Löw sollte sich treu bleiben Schweinsteiger hilft gegen Frankreich nicht
06.07.2016, 15:40 Uhr
Bastian Schweinsteiger trainiert mit der Mannschaft - nicht mehr und nicht weniger.
(Foto: imago/Moritz Müller)
Bastian Schweinsteiger trainiert wieder mit der Mannschaft. Der Kapitän der DFB-Elf ist zurück - und spielt? Besser nicht. Denn den Wildwest-Franzosen hat er nichts entgegenzusetzen.
Bastian Schweinsteiger trainiert wieder mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Was das heißt? Zunächst mal nicht mehr, als dass er wieder mit der Mannschaft trainiert. Klingt banal, ist auch so. Weil es aber die Abschlusseinheit der Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw vor dem EM-Halbfinale gegen Frankreich am Donnerstagabend in Marseille (ab 21 Uhr im n-tv.de-Liveticker) ist, interpretieren viele nun: Der Kapitän ist fit und kann spielen. Offiziell bestätigt hat das indes niemand. Egal, Hauptsache puh. Puh, dass Allesrichtigmacher Löw jetzt eine Personalsorge weniger hat. Wenn sie sich da mal nicht täuschen, die Puh-Freunde.
Gegen Italien musste der bisherige EM-Kurzarbeiter deutlich früher ran, als dem Bundestrainer lieb sei konnte. Weil sich Dauerläufer Sami Khedira mit schmerzenden Adduktoren herumplagte, durfte sich Schweinsteiger im Viertelfinale 105 Minuten mitquälen und wie viele andere auch noch einen Elfmeter im Drama von Bordeaux verschießen. Gegen taktisch clevere Italiener, die das physische Spiel im Mittelfeld, also dort wo sich der Kapitän normalerweise tummelt, nicht bis zur höchsten Intensität ausreizten, ging das gut. Der ManUnited-Profi konnte das einbringen, was er im Moment halt so einbringen kann: Ruhe, Spielintelligenz und Organisation. Das ist eine ganze Menge, klar. Aber Räume zulaufen und den Körper reinhauen, wie es der im Halbfinale fehlende Khedira mit Liebe, Sorgfalt und Leidenschaft macht, dass kann der Schweinsteiger bei dieser EM nicht.
Gegen die Franzosen braucht es aber gerade das. Die Mannschaft von Didier Deschamps steht nicht für so ein ausgebufftes, geordnetes und eher tempoarmes Spiel wie die Azzurri. Nein, Paul Pogba, Dimitri Payet und ihre Gefährten agieren wie eine Banditenbande im Wilden Westen. Oft bekommst du gar nicht mit, dass sie da sind. Dann aber überrumpeln sie dich mit ihrer Physis, mit ihrem Tempo, mit ihrer ganzen Wucht. Die Rumänen können darüber traurig berichten, die Albaner auch und zuletzt Iren und Isländer. Sie alle (außer Island) werden sagen: Lange sah's gut aus, doch dann kamen die Blauen gnadenlos angaloppiert mit ihren stolzen Vollstreckern Olivier Giroud und Antoine Griezmann sowie dem pfiffigen Payet. Nix zu machen für die Gegner – die allerdings selbstverständlich ein ganz anderes sportliches Kaliber waren als nun Deutschland.
Es geht auch ohne den Kapitän
Dennoch: Angesichts dieser Wucht, die da zu kommen droht, kann einem im Kopf ein bisschen schwindelig werden, wenn man daran denkt, dass dieser gegen Italien doch mit unübersehbaren Tempo- und Zweikampfdefiziten spielende Schweinsteiger sich dem entgegenstemmen muss. Vor zwei Jahren freilich, da gelang es ihm. Da schwang sich der inzwischen 31-Jährige bei der WM 2014 zum großen Helden auf, der sich den argentinischen Gauchos in den Weg stellte, sie aus dem Weg grätschte und kopfballte. Bis zur totalen Erschöpfung. Doch damals war der Kapitän noch jünger. Der Körper zwar auch bereits malade, aber physisch nicht so durchgewirkt wie im Sommer 2016.
Der Bundestrainer hat ihn dennoch für das Turnier in Frankreich nominiert. Er hat auf die stets beeindruckenden Selbstheilungskräfte und den Geist seines Kapitäns gesetzt. Für die K.o.-Runde, so Löws Hoffnung, werde der Schweinsteiger schon fit. Auch n-tv.de hatte damals bei der Kader-Nominierung geurteilt, dass es ohne die "Endspielsau" nicht gehe. Zu turnierunerfahren sei der Kader. Die Mannschaft hat gezeigt, dass das nicht stimmt. Sie hat sich nach dem Gerumpel gegen die Ukraine und Polen zuerst in die EM malocht und später auch gespielt.
Es geht also auch ohne den Kapitän. So bitter das für Schweinsteiger persönlich sein mag, für die Mannschaft und ihren Cheftrainer ist das eine sehr, sehr wichtige Erkenntnis. Denn so kann Löw tatsächlich nach seiner diese Woche nochmal beschworenen Maxime handeln: "Bei mir spielen nur Spieler, die 100 Prozent fit sind." Für Schweinsteiger, der 2016 für seinen Klub lediglich 110 Pflichtspielminuten absolviert hat, gilt das nicht. Es ist Zeit für Emre Can, zumindest gegen Frankreich.
Quelle: ntv.de