwindigkeit", so Hamilton.
Das scheint jedoch nicht allein an den Problemen bei Aerodynamik und Gewicht zu liegen, sondern auch am Motor. Ferrari hat den Vorjahresrückstand mindestens aufgeholt, das Honda-Aggregat war schon 2021 auf Augenhöhe. Über den Winter wurden alle Antriebe noch einmal weiterentwickelt - und vor allem die Ergebnisse der drei Mercedes-Kundenteams sind besorgniserregend. McLaren, Aston Martin und Williams belegen die drei letzten Plätze der Konstrukteurswertung, Lando Norris' siebter Rang in Saudi-Arabien ist das bisher einzige Top-Ten-Resultat.
Natürlich sind die miserablen Ergebnisse der von Mercedes ausgerüsteten Rennställe nicht allein auf den Motor zurückzuführen, die PS-Überlegenheit der Vorjahre ist allerdings unzweifelhaft verschwunden. Das ist umso bedeutender, weil große Teile des Motors - unter anderem der V6-Verbrennungsmotor, der Turbolader und das Auspuffsystem - zum Stichtag 1. März eingefroren wurden, bei anderen Teilen - u.a. der Energiespeicher - folgt dieser Schritt am 1. September dieses Jahres. Danach bleiben die Antriebe bis Ende der Saison 2025 unverändert, ehe 2026 ein neues Motorenreglement in Kraft treten soll.
Die Hoffnung bei Mercedes dürfte daher sein, mit den ersten größeren Updates die Probleme des W13 nach und nach zu lindern. Dass es vielleicht sogar gelingt, mit einer einzelnen Änderung gleich mehrere Mängel zu beheben. Russell sagte sogar, ein Ausweg aus dem Porpoising "würde 99 Prozent unserer Probleme lösen". Die gute Nachricht für die Suche danach ist, dass die Autos weitgehend roh sind. Die Entwicklungsgeschwindigkeit ist im ersten Jahr neuer Regeln maßgeblich für Erfolg und Misserfolg. Und noch ist genug Zeit für Mercedes, sich zu steigern. Damit Hamilton sich nicht öfter als unbedingt nötig damit auseinandersetzen muss, wie die Punktevergabe auf den hinteren Plätzen funktioniert.
Quelle: ntv.de