Fußball

So läuft der Meilenstein im Mythos BVB will Anfield genießen & Klopp schlagen

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Trotz deutscher Horrorbilanz an der Anfield Road: Dortmund geht selbstbewusst ins Europaliga-Rückspiel beim FC Liverpool. Trainer Tuchel kündigt an: "Wir sind hier, um anzugreifen, um etwas zu riskieren." Das könnte klappen.

Worum geht es?

Die Lage ist angenehm übersichtlich: Beide Teams wollen das Europaliga-Finale am 18. Mai in Basel erreichen, um es anschließend zu gewinnen. Der BVB, um seine Trophäensammlung zu komplettieren. Der FC Liverpool, um sich doch noch für die Champions League zu qualifizieren. Doch in diesem Viertelfinalrückspiel geht es auch um: Mut, Meilensteine, Möglichkeiten. Und um einen Mythos. Denn nichts weniger ist das legendäre Stadion Anfield Road, wo der FC Liverpool (ab 21.05 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) Borussia Dortmund empfängt. Die Worte wurden immer größer, als erst Liverpools Trainer Jürgen Klopp in einer Turnhalle auf Kunstrasen und später sein Dortmunder Kollege Thomas Tuchel im überfüllten Anfield-Presseraum dozierte. "Es geht immer darum, mutig zu sein, und besonders gegen Topteams", sagte Klopp vor dem zweiten Duell mit seinem Ex-Klub. "Wir haben keinen Druck, wir haben eine Chance."

Liverpool - Dortmund, 21.05 Uhr

FC Liverpool: Mignolet - Clyne, Lovren, Sakho, Moreno - Allen, Can - Milner, Firmino, Coutinho – Sturridge: - Trainer: Klopp
Borussia Dortmund: Weidenfeller - Durm, Hummels, Sokratis, Schmelzer - Weigl, Sahin - Mkhitaryan, Gündogan, Reus – Aubameyang. Trainer: Tuchel
Schiedsrichter: Cüneyt Cakir (Türkei)

Vorfreude statt Verkrampfung, den Mythos genießen statt in Bewunderung erstarren - darauf legte auch Tuchel den Fokus: "Es ist sehr aufregend hier zu sein, um die Konstellation zu wissen, hier in Anfield gegen Liverpool ein K.o.-Spiel zu bestreiten." Er sagte das recht entspannt, nachdem er die vor dem Presseraum ausgestellten Replikate von Liverpools fünf Landesmeister-Pokalen studiert hatte. Seine schon "riesige Vorfreude und Aufgeregtheit" vor den Spielen in Porto und Tottenham werde noch einmal "deutlich getoppt", bekannte Tuchel: "Und ich glaube, es geht meinen Spielern sehr ähnlich." Das Spiel in Liverpool, im Mythos Anfield, gegen BVB-Rekordtrainer Klopp, es könne zu seinem "kleinen Meilenstein" für den BVB werden - wenn der die Herausforderung besteht.

Wie stehen die Vorzeichen?

Im Hinspiel war der Hype letztlich größer als der Fußball, die gängige Meinung ist: Der FC Liverpool hat ziemlich gut gespielt für seine Verhältnisse und die Dortmunder Borussia ziemlich mittelmäßig für ihre. Heraus kam ein mittelprächtiges 1:1. Gemäß der Europapokal-Logik, die Auswärtstore belohnt, geht der LFC also mit einem Vorteil ins Rückspiel. Gemäß der Logik der Herren Klopp und Tuchel ist dieses Liverpooler Tor völlig irrelevant.

Für Klopp wird es vielmehr "auf die Atmosphäre ankommen. Die kann den Unterschied ausmachen". Anfield soll brennen, und zwar noch mehr als beim Stimmungsspektakel im Achtelfinale gegen Manchester United. Auch Tuchel lässt das Hinspiel kalt. Natürlich müsse sein Team ein Tor schießen, aber das hat der BVB in Pflichtspielen in dieser Saison schon 119 Mal geschafft. Auch die miserable Europapokal-Statistik deutscher Teams in Anfield mit null Siegen und drei torlosen Remis bei zwölf Niederlagen und maximal einem deutschen Tor schreckt ihn nicht. "Wir sind hier, um neue Potentiale auszuschöpfen, zu sehen, wie weit wir sind, hier in Anfield", stellte Tuchel klar und nahm jene Fahrt auf, die sein Team im Hinspiel vermissen ließ: "Wir wollen Tore schießen, nicht eins, sondern zwei, vielleicht mehr. Wir sind hier, um anzugreifen, um etwas zu riskieren, um das Spiel zu genießen. Wir wissen, dass wir unsere Bestleistung zeigen müssen. Aber wir werden bereit sein."

Wie sind die Dortmunder drauf?

Nach der kollektiven Dortmunder Verkrampfung bei der ersten Rückkehr Klopps hatte Tuchel bei seinem Team ein Lächeln vermisst. In Liverpool scheint es zurückgekehrt. Gelöst und sehr ruhig wirke die Mannschaft auf ihn, sagte Tuchel vor dem Abschlusstraining. Und sie lachte und winkte, als einige Fans beim ersten Rasentest in Anfield "Heja BVB" und "Weidenfeller, Weidenfeller, hey, hey, hey"-Gesänge anstimmten. "Man kann die Energie, die einem eine solche Situation gibt oder nimmt, nicht leugnen", sagte Tuchel rückblickend über die "spezielle Situation" in Dortmund, deren emotionale Nebenwirkungen er unterschätzt hatte.

Zurück in der Startelf: Ilkay Gündogan.

Zurück in der Startelf: Ilkay Gündogan.

(Foto: imago/Team 2)

Das Rückspiel in Liverpool, glauben sie in Dortmund, wird einfacher, enthemmter. "Wenn ich höre, dass der Druck für uns größer ist als für Liverpool, lache ich mich tot", tönte BVB-Boss Hans-Joachim Watzke: "Die ganze Wiedersehens-Arie ist jetzt durch. Ich weiß, dass die Mannschaft zu 120 Prozent bereit ist." Selbstbewusstsein schöpft der BVB aus der Tatsache, dass man kaum noch einmal so schlecht spielen könne wie vor einer Woche. Nach Tuchels Großrotation im Revierderby auf Schalke sind alle Stars fit. Zudem kehrt Spielmacher Ilkay Gündogan in die Startelf zurück, er soll die zuletzt verlorengegangene Konsequenz und Leichtigkeit ins Dortmunder Offensivspiel zurückbringen. Auch wenn ein Remis mit mindestens zwei Toren reichen würde, will BVB-Sportdirektor Michael Zorc mehr: "Wir waren das erste deutsche Team, das bei den Tottenham Hotspur gewonnen hat. Jetzt wollen wir als erstes deutsches Team auch in Liverpool gewinnen."

Wie ist Liverpool drauf?

Immer besser. Nach dem gefühlten Sieg in Dortmund legten die Reds am Wochenende "ein perfektes Spiel" (Klopp) nach. Gegen Stoke City siegten sie an der Anfield Road leicht und locker mit 4:1 (2:1), obwohl Klopp sein Team auf sieben Positionen umgebaut hatte. Vor allem Dortmund-Schreck Divock Origi, im Hinspiel Schütze von Liverpools 1:0, überragte mit zwei Jokertoren nach der Pause. Der 20-jährige Belgier gilt als Trainerliebling und als Symbol für den Liverpooler Aufschwung, der sich vor allem in der Offensive bemerkbar macht: 28 Ligatore hat Liverpool 2016 erzielt, mehr als jedes andere Premier-League-Team.

Gegen Stoke spielte Origi in der zweiten Halbzeit zusammen mit Nationalstürmer Daniel Sturridge, den er zuletzt aus der Startelf verdrängt hatte - beide überzeugten. Ob das auch eine Variante gegen den BVB sein könnte, ließ Klopp offen. Fakt ist: Anders als bei seinem Dienstantritt vor sechs Monaten hat er jetzt personelle Alternativen in allen Mannschaftsteilen und ist taktisch flexibler, auch wenn Kapitän Jordan Henderson wegen einer Knieverletzung fehlt. "Ich muss jetzt harte Entscheidungen treffen", sagte Klopp: "Das ist nicht mein Hobby, aber für einen Trainer das Beste." Der BVB ist für Klopp zwar weiterhin Favorit, sein Team wisse aber um seine große Chance und werde entsprechend auftreten: "Wir werden ganz sicher nicht die weiße Flagge schwenken."

Was gibt es sonst noch?

BVB-Fans, die angeblich vorab die weiße Flagge geschwenkt haben sollen - als sie vom "Kicker"-Interview mit George Sephton erfahren haben. Der 70-Jährige ist seit 45 Jahren die "Stimme von Anfield" und überzeugt: "Die Dortmund-Fans werden sich hier wohlfühlen." Nur: Für den Borussen-Besuch hat Sephton eigens seine Playlist überarbeitet. Helene Fischers "Atemlos" und David Bowies "Heroes" auf Deutsch gehören schon seit der Klopp-Verpflichtung zum Repertoire, nun hat Sephton nachgekauft - und sich, topaktuell, "eine Rammstein-CD besorgt und die größten Hits der Scorpions gekauft". Da klingt es tröstlich, wenn Sephton ankündigt: "Die Beatles werden natürlich nicht fehlen." Knackpunkt ist der Nachschub: "Ich denke an 'She loves you'. Auf Deutsch."

Quelle: ntv.de

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