Einfallsloser EM-Topfavorit Frankreich braucht mehr als Payet
11.06.2016, 11:52 Uhr
Stade de France, 89. Minute: Dimitri Payet (2.v.r.) schießt, der Ball schlägt ein.
(Foto: dpa)
Gastgeber Frankreich hat die Fußball-EM eröffnet - mit einer sehr durchwachsenen Vorstellung. Der angebliche Topfavorit war in der so viel gelobten Offensive einfallslos. Die Erklärung von Stürmer Olivier Giroud mutet seltsam an.
Unter dem Jubel der französischen Fans kann Dimitri Payet bei seiner Auswechslung im Stade de France die Tränen nicht mehr zurückhalten. Mit einem spektakulären Distanzschuss in der 89. Minute hat er Frankreich den Start in die Heim-Europameisterschaft gerettet. Das Spiel gegen Rumänien endet wegen ihm 2:1 (0:0) - und nicht mit einem enttäuschenden Remis. Auch auf der Bank fließen bei Payet noch die Tränen. Wollen die Franzosen zuhause den Titel holen, müssen sie sich erheblich steigern.
"Da war viel Stress, viel Druck. Wenn es mir jemand vorher gesagt hätte, hätte ich es nicht geglaubt, dass mir das gelingt. Danach kamen die Emotionen raus", sagte der 29-jährige Payet. Die Sportzeitung "L'Équipe" titelte: "Payet rettet die Party." Genauso war es, wobei: Es gab eigentlich kaum eine Party, weil die Rumänen mutig agierten und erst ein fragwürdiges Tor von Olivier Giroud zu Beginn der zweiten Halbzeit die Führung brachte.
Danach waren die Osteuropäer besser: penetrant effektiv in der Defensive, frech in der Offensive. Rumänien hatte nach dem Ausgleich per Elfmeter mehr Chancen. Die Sensation schien greifbar. Die wendigeren Rumänen machten gegen die Franzosen vieles richtig - dass sie Payet kurz vor Schluss schießen ließen, brachte sie um ihren Lohn. Sie hätten den Punkt verdient gehabt.
Rätselhafte Fahrigkeit
Die Franzosen, von einigen schon vorab zum besten Team des Turniers ausgerufen, konnten die Lobpreisungen nicht bestätigen. Zu einfallslos agierte die so gelobte Offensive. Die Mannschaft von Trainer Didier Deschamps war drauf und dran, sich nur mit einem Punkt begnügen zu müssen - und wirkte in der Schlussphase, als habe sie sich damit auch abgefunden. "Ich bin sicher, dass wir uns noch steigern werden", sagte Giroud. Die Spieler wissen offenbar genau, dass dieses EM-Auftaktspiel vor eigenem Publikum nicht das war, was viele erwartet hatten. Viel Ballbesitz reicht nicht.
Den Unterschied machte mit seiner Rakete in den linken Torwinkel Payet, einer, der nach einem Jahr Pause erst zu den Testspielen in diesem Jahr wieder berufen worden war. Der Offensivspieler von West Ham United gehörte weder zum EM-Kader vor vier Jahren noch zur WM-Delegation vor zwei Jahren. Dank ihm könnten die Franzosen schon im zweiten Gruppenspiel am Mittwoch gegen Albanien die K.o.-Runde erreichen.
Warum wirkten die Franzosen so fahrig? "Es ist nicht einfach, vor einer solchen Kulisse zu spielen", sagte Giroud nach dem Spiel. "Ich war sehr bewegt, als ich die Marseillaise gehört habe." Die Kulisse soll also verantwortlich sein? Eben die ist doch etwas, das Gastgebern im Fußball einen Vorteil verschafft. Sollte es bei den Franzosen anders sein, könnte das frustrierende Folgen haben. Womöglich im Finale.
Quelle: ntv.de