Große Entscheidung nach FinaleDFB-Titanin Berger macht sich selbst zum Geheimnis
Von Anja Rau
Erst alles halten, dann reden. So ist der Plan von Ann-Katrin Berger für die kommenden Tage vor dem Finale der Nations League. Mit den DFB-Frauen kann die Torhüterin den ersten Titel seit 2016 gewinnen. Gemeinsam mit Bundestrainer Christian Wück geht es dann um die Zukunft.
Erst die Trophäe, dann der Abschied? Womöglich steht Ann-Katrin Berger am heutigen Dienstag ein letztes Mal im Tor des DFB-Teams. Wenn es in Madrid gegen Spanien um den Titel in der Nations League geht (18.30 Uhr/ARD und im ntv.de-Liveticker). Es wäre das Ende einer kurzen, aber heftigen Zeit als Nummer eins beim Deutschen Fußball-Bund.
Gerade einmal 28 Spiele hat sie bislang absolviert. Erst zu den Olympischen Spielen 2024 war Berger von Interims-Bundestrainer Horst Hrubesch zur Stammtorhüterin erkoren worden. Es folgte der Gewinn der Bronzemedaille. Die ikonische Parade im EM-Viertelfinale gegen Frankreich, als Berger in der 103. Minute mit einem Rückwärtssprung den Ball am Einschlag im Netz hinderte. DFB-Kapitänin Janina Minge hatte eine französische Flanke so abgefälscht, dass der Ball eigentlich schon über Berger hinweggeflogen war. Was folgte, war eine Rettungstat, die selbst Oliver Kahn jubeln ließ. Und nun der Titel in der Nations League? Auf diesem liege ihr "totaler Fokus" sagte sie am Tag nach dem torlosen Hinspiel des Finals.
"Danach werden wir auf jeden Fall mal zusammensitzen und gucken, wie es weitergeht." Dieses "wir", das sind Berger und Bundestrainer Christian Wück. "Ich möchte da, muss ich ehrlich sagen, erstmal mit dem Trainer darüber reden und da die Informationen austauschen. Und dann werden wir von da an einfach entscheiden."
Ruhepol Berger sorgt auch für Schnappatmung
Berger ist 35 Jahre alt. Sie spielt in den USA bei Gotham FC, weswegen jede Reise zum Nationalteam Strapazen und Jetlag bedeutet. Vor den Finalspielen war ihr Flug gestrichen worden, sie kam erst einen Tag verspätet in Frankfurt an. Deswegen hatte Wück bis kurz vor dem Spiel in Kaiserslautern offengelassen, ob Berger im Tor stehen wird.
Berger stand im Tor - und hatte überraschend wenig zu tun gegen die Favoritinnen aus Spanien, die die DFB-Frauen aber gar nicht ins Spiel kommen ließen. "Ich bin furchtbar dankbar dafür, dass es auch mal ein ruhiger Abend war", sagte Berger und hätte nichts dagegen, "dass es beim nächsten Spiel genauso ist."
Nur einmal stand sie im Fokus. In der zweiten Halbzeit spielte sie einen Querpass durch den Sechzehnmeterraum, der fast von Spaniens Esther González abgefangen worden wäre. "Ich hatte die Situation unter Kontrolle. Für mich war das jetzt nicht so knapp wie vielleicht für andere in einem anderen Blickwinkel", reagierte Berger gewohnt cool. Eine Aussage, die ein Déjà-vu provoziert. Schon bei der EM hatte ihre teilweise riskante Spielweise für Aufregung gesorgt. Im Gruppenspiel gegen Dänemark hatte sie Wück an den Rand des Nervenzusammenbruchs getrieben. Sie müsse etwas ändern, "sonst werde ich nicht alt".
Natürlich weiß Wück aber, was er an Berger hat. Ihre Ruhe und Coolness können Stina Johannes vom VfL Wolfsburg und Ena Mahmutovic vom FC Bayern noch nicht ersetzen. Auch wenn Johannes in den Halbfinals gegen Frankreich überzeugte, als Berger wegen einer Knieverletzung ausfiel. "Anne ist ein Vorbild für uns alle - und für den Frauenfußball. Für uns Abwehrspielerinnen ist sie eine Bank hinten. Wir können uns immer auf sie verlassen", hatte Franziska Kett kürzlich gesagt.
Auch Johannes lobte Berger als "Weltklasse-Torhüterin": "Vor allem im Elfmeterschießen habe ich noch keine bessere erlebt. Ich lerne immer von Anne. Sie gibt mir auch viel Feedback, wir reden viel, und von daher bin ich auch immer sehr dankbar." Die zehn Jahre Jüngere stellte zudem etwas anderes heraus: "Sie ist eine hervorragende Athletin und ein noch viel hervorragenderer Mensch."
Erst 2027 steht WM-Turnier an
Einer, der offenbar vieles parallel wuppen kann. Zwischen Europameisterschaft und Gewinn der US-Meisterschaft mit Gotham Ende November erschien auch noch die Biografie von Deutschlands zweimaliger "Fußballerin des Jahres": "Wie ich den Krebs besiegte und Deutschlands beste Torhüterin wurde". Ein Titel, der quasi alles aussagt. Die Schwäbin hat zweimal den Schilddrüsenkrebs besiegt, sie hat sich davon nicht unterkriegen lassen. Es hilft ihr im Spiel zu wissen, was wirklich wichtig ist im Leben, sie hat die Ruhe weg.
Womöglich ist der Fußball eben - überraschend - nicht das Wichtigste. Berger ebnete den Weg zu ihrer möglichen Nachfolgerin: "Wir haben unfassbar gute Torhüterinnen hinten dran." Wück erklärte vor den Finalspielen über seine Zukunftsplanung: "Ich möchte ihre Meinung hören, ob sie es sich zutraut, 2027 eine WM zu spielen. Es ist wichtig, erstmal zu hören, wie sie sich fühlt, wie ihr Körper sich anfühlt." Nach dem nun möglichen Titel ist nämlich einige Zeit für das DFB-Team. Das nächste Turnier steht erst im Sommer 2027 an, wenn es in Brasilien um die Weltmeisterschaft geht.
Womöglich ändern sich bis dahin aber auch noch die Vorzeichen. Die frisch gekürte US-Meisterin, die weder im Halbfinale noch im Finale ein Tor kassierte, steht bei Gotham noch ein Jahr unter Vertrag. Schon nach der EM hatte sie im August dem "Kicker" gesagt: "Es wäre schön, am Ende meiner Karriere noch mal in Deutschland zu spielen und in der Nähe meiner Familie zu sein. Wenn es ein gutes Angebot gibt, würde ich darüber nachdenken." Das würde die Reisestrapazen natürlich minimieren.
Das alles aber ist die Zukunft. Das finale Finale in Madrid um den Gewinn der Nations League ist die Gegenwart. Nach dem 0:0 im Hinspiel ist alles offen, zumal Weltfußballerin Aitana Bonmati mit einem im Training erlittenen Beinbruch ausfällt. Sie hatte Berger im EM-Halbfinale düpiert und für das deutsche Aus gesorgt. Sollten die Weltmeisterinnen aus Spanien in ihrer Hauptstadt gegen das DFB-Team verlieren, wäre es nicht nur die gelungene Revanche, sondern für Deutschland auch der erste Titel seit den Olympischen Spielen 2016.