Und wieder scheitert Frankreich Der verdammte Fluch der Wendie Renard
28.07.2022, 08:43 Uhr
Wieder nix mit einem großen Titel: Wendie Renard scheitert erneut frühzeitig mit Frankreich.
(Foto: REUTERS)
Wendie Renard ist eine der größten Fußballerinnen der Gegenwart. Nicht nur körperlich. Die Abwehrchefin der Französinnen greift auf Klubebene eine aberwitzige Zahl an Titeln ab. Nur mit der Nationalmannschaft will es nicht klappen. Auch gegen Deutschland nicht.
Bis in die fünfte Minute der Nachspielzeit glaubte Wendie Renard daran, dass die Wende gegen Deutschland noch gelingen könnte. Bis in die fünfte Minute der Nachspielzeit dirigierte sie ihre französischen Kolleginnen und erklärte, wo der Ball nun hinkommen müsse. Auf ihren Kopf, aber das war eh klar. Denn Wendie Renard war nicht nur die größte Spielerin in diesem EM-Halbfinale, sondern sie war auch als die gefährlichste ausgemacht worden. Zumindest wenn es darum ging, hohe Hereingaben erfolgreich zu verwerten. Und so tauchte die Abwehrchefin von Olympique Lyon in den letzten Minuten des Duells vermehrt im deutschen Strafraum auf.
Vergebens. Mit 1:2 verloren die Französinnen. Der Traum von Wembley, die Sehnsucht nach dem Titel, sie war dahin. Zwar fanden die Bälle der Kolleginnen immer wieder den Weg zu Renard. Doch die 32-Jährige hatte an diesem Mittwochabend nicht die Präzision, die sie sonst auszeichnet. Erstaunliche 33 Tore hatte sie ja bereits in 136 Spielen für die Nationalmannschaft erzielt. Ein weiteres kam eben nicht dazu. Auch deshalb scheiterte Frankreich wieder einmal vorzeitig bei einem großen Turnier. Bei der WM 2011, 2015 und 2019, EM 2013 und 2017 und bei Olympia 2012 und 2016 ging das Team leer aus. Nun ist die Geschichte des Scheiterns um ein Kapitel reicher.
"Es liegt an uns, das zu ändern"
Dabei sollte in diesem Sommer endlich alles ganz anders werden. Endlich erfolgreich. Renard, die dominierende Spielerin der vergangenen Dekade, hatte vor dem Duell mit Deutschland angekündigt: "Die Vergangenheit ist Teil meiner Geschichte und auch der Auswahl. Es liegt an uns, das zu ändern." Mit Leben füllte die Mannschaft die Worte ihrer Anführerin nicht. Zwar spielte Frankreich gewohnt physisch, aber auch ungewohnt verkrampft. Nur in den Minuten nach der Pause deutete das Team von Trainerin Corinne Diacre an, welche Qualität es besitzt, als Deutschland nur mit Mühe und einer starken Merle Frohms den Rückstand verhinderte. Renard rannte, kämpfte, orchestrierte. Aber im entscheidenden Moment war sie mal nicht da. Ausgerechnet sie, der Kontrollturm (so ihr Spitzname) wurde beim 2:1 von Deutschlands Kapitänin Alexandra Popp übersprungen.
Komplett aus dem Spiel nehmen, das wussten die Deutschen, konnten sie die Hünin nicht. Aber sie taten ihr Allerbestes, um sie möglichst wenig zur Entfaltung beim Kopfball kommen zu lassen. Und das gelang wirklich herausragend. Auch, weil Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg ihrer Mannschaft einen klaren Plan aufgezeigt hatte. So wusste das Team sehr genau, welche Wege Renard bei hohen Hereingaben geht, wie Popp nach dem hart erkämpften Sieg erklärte.
So groß die Euphorie beim deutschen Team war, so bitter endete der Abend für die 32-Jährige. Womöglich geht sie als ungekrönte Königin in die Geschichtsbücher ein. Zumindest auf Nationalmannschaftsebene. Denn sonst hat Renard die Seiten in den Fußball-Almanachen in Hülle und Fülle voll geschrieben. 15 Meisterschaften hat sie eingefahren, neun Pokalsiege gefeiert, acht Mal den Europapokal gewonnen. Was für eine krasse Bilanz. Nur mit Frankreich will es nicht klappen. Bislang nicht. Im kommenden Jahr steht die nächste WM an. Renard wird sicher noch dabei sein. Auch ein Jahr später, 2024 bei den Olympischen Heimspielen, wird sie spielen, wenn sie nicht verletzt ist. Ob die EM 2025 noch eine Option ist? Wer weiß, Renard wäre dann 35 Jahre alt. Möglich ist das.
Renard ist gierig nach Siegen
Und ihr Antrieb ist groß. Riesengroß. "Wir sagen uns selbst immer wieder, dass Träume wahr werden können", sagte Renard gerade erst im Interview mit der UEFA. "Wir stecken in jede Saison viel Blut, Schweiß und Tränen hinein. Wenn du zu Beginn gar nichts hast und am Ende der Titel herausspringt, gibt es kein besseres Gefühl. Das ist meine Motivation und darauf ziele ich ab. Ich liebe den Wettkampf und immer, wenn ich auf dem Platz stehe, will ich gewinnen. Es ist völlig egal, welches Spiel gerade ansteht, ich will gewinnen."
Diese Mentalität hat sie bereits in jungen Jahren entwickelt. Denn gegen alle Widerstände hat sie den Weg aus ihrer Heimat Martinique in den Profifußball geschafft. Sie hatte erst eine Einladung zu einem Probetraining in Frankreichs Fußball-Eliteschule in Clairefontaine erhalten, allein das schon eine Adelung. Genommen wurde sie nicht, doch wenig später meldete sich Olympique Lyon."Es war Schicksal", sagte sie einmal über ihr Engagement dort. Lyon wurde zur besten Mannschaft Europas. Renard zu einer der besten Spielerinnen des Kontinents. Mit nur einem Makel, dem verdammten Fluch mit Frankreich.
Quelle: ntv.de