Fragen zum DFB-Gruppenfinale EM-Euphorie oder finale Löw-Blamage?

Für Löw könnte es das letzte Spiel sein.

Für Löw könnte es das letzte Spiel sein.

(Foto: imago images/ActionPictures)

Sportlich geht es für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft am Abend gegen Ungarn um den Einzug in die K.-o.-Runde der Europameisterschaft. Persönlich geht es für Joachim Löw um seine Amtszeit-Verlängerung von mindestens einem Spiel. Nur eins ist klar: Es wird bunt.

Sportlich geht es für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft am Abend gegen Ungarn um den Einzug in die K.-o.-Runde der Europameisterschaft. Persönlich geht es für Joachim Löw um seine Amtszeit-Verlängerung von mindestens einem Spiel. Dafür würde er gern auf Thomas Müller setzen, vermutlich kann er es aber nicht. Nur eins ist klar: Es wird bunt.

Kann Thomas Müller spielen?

Das "Knie der Nation" hat aktuell Thomas Müller. Der Rückkehrer ins deutsche Fußball-Nationalteam. Der nach zwei EM-Spielen schon nicht mehr wegzudenken ist. Der aber beim furiosen Sieg gegen Portugal eine Kapselverletzung erlitt. Und deswegen nun wohl nicht wird spielen können. Zwar trainierte der Bayern-Profi am Dienstag, allerdings trabte er nur um den Platz, während die anderen den Ernstfall für das Spiel gegen Ungarn (21 Uhr im ntv.de-Liveticker) probten. Diagnose aller Experten: Müller wird ausfallen. Diagnose des Bundestrainers vom Dienstagabend: Es braucht einen letzten Härtetest, erst wenige Stunden vor Anpfiff wolle er entscheiden, ob der 31-Jährige "einsatzfähig ist".

Was passiert, wenn Müller nicht spielt?

Nun, ganz einfach. Dann spielt jemand anderes. Ist ja nicht so, als sei das offensive Mittelfeld die Problemzone des deutschen Teams. Ist allerdings auch nicht so, als würde noch jemand im Kader über die sehr speziellen Qualitäten Müllers verfügen. Den Schleicher, den Raumdeuter, den "Radio Müller". Der immer plötzlich zur rechten Zeit am rechten Ort auftaucht. Der sich wunderbar verknotet in die Bälle wirft. Der für jeden Gegner nur schwer ausrechenbar ist.

Wer also könnte Müller ersetzen? Zum einen ist da Leon Goretzka. Er hat sich angeboten, gar selbst angepriesen bei der Pressekonferenz am Montag: "Es ist aber eine Position, die ich schon gespielt habe und ich habe bereits gesagt, dass ich mir diese Rolle zutraue. Ich hoffe aber natürlich, dass Thomas spielen kann." Er würde die Rolle natürlich anders interpretieren, kommt mehr aus der Tiefe, hat mehr Wucht, mehr Kraft im Spiel. Zum zweiten wäre da Leroy Sané. Er wäre die wohl logische Kraft, die offensive Dreierreihe mit Serge Gnabry und Kai Havertz zu komplettieren. Löw zufolge bringe er die richtige Einstellung auf den Platz und überhaupt gebe es wenig auszusetzen am Außenbahner des FC Bayern. Den Durchbruch beim DFB hat er dennoch bislang nicht geschafft. Löw gibt sich bis zuletzt geheimnisvoll: "Es gibt verschiedene Gedankenspiele und Möglichkeiten in der Personalwahl."

Nicht ausgeschlossen, dass Löw auch mit einer ganz anderen Idee auf die meistens vergleichsweise hoch stehende Fünferkette der Ungarn reagiert: Timo Werner wäre prädestiniert, gut getimete Läufe hinter die Kette zu starten - und sich da von den Innenverteidigern mit einem weiten Ball in Szene setzen zu lassen. Besonders Mats Hummels ist in der Lage, diese Bälle zu spielen.

Worauf muss Deutschland achten?

Bei aller Euphorie über das Portugal-Spiel konnten vier Tore und weitere tolle Szenen nicht über die Schwachstelle hinwegtäuschen: Standardsituationen. Löw, so berichtete er auf der Pressekonferenz am Dienstagabend, wird das Thema noch einmal in den Fokus rücken. "Auf dem Trainingsplatz konnten wir aus Regenerations-Gründen zuletzt nicht mehr soviel machen. Aber ich werde das Thema Ecken und Freistöße nochmal ansprechen. Defensiv hatten wir da besonders gegen Portugal ein Problem."

Es ist ein Thema, das alle wurmt. Mats Hummels, der bei eigenen Ecken eigentlich so torgefährlich ist. Der selbst aber bislang "nur einen halbgaren Versuch gegen die Franzosen" aufweisen kann, wie er selbst ernüchtert feststellte. Und dabei sogar noch verschwieg, dass auch sein unglückliches Eigentor gegen Frankreich auf einen Standard zurückzuführen war. Ein Einwurf wurde unzureichend verteidigt. Wie schon gegen Lettland. Goretzka erklärte mit Blick auf die offensiven Standards: "Wir haben hervorragende Schützen und eine gute Präsenz. Ich denke, dass wir einfach weiter dran glauben müssen. Überzeugung ist ein wichtiges Stichwort bei Standards. Die Anlagen sind da und ich bin mir sicher, dass wir noch unseren Profit daraus ziehen können."

Und sie müssen darauf achten, dass die durchaus überraschend starken Ungarn nicht ihrerseits profitieren. Marcel Halstenberg wies nicht umsonst auf deren Stärke hin. Cristiano Ronaldos Führungstreffer für Portugal entsprang aus einem Konter nach einer Ecke des DFB-Teams. Überhaupt, die Konterverteidigung: Gegen Frankreich zählte Karim Benzemas fein heraus gespieltes Gegenstoß-Tor nur wegen Abseitsstellung nicht. Die Zuordnung stimmt zu häufig nicht. Die Restverteidigung wirkt oft überfordert.

Klar ist, da ist man sich auch im DFB-Lager einig, dass es gegen die Ungarn ein anderes Spiel werden wird als gegen defensiv vom deutschen Außenbahndauerdruck überforderten Portugiesen. Enger wird es auf den Flügeln zugehen für Joshua Kimmich und Robin Gosens, niemand darf die selbe Unzahl an gefährlichen Hereingaben erwarten, wie im zweiten Gruppenspiel. Es wird eine Geduldsprüfung. Wenn die Sache mit den Standards schnell verbessert werden könnte, könnte das sehr, sehr wertvoll werden.

Endet heute Abend die Ära Löw?

17 Jahre bei der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, davon 15 Jahre als leitender Bundestrainer, sie könnten tatsächlich heute Abend enden. Ja, möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich. Denn dafür müsste sein Team gegen Ungarn verlieren - und zugleich Portugal gegen Frankreich mindestens Unentschieden spielen. Nur dann schließt Deutschland die Gruppe F als Letzter ab. Und nur dann ist Deutschland raus aus dem Turnier. Es wäre das unglücklichste Szenario für Löw, eines, dass seine Amtszeit nicht verdient hat. Trotz zwei unschönen Jahren.

Wahrscheinlicher ist, dass der 61-Jährige und sein EM-Tross weiter mitmischen dürfen bei dieser EM. Mit einem Sieg gegen Ungarn wäre Deutschland mindestens Gruppen-Zweiter, mit einem Remis Gruppen-Dritter. Da die vier besten dritten der sechs Gruppen weiterkommen und bereits klar ist, dass Deutschland dafür genug Punkte gesammelt hat, wäre der Platz ausreichend. Als Zweiter würde die Reise nach London anstehen, es ginge im Wembley-Stadion gegen das heimische England - vermutlich recht unangenehm. Also lieber Dritter werden? Dafür in Kauf nehmen gegen Ungarn zu verlieren und darauf zu hoffen, dass Frankreich gegen Portugal gewinnt? Keine ernsthafte Option. In diesem unwahrscheinlichen Fall ginge es entweder nach Sevilla - und gegen die Niederlande. Oder nach Budapest - gegen Belgien. Nein, keine ernsthaft bessere Option. Auch Gruppensieger kann Deutschland noch werden. Dazu muss Löws Team gegen Ungarn gewinnen und Portugal muss Frankreich kleinhalten. Dann geht es am 28. Juni zum Duell mit der Schweiz nach Bukarest.

Sind Aktionen abseits des Platzes geplant?

Es wird bunt. In ganz Deutschland, natürlich auch in München. Mit dem Verbot der UEFA, die Arena in Regenbogenfarben erstrahlen zu lassen, hat sie sich und Ungarns Präsidenten Viktor Orban erst so richtig ins Schussfeld gebracht. Alle sind vereinigt im Kampf für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans, Queer, Inter und Asexuelle - zusammengefasst als LGBTQIA+. Es geht um ein Menschenrecht, nicht nur um die schönen Farben. 11.000 Fahnen will der Verein CSD Deutschland vor dem Stadion verteilen. Wenn es außen nicht bunt werden darf, dann eben auf der Tribüne. Im Netz kursierten dazu auch Sitzpläne für die Arena. Man solle auf den Rängen doch einfach einen Regenbogen abbilden. Viele Veranstaltungsorte in ganz Deutschland wollen stellvertretend illuminiert werden: in Köln, Frankfurt, Dortmund, Berlin, Wolfsburg, Dresden, Augsburg, Hannover, Düsseldorf. München mischt ebenfalls mit: In der Nähe des Stadions soll laut "Bild" ein Windrad angeleuchtet werden, das Rathaus ist mit Regenbogenflaggen geschmückt. Was im Stadion noch alles passieren wird, ist unklar. Spontane Aktionen nicht ausgeschlossen.

Quelle: ntv.de

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