Fußball

"Heute wird viel Liebe gemacht" Barças Neymar zerlegt jämmerliches PSG

Alle lieben Neymar, zumindest in Barcelona.

Alle lieben Neymar, zumindest in Barcelona.

(Foto: imago/Agencia EFE)

Bis zwei Minuten vor Abpfiff des Champions-League-Achtelfinals zwischen Barcelona und Paris glaubt kaum noch jemand an das katalanische Wunder. Doch dann kommt Neymar und lässt PSG spektakulär kollabieren.

Die fünfte Minute der Nachspielzeit läuft. Ein Tor braucht der FC Barcelona noch. Ein verdammtes Tor, um die spektakulärste Aufholjagd mit dem spektakulärsten Finish der europäischen Fußball-Geschichte zu krönen, um Paris St. Germain nach dem 0:4-Debakel im Hinspiel vor drei Wochen doch noch aus dem Achtelfinale der Champions League zu kicken. Und in dieser fünften Minute der Nachspielzeit landet der Ball schließlich einmal mehr beim alles überragenden Neymar. Der Brasilianer löffelt den Ball in den Strafraum. Dort stiehlt sich Sergi Roberto von seinem apathischen Gegenspieler weg, macht sich lang, streckt das rechte Bein aus, trifft den Ball, Tor, 6:1, nächste Runde. Unfassbar.

Barcelona - PSG 6:1 (Hin: 0:4)

Tore: 1:0 Suarez (3.), 2:0 Kurzawa (40., Eigentor), 3:0 Messi (50. Foulelfmeter), 3:1 Cavani (62.), 4:1 Neymar (88.), 5:1 Neymar (90.+1, Foulelfmeter), 6:1 Sergi Roberto (90.+5)

Barcelona: ter Stegen - Mascherano, Pique,  Umtiti - Busquets - Rakitic (84. Gomes), Iniesta (65. Arda Turan) - Messi - Rafinha (76. Roberto), Suarez, Neymar

Paris: Trapp - Meunier (90.+3 Krychowiak), Marquinhos, Silva, Kurzawa - Rabiot, Matuidi - Lucas (55. Di Maria), Verratti, Draxler (75. Aurier) - Cavani

Schiedsrichter: Deniz Aytekin
Zuschauer: 96.290

Die totale katalanische Eskalation. Torschütze Roberto entdeckt nach 95 Minuten voller Leidenschaft und Spektakel ungeahntes Kraftpotenzial. Er rennt, rennt und rennt – und alle Mann, sofern sie dem FC Barcelona in irgendeiner Funktion angehören, hinter ihm her. Freudentränen, Freudenschreie und ungefilterte Emotionen: "Die Krankenhäuser müssen in den nächsten neun Monaten mehr Krankenschwestern einstellen, denn heute Nacht wird unendlich viel Liebe gemacht", schreit Barças Abwehrchef Piqué völlig beseelt von dem wahnwitzigen Ende eines Fußball-Dramas.

Denn es war ja nicht nur die 95. Minute, die dieses Spiel so legendär macht. Es ist ein Hoffen, Bangen, Leiden und Eskalieren auf Seiten der Katalanen und ein sehenden Auges Ins-Verderben-Rennen der Franzosen. Der Auftakt für die Gastgeber: perfekt. Nach drei Minuten trifft Luis Suarez. Kurz vor der Pause das 2:0 durch ein von Spielmacher Andres Iniesta per Hacke erzwungenes Eigentor des Parisers Layvin Kurzawa (40.). Halbzeit, hoffen. Fünf Minuten nach Wiederanpfiff die nächste Stufe der Eskalation: Lionel Messi, Elfmeter, 3:0. Das Wunder ganz nah - trotz teilweise quälenden Fußballs. Dann der knallharte Dämpfer in Minute 62, der Uruguayer Edinson Cavani macht per Weltklasse-Dropkick in den Knick das so wichtige Auswärtstor (1:3). Das Wunder wieder ganz weit weg.

"Beste Spiel, das ich je gespielt habe"

Der Knock-Outer: Sergi Roberto.

Der Knock-Outer: Sergi Roberto.

(Foto: imago/Jan Huebner)

Die Zuschauer gehen dennoch nicht. Sie setzen auf die Magie ihrer Künstler. Und sie werden belohnt. Spät, sehr spät, Nervenzehrend, oft zäh, aber wahnwitzig mit einem historischen Sieben-Minuten-Finish, in dem das plötzlich völlig verunsicherte PSG nur noch vier Pässe an den Mann bringt - drei davon nach eigenem Anstoß. Neymar zunächst per Zauber-Freistoß (88.), 4:1, Neymar dann per Strafstoß nach einer Schwalbe von Suarez (90.+1), 5:1 und dann schließlich der artistische Roberto nach Neymars Löffel-Vorlage zur ekstatischen Krönung. Barcelona zelebriert sich zum zehnten Mal in Folge im Viertelfinale der Königsklasse, neuer Champions-League-Rekord.

"Nach dem Tor von Cavani haben wir die Köpfe hängen lassen. Nach dem vierten Tor haben wir dann aber gehofft. Wir waren so heiß auf dieses Spiel. Das war das beste Spiel, das ich je gespielt habe. Eine Mannschaft wie Barça kann jedes Spiel aufholen", jubelte der brasilianische Matchwinner wenige Minuten nach Abpfiff. Und auch die spanische Presse war am Morgen danach total euphorisiert: "Die Hauptrolle spielte Neymar, grandios vom Anfang bis zum Ende und der Held war am Ende Sergi Roberto", feierte "El Pais". Die "Sport" beobachtete: "Es schien so, als ob der Ball an den Füßen der Barça-Spieler brannte."

Die "Marca" adelte unterdessen die Mentalität der Katalanen: "Ob Zufall oder nicht, Barça tat genau das, was seinen Trainer während seiner ganzen Laufbahn als Spieler auszeichnete: rennen und glauben, glauben und rennen bis zum letzten Atemzug, selbst wenn niemand mehr an den Sieg glaubt. Wir erinnern uns, der Fußball ist auch dies. Herz, Herz, Herz, Herz, Herz und in der 95. Minute: Herz."

"Jämmerlich, was sich vor unseren Augen abspielte"

So groß der Jubel in Spanien, so vernichtend die Kritik in Frankreich: "Drei Wochen nach einer der größten Heldentaten seiner Geschichte, erlebt PSG einen seiner schlimmsten Albträume. Das Schlimmste an all dem ist, dass Lionel Messi noch abwesend schien, so wie in Paris." schimpfte die "L'equipe" und sieht nicht nur den Job von Trainer Unai Emery in Gefahr, sondern das gesamte PSG-Projekt durch diese Demütigung gefährdet. Noch härter teilte der "Figaro" aus: "Paris brach zusammen. Vollständig jämmerlich, was sich vor unseren aufgerissenen Augen abspielte, war völlig irrational."

Irrational ja, aber von einem indes noch einen Tag vor diesem historischen vorhergesehen. Nämlich vom in der Vergangenheit oft so hart kritisierten und zum Saisonende scheidenden FCB-Coach Luis Enrique: "Wenn sie in der Lage sind, gegen uns vier Tore zu schießen, können wir auch sechsmal treffen", hatte er gesagt und beschwor dafür auch das Übernatürliche: "Wenn die Sterne günstig stehen, können wir das Ergebnis drehen. Wir haben nichts zu verlieren, aber eine Menge zu gewinnen." Und wenn es dafür die fünfte Minute der Nachspielzeit braucht. Egal.

Quelle: ntv.de

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