Das klang mal ganz anders ... DFB will umstrittene Saudi-Bewerbung "seriös" bewerten
01.11.2023, 19:48 Uhr
Die FIFA läuft ins nächste "Menschenrechtsdesaster", findet Human Rights Watch. Die De-facto-Vergabe der Weltmeisterschaft 2034 an Saudi-Arabien führt zu intensiven Diskussionen. Dem FIFA-Boss ist das egal, er feiert seinen Coup. Der DFB reagiert zurückhaltend.
Gianni Infantino jubelt, Saudi-Arabien denkt über eine Winter-WM nach - und Menschenrechtler stellen klare Forderungen. Die Diskussionen um die wahrscheinliche Vergabe der WM 2034 an den umstrittenen Wüstenstaat nehmen nach dem Ende der Deadline für Interessensbekundungen weiter Fahrt auf. Der endgültige Zuschlag steht noch aus, dennoch werden schon Rufe nach einer klaren Haltung des Deutschen Fußball-Bundes laut.
Der DFB betonte auf Anfrage, dass er "nun die Abgabe der offiziellen Bewerbung des saudischen Verbandes abwarten" werde, "um diese seriös und angemessen bewerten zu können". Diese muss bis Juli bei der FIFA eingehen, nach einer Evaluation wird der Kongress mit den 211 Mitgliedsverbänden voraussichtlich Ende des nächsten Jahres abstimmen. Die nun geäußerte Zurückhaltung will nicht zu dem passen, was DFB-Boss Bernd Neuendorf noch vor rund einem Jahr gesagt hatte: Eine künftige Vergabe an Länder wie Katar hatte er als "schwer vorstellbar" bezeichnet. Der DFB aber befindet sich inmitten des Wahlkampfes zur Frauen-WM 2027 - und sucht Unterstützer. Der Gastgeber soll am 17. Mai 2024 vom FIFA-Kongress ernannt werden.
Wenzel Michalski nimmt den DFB schon jetzt in die Pflicht. Der Verband müsse "anfangen zu arbeiten, die Ärmel hochkrempeln und Druck auf die FIFA ausüben", forderte der Deutschland-Direktor von Human Rights Watch (HRW) im Interview: "Das ist das, was sie machen müssten, aber ich sehe nicht, dass sie das machen."
"So wird der Fußball wirklich global!"
Seit Dienstag liegen die Karten jedenfalls auf dem Tisch. Das Turnier 2030 wird wohl in sechs Ländern auf drei Kontinenten stattfinden, vier Jahre später kommt nur Saudi-Arabien infrage - und FIFA-Boss Infantino ließ in einem Statement am Dienstag kaum einen Zweifel an der Vergabe an das Königreich. "Die größte Show auf Erden wird 2026 in Nordamerika von Kanada, Mexiko und den Vereinigten Staaten ausgerichtet. Die nächsten beiden Ausgaben werden in Afrika (Marokko) und Europa (Portugal und Spanien) ausgetragen - mit drei Festspielen in Südamerika (Argentinien, Paraguay und Uruguay) - im Jahr 2030 und in Asien (Saudi-Arabien) im Jahr 2034", schrieb der Schweizer bei Instagram: "Drei Ausgaben, fünf Kontinente und zehn Länder, die an der Austragung des Turniers beteiligt sind - so wird der Fußball wirklich global!"
Die Bewerbungen seien vom FIFA-Rat "nach einem konstruktiven Dialog und umfassenden Konsultationen im Konsens angenommen" worden, erklärte Infantino weiter und unterstrich die Kraft des Spiels. "Wir leben in einer zunehmend gespaltenen und aggressiven Welt und zeigen einmal mehr, dass der Fußball, der weltweit führende Sport, wie nichts anderes verbindet."
Man habe elf Jahre Zeit, "in denen basierend auf den Erfahrungen aus Katar nachhaltige Konzepte erarbeitet werden können", sagte Philip Krämer (Die Grünen), stellvertretender Vorsitzender des Sportausschusses im Bundestag, es brauche "ökologische und soziale Ziele, auf die Saudi-Arabien verpflichtet werden muss". Auch der DFB, durch Präsident Bernd Neuendorf im Council vertreten, müsse sich "hier bei den Sitzungen der FIFA positionieren". Die FIFA dagegen solle "deutlich machen, wie sie von den Gastgebern die Einhaltung ihrer Menschenrechtspolitik erwartet", sagte Steve Cockburn von Amnesty International. Und: Der Verband müsse darauf vorbereitet sein, "den Bewerbungsprozess zu stoppen, wenn ernsthafte Menschenrechtsrisiken nicht glaubwürdig angegangen werden." Es brauche "klare und verbindliche Zusagen".
"Natürlich sind wir für alle Möglichkeiten bereit"
Inmitten dieser Diskussionen treibt Saudi-Arabien, das mit horrenden Summen Stars in die eigene Liga lockte und seit Jahren in den internationalen Sport investiert, die Planungen voran - für eine Winter-WM? "Natürlich sind wir für alle Möglichkeiten bereit", sagte der saudische Verbandschef Yasser al-Misehal der Nachrichtenagentur AFP mit Blick auf eine mögliche Verlegung. Nach der erstmaligen Verschiebung einer WM in den Winter 2022 in Katar wird auch die Hitze in Saudi-Arabien bei den Vorbereitungen eine Rolle spielen. In Teilen des Landes können die Temperaturen im Sommer bis zu 50 Grad erreichen. Es gebe aber auch "viele neue Technologien, die bei der Kühlung oder dem Einbau von Klimaanlagen in den Stadien helfen", sagte al-Misehal.
Die Diskussionen über den Zeitraum, aber auch über die Lage von Arbeitsmigranten, Frauen, Minderheiten oder Regimekritikern setzen sich fort. Aus Sicht von Michalski laufe die FIFA "in das nächste Menschenrechtsdesaster", Saudi-Arabien sei "in vielen Punkten schlimmer als Katar". Aber: "Solange die WM so gefeiert wird und so viel Zuspruch bekommt", sagte er, "wird die FIFA einfach keinen Grund sehen, etwas zu verändern."
Quelle: ntv.de, tno/sid