
Ist das hier etwa unweiblich?
(Foto: imago images/kolbert-press)
Jahrelang sperrt der Deutsche Fußball-Bund die Frauen aus. Der Sport ist unschicklich und gefährlich, lautet die absurde Begründung. Seit 50 Jahren nun sind auch Frauen im Verband zugelassen - und das soll gefeiert werden. Dabei sind längst nicht alle Probleme gelöst.
54, 74, 90, 2014 - diese Zahlen stehen für den deutschen Fußball. Genauso wie 72, 80, 96. Kaum jemandem fällt es schwer zu benennen, was dahintersteckt: Die Jahre der WM- sowie EM-Titel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Genauso wenig wundert sich kaum jemand, dass die Jahre 2003 und 2007 sowie 89, 91, 95, 97, 2001, 2005, 2009 und 2013 nicht in diesen Reihen stehen. Dabei wurde die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in diesen Jahren ebenfalls Welt- oder Europameister. Aber das war ja "nur" die Nationalteam der Frauen. Das ist ja nicht so viel wert, so scheint es.
In der Wertschätzung der DFB-Frauen läuft noch immer so einiges schief. Sie konnten ihren WM-Titel verteidigen - das ist den Männern noch nicht gelungen. Sie wurden sechsmal hintereinander Europameister - da kann erst Recht niemand mithalten. Birgit Prinz hat insgesamt 214 Länderspiele absolviert, Lothar Matthäus kommt auf 150. Da haben ihn auch noch Bettina Wiegmann (154), Anja Mittag (158), Ariane Hingst (174) und Kerstin Stegemann (191) überflügelt.
Aber es ist nicht nur die öffentliche Wertschätzung. Auch der Deutsche Fußball-Bund selbst tut sich zu häufig zu schwer. Der Verband feiert an diesem Freitag 50 Jahre Frauenfußball - "ein Meilenstein in der Geschichte" sei das Datum. Denn am 31. Oktober 1970 wurde der Frauenfußball offiziell in die Satzung des DFB aufgenommen. Ein schöner Grund zu feiern also - oder?
"Verschwindet die weibliche Anmut"
Auch ein merkwürdig anmutender Grund, schließlich war es der DFB selbst, der die Frauen zuvor jahrzehntelang aussperrte. Fußball spielten sie trotzdem, dann eben nicht organisiert im Verband. Charlotte Specht gründete 1930 den 1. DDFC Frankfurt, den ersten Fußballverein für Frauen in Deutschland. Unterstützung gab es nicht für die Metzgerstochter, sie und ihre Mitstreiterinnen wurden von verachtenden Beobachtern später gar mit Steinen beworfen, erzählte sie einst. Nach nur einem Jahr war der 1. DDFC wieder Geschichte. In der NS-Zeit war aller Fortschritt ohnehin vorbei, Frauen gehörten plakativ an den Herd.
Als sich der DFB im Jahr 1949 in der Bundesrepublik gründete, wurden die Frauen nicht eingeladen. Im Gegenteil: Als immer mehr Frauen versuchten Vereine zu gründen, vor allem im Ruhrgebiet sowie in Hamburg, eskalierte der DFB. Am 30. Juli 1955 wurde "Damenfußball" offiziell verboten. "Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut. Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anmut", hieß es zur Begründung. Eine lächerliche Erklärung, die engagierte Frauen nicht aufhielt. Das erste Länderspiel gab es am 23. September 1956 gegen die Niederlande. Selbst bei der ersten inoffiziellen Fußball-WM 1970 trat Deutschland an - der Klub SC 07 Bad Neuenahr vertrat die Bundesrepublik. Danach, an jenem 31. Oktober 1970, hatte auch der DFB ein Einsehen.
Wobei es mutmaßlich eher die Sorge war, dass die Konkurrenz für den DFB zu groß werden könnte, erlaube man nicht auch den Frauen Fußball zu spielen. Ordnung hereinbringen wollte der Verband, verschiedene Vereine hatten sich da längst organisiert zusammengetan. Und der DFB war mitnichten der große Gönner. Die Frauen durften fortan nur mit einem kleineren Ball spielen, eine Halbzeit ging lediglich über 30 Minuten. Hinter verschlossenen Türen hofften die meisten, dass diese Spinnerei der Frauen bald schon wieder vorbei sein würde. Bekanntlich kam es anders: 1974 folgte die erste offizielle deutsche Meisterschaft, die ersten Meisterinnen sind die Spielerinnen vom TuS Wörrstadt. Der Treffer zum 3:0 von Bärbel Wohlleben wurde sogar zum "Tor des Monats" der Sportschau gewählt. Die DDR hinkte beim Thema Fußball hinterher. Hier gab es sogar erst ab 1979 eine "Bestenermittlung", zuvor höchstens regionale Wettbewerbe.
Hass gibt es bis heute
Ob Ost oder West, fußballspielende Frauen wurden zumindest von Teilen der Gesellschaft - freundlich gesagt - belächelt, begafft, man spottete über Frisurenprobleme bei Kopfbällen, es hieß auch schon mal: "Statt Kinder, Küche, Kirche wird es für Deutschland jetzt öfter heißen: kicken, köpfen, kämpfen." Sprüche, über die heute geschmunzelt wird - im besten Fall. Im schlechtesten haben derartige Anmaßungen noch immer Bestand. Noch immer müssen sich die Fußballspielenden Frauen mit allerlei Unverfrorenheiten auseinandersetzen.
Anna Blässe etwa. Ein Distanzschuss der Spielerin des VfL Wolfsburg wurde im Juli dieses Jahres zum "Tor des Monats" gewählt. Anstatt das gelassen hinzunehmen oder sich besser noch für sie zu freuen, wurde die 33-Jährige in den Sozialen Netzwerken dafür "aufs übelste" beschimpft, wie Alexandra Popp, die Kapitänin der DFB-Frauen und Teamkollegin von Blässe bei den Wölfinnen, es im Podcast "Mittags bei Henning" ausdrückte. Es sei ihr nochmal "bewusst geworden, wie der Großteil der Gesellschaft über Frauen im Fußball denken", zieht Popp ein erschütterndes Fazit.
Genügend Grund für ein bisschen Provokation, genügend Grund dafür zu kämpfen, Frauen im Fußball gleichzustellen. Etwa mit dem Versuch von flapsiger Werbung wie im vergangenen Jahr vor der WM in Frankreich als die Commerzbank mit den DFB-Frauen und "Pferdeschwänzen statt Eiern" warb. Etwa mit der schwelenden Diskussion um eine Anpassung der Gehälter und der DFB-Prämien, die der DFB weiterhin nicht führen will und die auch längst nicht alle Sportlerinnen verlangen. Vom geschmackvollen Kaffeeservice, das die ersten Europameisterinnen 1989 bekamen, ist man heute immerhin schon weit entfernt.
Und ja, auch die Aufmerksamkeit, die der DFB mit der 50-Jahr-Feier schürt, hilft. Doch es bleibt ein herber Beigeschmack, dass der Verband sich für seine eigene, jahrelange Rückständigkeit feiern lässt.
Quelle: ntv.de