Fußball

Frusttage im Fußballtempel Dem BVB fällt der eigene Erfolg auf die Füße

Verhaltener Dank an die Fans nach dem Spiel: In Dortmund sind die Ansprüche an den BVB mit dessen Erfolg gestiegen.

Verhaltener Dank an die Fans nach dem Spiel: In Dortmund sind die Ansprüche an den BVB mit dessen Erfolg gestiegen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Trotz Niederlage darf sich Borussia Dortmund im Champions-League-Viertelfinale erneut mit den Besten Europas messen. Die Fans sind trotzdem enttäuscht, die Ansprüche an den BVB sind gestiegen. Doch die Borussia spielt am Maximum.

Trotz der gewohnten Eskapaden am Spielfeldrand war Jürgen Klopp mit der Leistung seiner Truppe schlussendlich zufrieden.

Trotz der gewohnten Eskapaden am Spielfeldrand war Jürgen Klopp mit der Leistung seiner Truppe schlussendlich zufrieden.

(Foto: picture alliance / dpa)

Borussia Dortmund steht im Viertelfinale der Champions League, das können nur noch sieben andere Fußballmannschaften von sich behaupten. "Das ist die Crème de la Crème des europäischen Fußballs - und wir. Leider geil", brachte BVB-Coach Jürgen Klopp sein Gefühlsleben nach dem Achtelfinal-Rückspiel gegen Zenit St. Petersburg gewohnt plakativ zum Ausdruck.

Von Festtagsstimmung war der BVB am Mittwochabend trotzdem so weit entfernt wie Klopp von einem entspannten Verhältnis zur Schiedsrichtergilde oder Matthias Sammer. Als sich Stadionsprecher Norbert Dickel kurz nach dem Schlusspfiff noch einmal an die Fans wandte, klang es fast, als wollte er sich für das Weiterkommen angesichts der 1:2-Heimniederlage entschuldigen. Fußball, sagte Dickel mit belegter Stimme, sei ein Ergebnissport. Sein Appell vor Spielbeginn, jeder Zuschauer müsse das Team mit 100 Prozent unterstützen, war ohne großes Echo geblieben. Der Dank der Dortmunder Profis an die Fans fiel nach Spielende kurz und unterkühlt aus.

Klopp sah nach dem intensiven Schlagabtausch vor 65.629 meist mäßig begeisterten Zuschauern freilich keinen Grund, in Sack und Asche zu gehen. "Die Jungs sind hoch verdient im Viertelfinale, weil sie sich einen Wolf kämpfen", lobte er sein Team demonstrativ: "Ich bin sehr stolz, wie meine Truppe trotz aller Widrigkeiten auch diesen starken Gegner bezwungen hat."

Nüchtern betrachtet hat sich Klopps Truppe gegen das russische Millionenensemble nicht nur verdient, sondern auch souverän für die Runde der besten Acht qualifiziert. 5:4 für den BVB hieß es in der Gesamtabrechnung, zwei Tore fehlten Zenit, und in der Summe beider Spiele spiegelt dies das fußballerische Kräfteverhältnis zwischen beiden Teams treffend wider.

Kritik bitte erst nach dem Spiel

Dortmunder Verletzungspech: Marcel Schmelzer könnte für längere Zeit ausfallen.

Dortmunder Verletzungspech: Marcel Schmelzer könnte für längere Zeit ausfallen.

(Foto: imago/Schwörer Pressefoto)

Das Endergebnis von 1:2 im 200. Europapokalspiel der Vereinsgeschichte und die leicht hektische Schlussphase, in der die Borussia nach Zenits zweitem Tor noch ein wenig an ihrem Ruf als Dramaqueen der Königsklasse feilte, hingen dennoch bleiern im Bauch des Stadions - weil sich der Unmut einiger Fans über die größtenteils ernüchternde Dortmunder Leistung bereits während des Spiels deutlich artikuliert hatte. Bei Fehlpässen und Ballverlusten, von denen sich der BVB gegen die im Vergleich zum 4:2-Hinspiel deutlich besser organisierten Russen zu viele erlaubte, ging erneut ein Murren durch die Arena. Die Ränge raunten, und das wie schon gegen Gladbach recht oft.

Ob zu Recht oder nicht, darüber gingen die Meinungen unter Dortmunds frischgebackenen Viertelfinalisten nach der zweiten Heimniederlage binnen fünf Tagen auseinander. Kapitän und Premieren-Torschütze Sebastian Kehl ("Gedrückte Stimmung im Stadion kann ich nicht nachvollziehen") war ebenso wenig gewillt die Frustatmosphäre im Dortmunder Fußballtempel klaglos hinzunehmen wie Ur-Borusse Kevin Großkreutz.

Der betonte trotzig, die Stirn in Falten gelegt: "Ich sehe da keinen Negativtrend. Ich sehe nur, dass man stolz sein kann auf die Mannschaft, dass wir wieder was erreicht haben." Kritik sei schön und gut, und die Mannschaft stelle sich ihr auch – aber bitteschön nach dem Spiel und nicht mittendrin, wenn sie vorhandene Unsicherheit nur noch verstärke.

Abwehrchef Mats Hummels gab sich versöhnlicher. Er nahm nicht nur das Gegentor zum 1:2 auf seine Kappe, als ihm Zenits Rondon entwischt war. Hummels versuchte auch, die schnellere Unruhe auf den Rängen mit dem BVB-Erfolg der jüngeren Vergangenheit zu begründen: "Ich denke, das ist unvermeidlich, wenn man drei Jahre lang so spielt wie wir und dann eine kleinere Phase seit Anfang Dezember hat, wo einfach durch die vielen Verletzten ein bisschen die Konstanz fehlt." Bewusst offen ließ Hummels, ob man diesen Fanfrust "verstehen muss - denn ich glaube, an der Einstellung der Mannschaft liegt es nie, und theoretisch sollte man das natürlich auch honorieren."

BVB nun mindestens "kleiner Außenseiter"

Die Krux aus Sicht der Dortmunder ist, dass der BVB in dieser Saison Opfer des eigenen Erfolgs wird - und des Erfolgs des FC Bayern. Drei Titel in drei Jahren, dazu der Sturmlauf ins Champions-League-Finale 2013, das hat Ansprüche geweckt - die der BVB in dieser Saison bislang auch erfüllt. Obwohl im Rückspiel gegen Zenit neben dem Quartett der langzeitverletzten Stammspieler Ilkay Gündogan, Neven Subotic, Jakub Blaszczykowski und Sven Bender auch noch Marco Reus ausfiel und sich die Dortmunder Mannschaft seit Wochen quasi von alleine aufstellt, hat der BVB nach Liga (Platz 2) und Pokal (Halbfinale) nun auch in der Champions League das sportliche Maximum erreicht.

Nur öffentlich anerkannt wird das kaum, weil diese Erfolge im Schatten jener 23 Punkte liegen, die Dortmund von Pep Guardiolas Rekord-Bayern in der Bundesliga-Tabelle trennen. Stattdessen muss sich der BVB aus München noch indirekt fragen lassen, ob es nicht vielleicht an Akribie und Trainingseifer fehle.

Wohl auch deshalb wies Mats Hummels nach dem "nicht perfekten Spiel" gegen Zenit ganz sachlich darauf hin: "Natürlich überwiegt die Freude. Das Ziel war weiterkommen."  Im Viertelfinale warten mit FC Bayern, FC Barcelona, Real Madrid, Atletico Madrid, FC Chelsea, Paris St. Germain und dem wundersam auferstandenem Manchester United nur noch Spitzenmannschaften. Egal, wen die Auslosung am Freitag zum BVB-Gegner bestimmt - mindestens "kleiner Außenseiter" werde man wegen der Personalmisere gegen jedes dieser Teams sein, weiß Hummels. Zumal im Viertelfinal-Hinspiel Topstürmer Robert Lewandowski gelbgesperrt fehlen wird und nun auch noch Linksverteidiger Marcel Schmelzer eine längere Verletzungspause droht.

Trüben kann das die Dortmunder Vorfreude nicht, zum zweiten Mal in Folge im Konzert der großen Acht mitzuspielen. Dass sein BVB dabei nur die zweite Geige spielen dürfte, ficht Trainer Jürgen Klopp nicht an. Die Hauptsache ist erstmal: Der BVB spielt weiter mit – und das idealerweise wieder mit allen Fans im Rücken.

Quelle: ntv.de

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