Oberdorf weist DFB-Team den Weg Mit "Bosheit", Kraft und den Emotionen von Kimmich

Durchsetzungsstark und zielstrebig: Oberdorf hat sich vom "Riesentalent" zur Leistungsträgerin entwickelt.

Durchsetzungsstark und zielstrebig: Oberdorf hat sich vom "Riesentalent" zur Leistungsträgerin entwickelt.

(Foto: dpa)

Lena Oberdorf ist eine "geile Maschine". Das sagt Lina Magull über ihre Mitspielerin im DFB-Team. Beim EM-Viertelfinalsieg gegen Österreich ist an ihr kaum ein Vorbeikommen, das bringt ihr ein Extralob der Bundestrainerin ein. Obwohl sie den FC Bayern nicht mag, würde sie gern mal Joshua Kimmich treffen.

Einmal wurde Lena Oberdorf an diesem Donnerstagabend im Brentford Community Stadium überrumpelt. Einmal wurde sie von einer Aktion überrascht, geriet aus dem Gleichgewicht und fiel. Es war allerdings nach Abpfiff und die "Übeltäterin" war Lea Schüller, die auf ihre Teamkollegin zulief und ihr spontan in die Arme sprang. Oberdorf fiel hinten über, Schüller auf sie drauf. Ein Detail des Jubels nach dem EM-Viertelfinalspiel gegen Österreich, das Deutschland mit 2:0 gewonnen hatte.

Auch dank Lena Oberdorf. Sie mache das sonst nicht, sagte Martina Voss-Tecklenburg nach dem Spiel, ehe sie zu einer Lobeshymne ansetzte: "Ich glaube, alle haben gesehen, was Lena Oberdorf in diesen jungen Jahren heute gespielt hat - mit einer Reife und einer Intensität und einer Lust, Bälle zu erobern (...) und das auf ihre Mitspielerinnen zu übertragen. Das war klasse!", schwärmte die Bundestrainerin. Mit ihren 20 Jahren habe die Wolfsburgerin eine "reife Leistung" gezeigt, die bewiesen habe, "dass sie eine große Zukunft vor sich hat".

Auch Oberdorf selbst war zufrieden: "Für mich war es das beste Spiel, das ich kriegen konnte", sagte sie über ihren bereits 30. Einsatz im DFB-Trikot. "Viele Kämpfe um die Bälle im Mittelfeld, viele Balleroberungen, wo ich weiterkonnte nach vorne, ich hatte auch mal einen Abschluss dabei." Sie ging wie immer keinem Zweikampf aus dem Weg, zog stets konsequent durch, grätschte, wenn nötig, hielt als Sechserin die Österreicherinnen vor der Abwehr in Schach und eröffnete mit starken Balleroberungen das Offensivspiel. Die schon seit Jahren als "Jahrhundert-Talent" betitelte Oberdorf ist aus dem Nationalteam längst nicht mehr wegzudenken "'Obi' hat defensiv alles wegverteidigt, aber dann nach vorne die Ruhe gehabt", sagte die Torschützin des 1:0, Lina Magull, über sie. "Es ist schön zu sehen, wie sie sich entwickelt. Ein Riesentalent, jetzt gar kein Talent mehr, sondern eine gestandene Spielerin, sie macht das echt richtig stark."

Peinliche Begegnung mit Popp

Als sie 2019 bei der Weltmeisterschaft in Frankreich im ersten Spiel gegen China eingewechselt wurde, löste sie Rekordnationalspielerin Birgit Prinz als jüngste deutsche Spielerin ab, damals war sie gerade einmal 17 Jahre jung. Noch weit früher begegnete ihr ihre heutige DFB- und Wolfsburg-Kollegin Alexandra Popp. Bei einem Spiel des FC Silschede, für den Popp damals spielte, stand Oberdorf am Rand und wollte eigentlich nur ihrer Schwester zusehen. "Ich konnte es gar nicht glauben. Ich bin dann irgendwann zu ihr hingegangen und habe gefragt, ob sie wirklich die Alex Popp ist", hatte Oberdorf vor der EM dem Magazin "Elfen" erzählt. "Aber ich habe es ihr so lange nicht abgekauft, bis sie ihren Führerschein hervorholte und ihn mir vors Gesicht hielt."

Oberdorf wurde selbst groß im Fußball, spielte schon mit zwölf Jahren in der U15-Nationalmannschaft, kickte bis sie 16 war in Jungsteams. Bei ihrem ersten Spiel für die A-Nationalmannschaft stand ihr dann wieder Popp gegenüber - und bewies zu Oberdorfs Leidwesen ein gutes Gedächtnis: "Na, weißt du noch, damals?", sagte sie und legte der Neuen eine Hand auf die Schulter.

Die Peinlichkeit ist längst überwunden, seit 2020 spielen die beiden nicht nur beim DFB, sondern auch beim VfL Wolfsburg zusammen. Mit dem Abitur in der Tasche war Oberdorf von der SGS Essen zum Spitzenklub gewechselt. Und dort wird sie wohl auch noch eine Weile bleiben, einen Tag vor dem EM-Auftakt gab der VfL ihre Vertragsverlängerung bis 2025 bekannt. Der sportliche Leiter Ralf Kellermann dürfte sich glücklich schätzen, das vor der EM geregelt zu haben, mit ihren bisherigen Leistungen im Turnier macht sie auf sich aufmerksam. Große Angebote habe es für sie nicht gegeben, sagte Oberdorf auf die Frage nach "unmoralischen Angeboten", doch sie hätte auch nicht groß darüber nachgedacht. "Das familiäre Verhältnis, das man in Wolfsburg hat, gibt einem unfassbar viel", erklärte sie ihre Entscheidung.

Kimmich und Busquets als Orientierung

Auch Magull würde lieber im Verein mit ihr als gegen die "geile Maschine" spielen, wie sie Oberdorf nennt. "Natürlich bin ich froh, dass ich hier mit ihr zusammenspiele. Ich hätte sie auch gern im Verein in meiner Mannschaft, aber so ist das nun einmal." Es wäre wohl Magull, die den Klub wechseln müsste - zurück zu ihrem früheren Verein -, denn Oberdorf hegt eine offene Abneigung gegen den FC Bayern, für den Magull seit 2018 spielt. Als Schalke-Fan habe man es eben nicht so mit den Bayern, erklärte sie einmal. Dennoch würde die 20-Jährige gern mal mindestens einen Profi des Männer-Kaders kennenlernen: "Ich glaube, ich würde mich gerne mit Kimmich austauschen, weil er auch so ein bisschen das verkörpert: diese Emotionen im Spiel, niemals aufgibt, in jeden Zweikampf nochmal reingeht, jeden Laufweg nochmal macht", erklärte Oberdorf. "Ich glaube, dass unsere Spielideen ganz gut zusammenpassen."

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Dass das Verteidigen ihre Sache ist, habe sie schon früh festgestellt: "Ich habe mir früher mit meinem Bruder (Tim Oberdorf, Verteidiger von Fortuna Düsseldorf, Anm. d. Red.) Sergio Ramos auf Youtube angeguckt und wie er sich dann immer gefeiert hat, wenn er eine Grätsche ausgepackt hat. Ich glaube, das ist daraus entstanden." Die Frage, ob man im Fußball manchmal "böse" sein müsse, beantwortete sie kurz und knapp mit: "Ja."

Fußballerisch ist sie vom langjährigen Real-Madrid-Verteidiger umgeschwenkt auf den FC Barcelona. Sergio Busquets sei ein Sechser, an dem sie sich orientiere. Ihm schaue sie sehr gern zu, "weil er sich immer extrem gut in den Räumen bewegt und immer weiß, wohin er will und ich möchte daran weiter arbeiten, dass ich schon weiß, bevor der Ball kommt, was will ich machen, das ist mir heute extrem gut gelungen", zeigte sie sich zufrieden. Der Ball war dann auch nicht mehr dabei, als sich Oberdorf doch einmal überrumpeln ließ.

Quelle: ntv.de

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