Fußball

Legia-Fans komplett daneben BVB kantert und verzückt Trainer Tuchel

Glücklich in Warschau: Mario Götze, Raphael Guerreiro und Ousmane Dembele.

Glücklich in Warschau: Mario Götze, Raphael Guerreiro und Ousmane Dembele.

(Foto: imago/East News)

Warschaus Trainer spricht von einer Katastrophe. Und es stellt sich die Frage, was solche Teams in der Champions League zu suchen habe. Dortmunds Thomas Tuchel ist das nach dem Kantersieg egal. Der BVB setzt eigene Maßstäbe.

Es ist erstaunlich, wenn man Raphael Guerreiro nach einem Spiel in der Mixed Zone begegnet. Der junge Mann ist 22 Jahre alt, Fußball-Europameister mit Portugal, aber er wirkt in seiner Schmächtigkeit wie ein Pennäler, den man fragen möchte, ob er sein Pausenbrot auch gegessen hat. Dabei muss man sich über diesen Spieler keine Sorgen machen, weil er ganz genau weiß, was er tut und noch dazu brillant Fußball spielen kann.

Warschau - Dortmund 0:6 (0:3)

Tore: 0:1 Götze (7.), 0:2 Sokratis (15.), 0:3 Bartra (18.), 0:4  Guerreiro (51.), 0:5 Castro (76.), 0:6 Aubameyang (87.)
Legia Warschau: Malarz - Bereszynski, Czerwinski,  Dabrowski, Guilherme - Jodlowiec - Odjidja-Ofoe, Moulin (76.  Radovic) - Kazaishvili (66. Aleksandrov), Langil - Prijovic (63. Nikolic)
Borussia Dortmund: Bürki - Piszczek, Sokratis, Bartra, Schmelzer - Weigl  (79. Ginter) - Götze (75. Castro), Guerreiro - Pulisic, Dembele (75. Mor) - Aubameyang
Schiedsrichter: Sergej Karassew (Russland)
Zuschauer: 28.000
Torschüsse: 9:29 Ecken: 8:7
Ballbesitz: 35:65 % Zweikämpfe: 52:72

Nach dem Abpfiff des unglaublich einseitigen 6:0 (3:0)-Erfolgs von Borussia Dortmund beim polnischen Meister Legia Warschau strahlte Guerreiro. Dieser Spieler, so der Eindruck, ist erst am Anfang einer tollen Entwicklung. Der Linksfuß hat bei Tuchel noch nicht viele Einsatzzeiten bekommen, in der polnischen Hauptstadt zeigte er an diesem Mittwochabend jedoch, wie enorm sein Potenzial ist. Der Guerreiro hatte viele tolle Szenen, erzielte das 4:0, sein Zusammenspiel mit Götze war eine Augenweide. "Gute Fußballer verstehen sich in der Regel", sagte Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc, "da ist es egal, wenn sie nicht die gleiche Sprache sprechen."

Guerreiro war einer von vielen Dortmundern, die einen befriedigenden Abend hatten. In erster Linie galt das für Thomas Tuchel, der nicht nur sein erstes Champions-League-Spiel erlebte, sondern auch noch einen Kantersieg feierte. "Es war ein besonderes Erlebnis, schließlich gibt es eine Premiere nur ein Mal", berichtete der 42-jährige Schwabe nach dem Abpfiff einer frappierend unspannenden Begegnung, in der die Dortmunder das Spiel bereits in der Angangsphase zu ihren Gunsten entschieden. Tuchel hatte vorher verkündet, diese Partie sei für ihn wie Weihnachten und Geburtstag am gleichen Tag. Eine Stunde nach dem Abpfiff berichtete er, es habe sich "tatsächlich so angefühlt". Vor dem Spiel habe er "wahnsinnig viele Nachrichten von meiner Familie und engen Freunden bekommen, die meinen Weg begleitet haben".

Was Tuchel zu sehen bekam, wird ihn verzückt haben, auch wenn es alles andere als aufregend war. Bereits nach 17 Minuten stand es nach Toren von Götze, Sokratis und Marc Bartra 3:0, schneller ist in der Geschichte der europäischen Königsklasse noch nie ein Verein so hoch in Führung gegangen. Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc sprach von einer "extrem guten ersten halben Stunde, in der wir unsere Klasse und unsere Geschwindigkeit optimal auf den Platz bekommen haben". Diese Interpretation hatte er nicht exklusiv. Allerdings wusste Mario Götze das Geschehen genau einzuschätzen: "Dieses Spiel müssen wir richtig einordnen. Das war nicht Real Madrid."

Stimmt, der Gegner war unglaublich schlecht, wahrscheinlich wäre die F-Jugend der Königlichen ein härterer Widersacher gewesen. Der BVB hätte das Resultat locker in den zweistelligen Bereich treiben können, wäre er mit seinen üppig vorhandenen Möglichkeiten nicht so fahrlässig umgegangen. Allein Pierre-Emerick Aubameyang hatte fünf bis sechs Treffer auf dem Fuß, am Ende freute er sich über das eine Tor, das ihm kurz vor dem Abpfiff zum 6:0-Endstand gelang.

Fans von Legia unterirdisch

Nach dem Abpfiff wurde jedoch nicht in erster Linie über die Klasse der Dortmunder debattiert, sondern über den Gegner aus der polnischen Hauptstadt. Irgendwann sollte man die Sinnfrage stellen, wenn Teams wie Bayern-Gegner Rostov, Celtic Glasgow oder Legia Warschau nicht einmal unterstes Bundesliga-Niveau präsentieren. Da mutet es beinahe grotesk an, wenn Bayerns Aufsichtsratsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge eine Champions-League-Reform preist, die den Einfluss der führenden Klubs weiter zementiert, anstatt den Rest Europas näher an die ohnehin schon Lichtjahre entfernte Spitze zu bringen.

Warschaus Trainer Besnik Hasi nimmt die exorbitante Leistungsdifferenz mit fatalistischer Attitüde zur Kenntnis: "Dieses Ergebnis ist eine Katastrophe, aber auch ein realistisches Abbild der Kräfteverhältnisse", sagt der Kosovo-Albaner: "Borussia Dortmund musste nicht einmal 100 Prozent geben, um uns so klar zu besiegen." Sein Dortmunder Pendant übte sich in diplomatischer Zurückhaltung, als er auf das erschreckend schwache Niveau des Gegners angesprochen wurde: "Es lohnt sich nicht, über die Qualität des Gegners zu philosophieren. Wir setzen unsere Maßstäbe nur für uns. Das war ein Champions-League-Gruppenspiel, da ziemt es sich nicht, dem Gegner die Qualität abzusprechen."

Das mangelhafte Niveau war allerdings nicht nur auf dem Rasen, sondern auch auf den Rängen zu beobachten. Fans von Legia benahmen sich komplett daneben, als sie den Dortmunder Fanblock mit Pfefferspray attackierten und noch dazu fürchterliche Sprechchöre "Jude, Jude, Borussia" skandierten. Es wird interessant, wie die Uefa, die während Champions-League-Begegnungen mehrmals ihren Anti-Rassismus-Spot ausstrahlt, auf solche Eskapaden reagiert.

Quelle: ntv.de

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