Fußball

Moreno stresst den FC Bayern Das Sturm-Phänomen vom Dorf

Dieser Schuss von Gerard Moreno krachte an den Pfosten.

Dieser Schuss von Gerard Moreno krachte an den Pfosten.

(Foto: dpa)

Der FC Bayern bekommt im Viertelfinale der Champions League mehr Gegenwehr, als das wohl manch einer erwartet hätte. Der FC Villarreal untermauert im Hinspiel, was für eine außergewöhnliche Mannschaft er hat. Mit einem bemerkenswerten Stürmer.

Es gibt Fußballer, die sind genau dort richtig, wo sie gerade sind. Einer von ihnen ist Gerard Moreno. Der Stürmer des außergewöhnlichen Dorfklubs FC Villarreal, amtierender Europa-League-Champion und Herausforderer des FC Bayern im Viertelfinale der Königsklasse. Dort führt die Mannschaft aus der zweitgrößten Stadt der Provinz Castellón, einem herrlichen Flecken Erde an der Küstenlinie zwischen Barcelona und Valencia, nach dem Hinspiel mit 1:0. Und das hat eine ganze Menge mit Moreno zu tun. Zum einen liegt der FC Villarreal vorne, weil dieser Moreno den Münchnern immer wieder zusetzte. Mit seiner eleganten Behandlung des Balls. Mit seinen schnellen Bewegungen. Mit der Gefahr, die von fast allen seinen Aktionen ausgeht.

Der Schuss nach Neuers Fehler.

Der Schuss nach Neuers Fehler.

(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

Zum anderen liegt der FC Villarreal aber auch nur 1:0 vorne, weil unter anderem Moreno Chancen für deutlich mehr Tore ausgelassen hatte. Einmal hatte der 30-Jährige nur den Pfosten getroffen. Ein anderes Mal hatte er nach einem fürchterlichen Fehler von Manuel Neuer, er spielte den Ball im Mittelfeld in die Füße des Stürmers, den Ball aus der eigenen Hälfte per Schussbanane knapp neben das leere Tor gesetzt. Das Zuspiel auf die linke Seite, auf Arnaut Danjuma, seinen Partner in der Spitze, wäre vielleicht die bessere Wahl gewesen. Danjuma hatte in der ersten Halbzeit, nach bereits acht Minuten, das 1:0 erzielt. Nach einem prächtigen Angriff der "Submarino amarillos", dem gelben Unterseeboot.

Die Gastgeber aus der Stadt mit gut 50.000 Einwohnern, wovon nur die Hälfte in das stimmungsvolle Estadio de la Cerámica passt, hatten an diesem Mittwochabend viele Protagonisten. Die Außenverteidiger Juan Foyth und Pervis Estupian etwa. Gallig im Zweikampf, manchmal ekelig, und immer wieder bemüht, das Spiel mit schnellen Vorstößen anzukurbeln. Oder aber Daniel Parejo, die Mittelfeld-Intelligenz. Oder Abwehr-Ikone Raul Albiol, der Robert Lewandowski auf bemerkenswerte Weise versteckte. Oder Giovani Lo Celso, vor ein paar Jahren noch ein verdammt hoch gehandeltes Talent, das lange mit den Ansprüchen fremdelte, und nun mal wieder andeutete, warum er für so viele Fieberträume bei seinen Ex-Klubs Paris St. Germain und Tottenham Hotspur gesorgt hatte.

Sie haben ihn geschubst und an ihm gezogen

Aber die bemerkenswerteste Figur im Spiel von Villarreal ist Gerard Moreno, der im Alter von 30 Jahren seinen bislang höchsten Marktwert (auf der Plattform transfermarkt.de) erreicht hat. Also wertvoll ist, wie nie zuvor. Sein Einfluss auf dem Feld, gravierend. Sein Spiel, kaum zu lesen. Auch für den FC Bayern nicht. Lucas Hernández und Dayot Upamecano versuchten sich am Zugriff, sie bekamen aber bestenfalls nur mal kurz eine Hand an die Kette. Immer wieder entwischte Moreno. Auf die Art, die er so sehr liebt. Er ließ sich fallen, floh auf die Außen und war dann wieder im Zentrum präsent. Ein bisschen wie bei Thomas Müller wirkte seine Umtriebigkeit. Und alles wunderbar durchdacht. Etwa beim Abstoß von Torwart Gerónimo Rulli. Moreno schlich sich in die Nähe der kleineren Mittelfeldspieler des FC Bayern, um dort den Ball zu behaupten. Oder weiterzuleiten. Duellen mit dem wuchtigen Upamecano wich er aus.

Wenn er aber doch in den Zweikampf ging oder gehen musste, dann wurde er vehement bearbeitet. Noch vor der Ballannahme wurde er geschubst, wurde an ihm gezogen. Die Münchner wollten dem Schlüsselspieler des Gegners keinen Raum zur Entfaltung geben. Moreno hat nicht nur einen fulminanten Schuss mit links, er kennt auch seine Mitspieler und weiß genau, was sie brauchen. "Ich würde sagen, dass ich ein Spieler bin, der versucht, der Mannschaft durch gute Positionierung zu helfen. Ich versuche, Klarheit darüber zu haben, was ich machen will, noch ehe ich den Ball erhalte", erklärte er vor dem Hinspiel im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Er wisse eben, wer gern und gut in die Tiefe geht, wer lieber den Ball in den Fuß bekommen möchte, solche Dinge. "Daraus entstehen Assoziationen, die alles einfacher machen." Assoziationen, die sein Spiel sind.

Dass Moreno mit 30 Jahren so wertvoll ist, wie nie zuvor, das passt zu seiner Karriere, die so anders war, als viele anderen. Geprägt vor allem von Spaß und nicht dem verbissenen Streben nach einer Welt-Laufbahn. Als kleiner Junge etwa war Ballspielen so gar nicht sein Ding. Aber über seinen Vater, einen herausragenden Amateurspieler, einen Stürmer, und seinen Bruder, einen Halbstürmer, fand er die Liebe zum Ball. Und zum Toreschießen. Die hat er sich bis heute bewahrt. Und in eine beeindruckende Bilanz in der Primera Division umgemünzt: In 251 Spielen hat er 100 Treffer erzielt. In der Historie nimmt er damit keinen prominenten Platz ein. Er teilt sich Rang 81 mit dem legendären Roy Makaay. Eine schöne kleine Gesellschaft. Aber nur eine auf Zeit. Moreno wird weiterziehen, wird mehr Tore schießen. Wohin die Reise in dieser Statistik führt, die von Lionel Messi mit 474 Treffer in 520 Spielen angeführt wird, niemand weiß es? Und Moreno wird es egal sein.

Das Glück und Pech ein Stürmer zu sein

Denn er legt gerade genau jene Karriere hin, die ihm nicht beschieden schien. Im vergangenen Jahr gewann er den Titel in der Europa League. In diesem Champions League arbeitet er an der nächsten Sensation. Und wenn kurz vor Weihnachten der Weltmeister in Katar ausgespielt wird, dann hofft Moreno im spanischen Kader zu stehen. Sein Glück: Viele klassische Stürmer auf diesem Niveau gibt es in seinem Land nicht. Sein Pech: Coach Luis Enrique ist das ziemlich egal, der kompensiert das auf guardiola'eske Weise. Mit kleinen, feinen Technikern. Aber ein Verzicht auf Moreno scheint kaum eine Option. Seit Oktober 2019 gehört er regelmäßig zum Aufgebot. Und er ist ja mit den Jahren immer besser geworden.

Aber nie so gut, dass er einen Platz im wilden Gerüchte-Karussell der international umworbenen Topstürmer einen Platz zugewiesen bekam. Den hat er beim FC Villarreal gefunden. Dort wurde er zum Profi. Kam aus der Jugend, über die Zweite Mannschaft ins Profiteam. Im Sommer 2010, als er den FC Badalona verlassen hatte, kam ihm erstmal der Gedanke: Es kann was werden, mit der Karriere im bezahlten Fußball. Aber sein Weg zur Klubikone, er blieb steinig. Über eine Leihe nach Mallorca führte der Weg zu Espanyol Barcelona, dort wurde er von Jahr zu Jahr besser. Dort wurde er zu einem der gefährlichsten Angreifer der LaLiga - kehrte im Sommer 2018 für 20 Millionen Euro zurück zu den gelben Männchen und schreibt seither die unfassbare Erfolgsgeschichte mit.

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Das "Gelbe U-boot", wie der Klub seit den 1960ern wegen der Trikotfarbe und des Beatles-Superhits "Yellow Submarine" genannt wird, gewöhnt sich nämlich langsam an große Siege gegen große Namen. Im vorigen Mai besiegte die Mannschaft von Unai Emery im Danziger Finale der Europa League Manchester United und holte so den ersten echten Titel der 99-jährigen Vereinsgeschichte. Zuvor hatte man nur zwei Titel im alten Intertoto Cup und eine Meisterschaft in der dritten spanischen Liga feiern dürfen. Emery, das ist der zweite große Held dieser Tage. Moreno spricht fast ehrfurchtsvoll vom "Míster", wenn die Sprache auf den 50-Jährigen kommt, der hinter Josep Guardiola und Rafael Benítez die meisten Titel aller aktiven spanischen Trainer gewonnen hat. Unter anderem vier Mal (!) die Europa League, dreimal mit dem FC Sevilla.

Emery, der bei Paris St. Germain zwar viele Spiele gewann, aber nie glücklich wurde (auch nicht beim FC Arsenal) ist ein Trainer, nah am Genie. Im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" war sich Moreno sicher, dass man die Formel finden werde, dem FC Bayern wehzutun. Das taten sie. Und wie sie das taten. Mit galligen Außenspielern, mit schnörkellosen Angriffen und einer bemerkenswerten Ruhe in der Abwehrarbeit und dem Aufbauspiel. Das Zentrum war dicht und ballsicher. Und mit einem Moreno, der tun durfte, was der Mannschaft hilft. "Der Mister sagt uns, wo wir uns aufhalten sollen, und steckt den Rahmen ab." Abseits davon, sagt das Sturm-Phänomen aus dem Dorf, habe er allerdings sehr viele Freiheiten, um sein Spiel zu entfalten. Es gibt Fußballer, die sind genau dort richtig, wo sie gerade sind. Einer von ihnen ist Gerard Moreno.

Quelle: ntv.de

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