Formel-1-Lehren aus Zandvoort Zwei beste Feinde crashen Verstappens Party
06.09.2021, 09:57 Uhr
Schumacher hat seine Zurückhaltung aufgegeben.
(Foto: imago images/ZUMA Wire)
Die Rückkehr der Formel 1 nach Zandvoort, der Heimsieg von Max Verstappen - der Jubeltaumel ist groß in den Niederlanden. Aber nicht alles strahlt in Orange: Proteste abseits der Strecke und der weiter eskalierende Zwist zwischen Mick Schumacher und seinem Haas-Teamkollegen überschatten die gute Laune.
Nicht auszudenken, wenn Verstappen Weltmeister wird
Nach den bitteren Stunden in Silverstone und Budapest mit dem Verlust der WM-Führung vor der Sommerpause ist Verstappen zurück an der Spitze. "Wir haben uns verbessert, aber wir brauchen noch mehr. Es geht in die richtige Richtung", sagte der Red-Bull-Pilot, der sein Team zu weiteren Verbesserungen am Auto getrieben hatte. Die Folge: Pole Positions und Siege im Regen-Fiasko von Spa und nun auch in Zandvoort. Druck? Für Verstappen offenkundig kein großes Thema. Der 23-jährige Niederländer schob den Hype um seine Person beim Comeback seines Heimrennens einfach beiseite. Ein ganzes Land erwartete den Sieg von seinem Liebling, und der lieferte wie selbstverständlich - die WM-Führung gab es gleich obendrauf. Mehr denn je versetzte Verstappen seine Fans in einen Freudentaumel, die Grenzen zwischen Motorsport und Party verschwammen. Nicht auszudenken, wenn der Mann Weltmeister wird.
Hamilton muss tatsächlich klein beigeben
Der amtierende Titelträger und Rekordchampion kämpfte. Im Training, in dem ihn die Technik im Stich ließ. Im Qualifying, in dem er Verstappen fast noch die Pole Position wegschnappte. Und im Rennen, in dem der Engländer und Mercedes nichts unversucht ließen, um den schnelleren Verstappen irgendwie zu schlagen. Nüchtern muss man analysieren: Letztmals waren Hamilton und Mercedes im Mai in Spanien die stärkste Kraft. Es scheint, als wäre der Titel für Fahrer und Team in diesem Jahr unter normalen Umständen nicht erfolgreich zu verteidigen.
Ein kleiner Racheakt von Bottas
Dass die Tage des Finnen bei Mercedes am Saisonende gezählt sind, deutet sich mehr als nur an. Und so wirkte es wie ein kleiner Racheakt, als Bottas sich kurz vor Rennende mit frischen Reifen die schnellste Rennrunde holte - obwohl der Kommandostand ihm dies ausdrücklich untersagte, weil Teamkollege Hamilton den Bonuspunkt im Titelrennen sehr viel mehr benötigte. Bottas ging zwar etwas vom Gas, die schnellste Rennrunde drehte er dennoch. Und so musste Hamilton in der letzten Runde unnötig viel riskieren. Öffentliche Schelte blieb Bottas im Nachgang erspart. Womöglich war es ein letzter Dank für jahrelange Loyalität.
Zwei beste Feinde
Teamkollegen in der Formel 1 sind keine dicken Freunde, das liegt in der Natur der Sache. Doch es ist schon beachtlich, mit welch harten Bandagen die beiden Haas-Piloten miteinander umgehen - verbal und auf der Strecke. In Zandvoort wurde die nächste Eskalationsstufe erreicht. Nikita Mazepin fühlte sich von Mick Schumacher im Qualifying unfair behandelt und bedachte den Deutschen im Nachgang mit unflätigen Worten. Im Rennen verteidigte er sich hart bis unfair gegen Schumacher. Dieser hat seine Diplomatie mittlerweile auch abgelegt. "Das war aus meiner Sicht nicht korrekt", sagte Schumacher zu dem Zwischenfall nahe der Boxenmauer. Öffentliche Anklage gegen Mazepin aber wolle er nicht halten. "Das ist eher sein Ding, in den Medien zu schimpfen", ätzte der 22-Jährige. Schumacher und Mazepin, die im Normalfall die letzten beiden Plätze unter sich ausmachen, sind mittlerweile eine explosive Kombination. Ihr Konflikt bedroht den Erfolg des Teams, das ja 2022 das Ende des Feldes verlassen und auch mal um Punkte fahren will. Teamchef Günther Steiner beschwichtigt weiterhin, doch mehr und mehr bahnt sich an, dass er sich für einen der beiden entscheiden muss.
Vettels verkorkstes Wochenende
Ein Motorschaden im ersten Training, ein vermurkstes Qualifying und ein Dreher im Rennen - Platz 13. "Der Schlüssel liegt im Qualifying, und da sind wir zu langsam", klagte Vettel. Echte Besserung ist nicht zu erwarten, das Team hat die Weiterentwicklung des Autos weitgehend eingestellt. "Im Rennen müssen wir uns nicht verstecken, aber wir sind oftmals zu weit hinten. Uns fehlt einfach ein bisschen der Speed", befand Vettel. Manch einer wundert sich, warum der Ex-Weltmeister noch nicht offiziell für 2022 bestätigt wurde. Womöglich hängt Vettels Zukunft von der von Teamchef Otmar Szafnauer ab. Der wiederum muss Ergebnisse liefern, um Rennstallbesitzer Lawrence Stroll bei Laune zu halten.
Zandvoort begeistert, aber ...
Der Formel-1-Kalender bietet einige Highlights. Selten aber ragte ein Event so heraus wie das Comeback des Großen Preises der Niederlande nach 36 Jahren. Beflügelt vom Verstappen-Hype feierten die 70.000 Fans pro Tag in Zandvoort eine Dauerparty. Die Stimmung kochte über und übertrug sich auf sämtliche Fahrer. Selbst Hamilton, der aus Silverstone einiges gewohnt ist, gingen die Superlative aus. "Was für ein Rennen, was für ein Publikum", sagte der Brite. "So soll ein Rennen abgehen", lobte Red-Bull-Berater Helmut Marko die Organisatoren. Mercedes-Teamchef Toto Wolff meinte gar: "Das ist eine neue Messlatte für Stimmung." Auch der aufpolierte Old-School-Kurs in Zandvoort fand unzählige Verehrer, nicht nur wegen der in der Formel 1 einzigartigen Steilkurven. Außerhalb des "Kernmarktes" Europa mag die Königsklasse höhere Antrittsgagen kassieren - doch Wochenenden wie das abgelaufene sind für den PS-Zirkus mit Geld nicht aufzuwiegen. Aber: Nicht alle fanden die Rückkehr der Formel 1 berauschend. Proteste begleiteten das Rennen, das direkt neben einer geschützten Dünenlandschaft ausgetragen wurde. Nachhaltigkeit, Klimawandel, Umweltschutz - all diese Themen mögen nicht so recht zur Formel 1 passen.
Quelle: ntv.de, ara/dpa/sid