Stürmer-Star war in Özils Lage Aubameyangs Irrflug endet im Camp Nou Spotify
01.02.2022, 14:59 Uhr
Aubameyangs Welt steht mal wieder Kopf.
(Foto: picture alliance / empics)
Der Deadline Day ist der wichtigste Tag im Fußball-Kalender. Nicht für alle, klar. Das sind keine Fans. Die Stars hingegen leiden. Sie hängen an Flughäfen fest, warten auf Zusagen. Die Fans drücken nur hektisch "aktualisieren". Dieser Tage sorgen besonders Aubameyang und Barcelona für Unterhaltung.
Deadline Day! Dieses Kribbeln. Reporter, die irre Informationen in die Welt hinausposaunen. Fans, die ohne Flightradar nicht mehr können. Spieler, die an Flughäfen warten. Faxmaschinen, die nicht funktionieren. Der wichtigste Tag im Fußballkalender. In den letzten Stunden des Transferfensters legen sich Spieler, Vereine und Presse gerne so richtig ins Zeug. Dann sind sie im besten Sinne Unterhaltungsindustrie. Dann geht es nicht mehr um das, was unten auf dem Platz passiert, sondern um das, was sein könnte, wenn der Fußball eine Simulation wäre. Der Deadline Day produziert irrwitzige Geschichten. Er hat sich in manchen Kreisen zu einer Parallelerzählung entwickelt. Der Fußball bedient diesen Markt gerne. Der Fußball bedient jeden Markt gerne. Diesen hier aber besonders gerne.
Die womöglich schönste Geschichte im Januar erzählte der ehemalige BVB-Star Pierre-Emerick Aubameyang. Der hatte sich am frühen Montag in den Flieger nach Barcelona gesetzt, um näher an seiner neuen Heimat zu sein. Er hatte alles genau geplant. Und sein Vater praktischerweise eine Wohnung in der Stadt der Olympischen Sommerspiele von 1992. Ab nach Barcelona, dort wurde er am frühen Montag fotografiert, aber von niemand in Empfang genommen. Bei Arsenal wusste niemand davon, beim katalanischen Giganten auch nicht. Die Kurzform: Aubameyang reiste erst zurück in Richtung England, dann wieder nach Barcelona. Lang lebe der Privatflieger! (Noch mehr dazu beim Kollegen Till Erdenberger, der es hier wunderbar aufgeschrieben hat).
Spielt Auba bald im "Camp Nou Spotify"?
Alles wurde gut. Als der Deadline Day auf die Ziellinie ging, war Aubameyang kein Arsenal-Spieler mehr. Spanische Quellen berichten ntv.de: Aubameyangs Vertrag mit Arsenal wurde in der letzten möglichen Minute aufgelöst. Eine nervenzerfetzende Punktlandung, die die Tür zum Transfer wieder öffnete. Alles lief parallel. Arsenal wollte ihn loswerden. Tat alles dafür. Aubameyang ließ seinen Vertrag final ausarbeiten, absolvierte den Medizincheck. Dann das Warten - wie auch bei Barcelonas Präsident Joan Laporta, der sich sodann in seinem Büro eine Pizza gönnte, wie die aufgeregten Reporter in die Welt sendeten. Über den Belag der Pizza wurde leider nichts bekannt. So ist der Deadline Day. Offen und doch zugleich verschwiegen, wenn es um die letzten Details geht. Der vertragsfreie Spieler soll nun irgendwann im Laufe dieser Woche vorgestellt werden. Keine Eile.
Die den Vertrag betreffenden Details bleiben vorerst auch nebulös. Aubameyang soll auf viel Geld verzichten, um für Barcelona auflaufen zu können. Die sind bekanntlich mehr als klamm, haben Schulden von über 1,3 Milliarden Euro. Die enorme Höhe der Schulden führt nun auch zu Ermittlungen der Justiz wegen des Verdachts der Wirtschaftskriminalität. Ein Krieg tobt. Die aktuelle Vereinsführung wirft der Leitung des Vorgänger-Präsidenten Josep Maria Bartomeu Veruntreuung und "schwerwiegende kriminelle Handlungen" vor. Laporta spricht von "Zahlungen ohne Anlass, Zahlungen mit vorgetäuschtem Anlass und völlig überzogenen Zahlungen".
Kein Geld, interner Krieg und in der Liga nur auf Platz fünf, aktuell also außerhalb der Champions-League-Ränge. Nachlegen hieß es also trotz der finanziellen Schieflage. Mit Ferran Torres, Adama Traoré und jetzt Aubameyang wurden gleich drei Spieler aus der Premier League verpflichtet. Sie alle könnten dann, wenn sie so lange Barcelona-Spieler bleiben, ab kommenden Sommer im "Camp Nou Spotify" auflaufen. Geld muss her. Der von Neil Young attackierte Streaming-Dienst soll zwischen 60 und 65 Millionen Euro in die Hand nehmen wollen. Gutes Geld. Sitzen blieb der hoch verschuldete Klub jedoch auf Ousmane Dembélé. Der ehemalige Spieler von Borussia Dortmund, Sie erkennen das Muster, stand erst kurz vor einem Wechsel zu Paris St. Germain und dann zum ehemaligen BVB-Trainer Thomas Tuchel nach London zum aktuellen Champions-League-Sieger FC Chelsea. Ging er aber nicht. Dembélé, der bei Barcelona in Aubameyangs Arsenal-Rolle feststeckt, wird den Klub erst im Sommer und dann ablösefrei verlassen.
Aubameyangs langer Weg hinab
Zurück zu Aubameyang: Schon länger hatte sich die Karriere des Kapitäns der Gabuner Nationalmannschaft auf Talfahrt befunden. Begonnen hatte alles im Sommer 2020. Im Herbst 2019 hatte er das Kapitänsamt vom ehemaligen Gladbacher Granit Xhaka übernommen, der den eigenen Fans ein wenig freundliches "Fuck Off" zugerufen hatte.
Im ersten Pandemiesommer dann gewannen die Gunners unter Kapitän Pierre-Emerick Aubameyang den FA Cup. Der Stürmer erzielte beide Treffer zum 2:1 gegen Chelsea und schritt zur Pokal-Übergabe. Er nahm ihn vom klinisch reinen Podest, spazierte stolz zur Mannschaft und ließ die Trophäe fallen. Danach gelangen ihm weniger Tore, viel weniger Tore. In seinen ersten beiden vollen Spielzeiten für Arsenal hatte er je 22 Liga-Treffer, plötzlich waren es nur noch zehn und in diesem Jahr gar nur vier in immerhin 14 Einsätzen. Zu wenige. Er verlor unter Trainer Mikel Arteta Stück für Stück seinen Platz im Team und übernahm die Rolle des Aufständischen und Reisenden, die ihn bereits zu seinen Dortmunder Zeiten hin und wieder auf die Tribüne gebracht hatte.
Das alles zu einem hohen Preis für Arsenal, die Woche für Woche rund 400.000 Euro und pro Jahr damit über 20 Millionen Euro auf Aubameyangs Konto überwiesen haben soll, wie das Online-Magazin "The Athletic" berichtet. Viel Geld für jemanden, der zunehmend als Störenfried empfunden wurde. Nicht von den Fans, die ihm dankbar waren, für das, was er dem Verein gegeben hat, sondern eben für den Verein. Der hatte sich in eine ähnliche Position wie schon bei Mesut Özil manövriert. Ein Star, der die Taschen des Vereins belastet und kaum noch seine Leistung abrief. Nach 163 Spielen, 92 Toren und 11 Assists für Arsenal sind die England-Jahre Aubameyangs nun vorbei.
Erinnerungen an Dortmund
Auch der vorangegangene Wechsel Aubameyangs, der das Leben eines Fußball-Stars in vollen Zügen auskostet, war nicht geräuschlos über die Bühne gegangen. 2018 hatte er bei seinem Transfer von Borussia Dortmund zu Arsenal für Aufregung gesorgt. Damals war am Dortmunder Landgericht gerade der Prozess gegen Sergej W. angelaufen. Der hatte im Jahr zuvor probiert, das Leben der Spieler von Borussia Dortmund auszulöschen, um damit an der Börse Geld zu verdienen. Nach 11 Monaten Prozess verurteilte ihn das Gericht im November 2018 zu 14 Jahren Haft. Das Schwurgericht erklärte ihn des 28-fachen Mordversuchs und der Herbeiführung einer Strengstoffexplosion für schuldig.
Als Aubameyang jedoch am 29. Januar 2018 als Zeuge im Saal 130 geladen war, hatte der Stürmer sich längst aus dem Staub gemacht. Offiziell krankgeschrieben, finalisierte er in diesen Stunden seinen Transfer nach London. Erschienen war damals jedoch Marc Bartra. Der spanische Verteidiger war bei dem Anschlag schwer am Arm verletzt worden und sagte: "Ich bin froh, noch am Leben zu sein."
Nach Bartras Aussage im Zeugenstand hatte es kurzzeitig Aufregung gegeben. Die von den Journalisten in die Welt transportierten Aussagen hatten laut Aussagen des Spielers nicht der Wahrheit entsprochen. Das war nicht der Fall. Sie hatten in der Tat der Wahrheit entsprochen. Doch weil dort ein Fußballer befragt wurde, einer, der von einem schrecklichen Anschlag beinahe aus dem Leben gerissen worden war, griffen die Mechanismen des Geschäfts. Die Leistungsfähigkeit Bartras sollte so kurz vor seinem Wechsel zu Real Betis nicht infrage gestellt werden. Auch das war eine Geschichte rund um den Deadline Day. Sie war weniger schön.
Quelle: ntv.de