Panik beim WM-Debakel DFB-Team zerbricht an der neuen Arroganz

Noch nie sind die DFB-Frauen bei einer Weltmeisterschaft in der Gruppenphase ausgeschieden.

Noch nie sind die DFB-Frauen bei einer Weltmeisterschaft in der Gruppenphase ausgeschieden.

(Foto: picture alliance / Eibner-Pressefoto)

Die Fassungslosigkeit über das Aus des DFB-Teams bei der Fußball-Weltmeisterschaft ist riesig. Als Mitfavoritinnen müssen die Deutschen ihre Taschen packen, der Erwartungshaltung werden sie nicht gerecht. Schuld am Desaster hat man nur selbst.

Dieses Novum für den krisengebeutelten Deutschen Fußball-Bund tut weh wie ein Schlag mit dem Hammer: Erstmals in der Geschichte scheiden die Frauen in der Gruppenphase der Fußball-Weltmeisterschaft aus. Die zweimaligen Weltmeisterinnen, achtmaligen Europameisterinnen und Olympiasiegerinnen von 2016 müssen die Heimreise aus Australien antreten. Und sie haben niemand anderen, den sie dafür verantwortlich machen können als sich selbst, denn das war spielerisch einfach nicht ausreichend.

Die Gruppe war nach der Auslosung als Freilos gewertet worden, die Gegnerinnen aus Marokko, Kolumbien und Südkorea keine Topteams mit großen Träumen. Der Gruppensieg war fest angenommen worden, das Basecamp in Wyong nördlich von Sydney ganz darauf ausgerichtet. Dort wollte der DFB-Tross das gesamte Turnier über logieren, nur das Achtelfinale hätten sie als Gruppenerste in Melbourne gespielt, anschließend hätte es den kurzen Weg nach Sydney bis ins Finale gegeben. Als das Team nach der Pleite gegen Kolumbien den Gruppensieg nicht mehr in der eigenen Hand hatte, musste die Reiseabteilung tätig werden, einen Plan B erstellen, der offenbar zuvor nicht existiert hatte.

Eine gewisse Arroganz, die dem DFB jetzt auf die Füße fällt. Die Verantwortlichen hatten sich eingerichtet in ihrer neuen Herrlichkeit, ihrem neuen Selbstverständnis, das sich innerhalb dieses Jahres gewandelt hat. Vom Underdog zum Favoriten - auch für die Öffentlichkeit. Der Druck hat zugenommen, die Aufmerksamkeit, die Erwartungshaltung. Die DFB-Frauen waren nach der furiosen Europameisterschaft im vergangenen Jahr Mitfavorit auf den Titel, das sagten Spielerinnen und Trainerinnen auch stets von sich selbst.

Mit jeder Spielminute verzweifelter

Nur das Team ist nicht im gleichen Maße mitgewachsen, im Gegenteil. Für die zahlreichen Ausfälle in der Abwehr gab es keine gleichwertigen Back-ups, auf den Außenverteidigerpositionen spielten mit Svenja Huth und Chantal Hagel (ab der zweiten Partie) zwei angestammte Offensivspielerinnen. Doch die Schuld am Aus trifft keine einzelnen Spielerinnen, es ist ein kollektives Desaster, das fassungslos macht. Denn die Partie gegen Kolumbien war ein Warnschuss, die geeignete Reaktion aber blieb gegen Südkorea aus.

Ja, die Kolumbianerinnen haben im Parallelspiel gegen Marokko ihrerseits ebenfalls verloren - sind trotzdem weiter - und haben dem DFB-Team damit keine Schützenhilfe geleistet, doch das kann auch nicht die Erwartungshaltung gewesen sein, die Deutschen hätten es selbst richten können und müssen. Im Gruppenendspiel gegen Südkorea fand das DFB-Team allerdings wie schon gegen Kolumbien zuvor nie zu seinem Können. Als bereits nach fünf Minuten das 0:1 fiel, reagierten sie verunsichert und hektisch. Pässe kamen nicht an, Flanken gerieten zu tief oder zu lang. Die Frauen, die vor dem Turnier gesagt hatten, Standard-Weltmeister werden zu wollen, zeigten das erneut nicht.

Der Wille ist den Frauen nicht abzusprechen, auch in der langen Nachspielzeit rannten sie noch an. Allerdings ohne Durchschlagskraft. Die größentechnisch deutlich unterlegenen Südkoreanerinnen hielten die Deutschen erfolgreich vom Torschuss ab. Mit jedem Ball, der wieder irgendwo hängen blieb, wurden sie nervöser, mit jeder verrinnenden Spielminute verzweifelter.

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Dabei passt das Ergebnis zum gesamten Jahr. Hatte das Team von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg bei der EM noch groß aufgetrumpft und sich in einen Rausch gespielt, kam diese Stimmung in Australien nicht auf. Der DFB-Tross hatte sich stets darauf berufen, dass die schlechten Spiele gegen Vietnam und Sambia in der unmittelbaren WM-Vorbereitung keinen Anlass zur Sorge bereiten, im vergangenen Jahr war es vor der Abreise nach England auch nicht gelaufen und dann hatte fast alles geklappt.

Es ist ein historisches Debakel, das noch richtig teuer werden kann. Die Bundestrainerin und auch Kapitänin Alexandra Popp etwa wollen nicht sofort über ihre Zukunft sprechen, Rücktritte von den ganz großen Aushängeschildern sind nicht auszuschließen. Und noch schlimmer: Wieder einmal wurde der Aufschwung nicht mitgenommen, es wäre eine Katastrophe, wenn die Öffentlichkeit den Fußball der Frauen jetzt wieder aus den Augen verliert. Der Absturz von Wolke 7 ist heftig. Einer für die Geschichtsbücher.

Quelle: ntv.de

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