Fußball

Steuerrazzia empört nicht mehr Der DFB wird nur noch verspottet

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Die Steuer-Razzia erschüttert den ohnehin schon krisengeschüttelten Deutschen Fußball-Bund erneut schwer. Der Stellenwert und das Ansehen des Verbandes sinken immer weiter. Für Präsident Fritz Keller wird die Aufklärung der Vorfälle zu einer Mammutaufgabe.

Die Absage von Fritz Keller kam nicht gerade überraschend. Eigentlich hätte der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) die Sonderausstellung "Günter Grass - mein Fußball-Jahrhundert" im Dortmunder Fußballmuseum eröffnet. Doch Keller verzichtete kurzfristig darauf, die "Blechtrommel" zu rühren. Schließlich war der Paukenschlag vom Vortag noch nicht verklungen. Vor den unangenehmen Fragen, von denen es sicher jede Menge gegeben hätte, verschloss der DFB-Boss lieber die Ohren.

Allerdings blieb Keller am Tag nach der Razzia in der Zentrale sowie bei sechs ehemaligen und aktuellen Spitzenfunktionären auch kaum etwas anderes übrig. Der 63-Jährige muss erst einmal selbst Antworten finden. Wie arbeitet der ohnehin krisengeschüttelte Verband die neuerliche Erschütterung auf? Muss es mit Blick auf die im Amt befindlichen Verdächtigen personelle Konsequenzen geben? Wie kann das öffentliche Ansehen des Verbandes, das auf einem neuerlichen Tiefpunkt angekommen ist, wieder aufpoliert werden? Die Antworten auf diese Fragen muss Keller zur Chefsache machen. Denn wie schlecht es um den DFB bestellt ist, zeigen zahlreiche Reaktionen auf die Durchsuchungen der Staatsanwaltschaft wegen der vermuteten Steuertrickserei hinsichtlich Bandenwerbung bei Länderspielen.

Da kaum noch jemand überrascht zu sein scheint, hält sich die Empörung nämlich in überschaubaren Grenzen. Weite Teile der Öffentlichkeit schauen lediglich noch mit einem kollektiven Kopfschütteln in Kombination mit Schulterzucken auf den größten Einzelsportverband der Welt. Zu viele Affären und Skandale in den vergangenen Jahren haben dafür gesorgt, dass der DFB nur noch Hohn und Spott erntet. Das Ganze erinnert an die Fifa, die nach zahlreichen Verfehlungen der Chefetage sämtlichen Kredit verspielt hat.

Ein "substanzieller Vorwurf"

"Nur" die Politik scheint sich noch ernsthaft mit dem DFB auseinanderzusetzen. "Wenn in diesem Land eine Staatsanwaltschaft einen Durchsuchungsbeschluss beantragt und ein Gericht diesem folgt, zeigt dies, dass der Vorwurf substanziell ist", sagte die Sportausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag der "FAZ". Monika Lazar, die sportpolitische Sprecherin der Grünen, forderte von dem seit einem Jahr im Amt befindlichen Keller die Umsetzung der versprochenen Reformen: "Er muss zeigen, dass er für einen organisatorischen und personellen Neustart beim DFB steht."

Ob diese Reformen den einst so großen Stellenwert wiederherstellen können, scheint fraglich. Dass nicht einmal sechs Millionen TV-Zuschauer das Länderspiel am Mittwoch gegen die Türkei (3:3) verfolgten, spricht Bände. Vom "letzten Lagerfeuer der Gesellschaft", wie der Fußball von seinen Protagonisten noch vor kurzer Zeit gerne bezeichnet wurde, kann keine Rede mehr sein. Für Jürgen Kohler kommt das Desinteresse indes nicht überraschend. "In vielen Familien haben sich die Prioritäten verschoben. Wirtschaftliche Nöte und Kurzarbeit hier, weiter extrem hohe Gehälter und Ablösesummen dort. Das führt zu einer Entfremdung zwischen Fußball und Fans", schrieb der Weltmeister von 1990 im "Kicker": "Nachrichten wie die von einer Steuer-Razzia beim DFB tragen in dieser Gemengelage nicht unbedingt zur Besserung bei."

Und die Nachrichtenlage dürfte in naher Zukunft nicht besser werden. Zwar bezeichnen einige Beobachter das jüngste Vorgehen der Staatsanwaltschaft als überzogen, weil die Vorgänge im Großen und Ganzen bekannt waren und der DFB sicher auch ohne den Razzia-Trubel kooperiert hätte - doch mit der Bandenwerbung-Problematik ist es längst nicht getan.

Auch der Sommermärchen-Skandal um die WM-Vergabe 2006 wird weiter Schlagzeilen produzieren. Schließlich ist nach wie vor offen, was mit der Anklage wegen Steuerhinterziehung gegen die Ex-Präsidenten Wolfgang Niersbach und Theo Zwanziger sowie den langjährigen Generalsekretär Horst R. Schmidt passiert. Zudem geht es noch um die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für 2006, weshalb der DFB 22,57 Millionen Euro Steuern nachzahlen musste. Über den Widerspruch des Verbandes ist noch nicht entschieden. Wie über viele andere Dinge rund um den DFB.

Quelle: ntv.de, Alexander Sarter, sid

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