Kovač triumphiert doppelt Der FC Bayern enttäuscht Jupp Heynckes
20.05.2018, 05:20 Uhr
Ihm blieb die letzte Ehrung als Bayern-Trainer verwehrt: Jupp Heynckes
(Foto: imago/Jan Huebner)
Es sollte ein Abschiedsgeschenk des FC Bayern für Jupp Heynckes werden. Doch dann kommt Nico Kovač, sein designierter Nachfolger, mit der Frankfurter Eintracht und gewinnt einfach mal den DFB-Pokal. Für ihn ist dieser Sensationscoup doppelt wertvoll.
Guten Schauspielern, Musikern, Schriftstellern und anderen Künstlern wird bisweilen ein Preis für ihr Lebenswerk verliehen. Sie bekommen ihn meist für herausragende Leistungen, die schon einige Zeit zurückliegen, auch wenn dem Geehrten der ganz große Wurf danach nicht mehr gelang. Und die Auszeichnung ist manchmal auch ein zartes Signal, dass es damit dann aber auch gut ist. Der Fußballtrainer Jupp Heynckes hat an diesem Samstag nach seinem allerletzten Spiel keinen Preis bekommen, obwohl das alle erwartet hatten.
Sein FC Bayern, der unbestritten als Favorit ins Endspiel um den DFB-Pokal gegangen war, hat verloren. Oder besser: Die SG Eintracht Frankfurt hat dieses packende Finale mit 3:1 (1:0) gewonnen. So blieb Heynckes nur die Erkenntnis: "Natürlich fehlte auch ein bisschen Glück. Aber man muss den Erfolg in so einem Spiel erzwingen. Das haben wir heute nicht gekonnt." Wenn er enttäuscht war, dann hat er es nicht gesagt. Aber seine Mannschaft, das wusste auch er, hat an diesem Abend gegen leidenschaftliche Frankfurter enttäuscht. Und dass sie das unter der Anleitung des Mannes taten, der ab dem 1. Juli statt seiner die Münchner trainiert, verlieh dem Ganzen eine besondere Note.
Niko Kovač aber verkniff sich jeden Anflug von Triumph. Und wenn er doch so etwas wie Genugtuung spürte, dann hat er es nicht gesagt. Er betonte gar, dass er nichts dergleichen verspüre. Nach dem Abpfiff aber weinte er auf dem Rasen. "Ich bin ein sehr emotionaler Mensch, der seine Gefühle auch zeigt. Und ich schäme mich nicht dafür. Nach dem Sieg sind das Freudentränen." Aber auch er weiß, dass dieser überraschende, wenn nicht gar sensationelle Triumph in seiner Heimatstadt Berlin für ihn doppelt wertvoll ist.
Wirklich nicht kleines Heynckes'sches Erbe
FC Bayern: Ulreich - Kimmich, Süle, Hummels, Alaba - Thiago (64. Tolisso), Martinez - T. Müller (70. Coman), James, Ribéry (87. Wagner) - Lewandowski,; Trainer: Heynckes
Eintracht Frankfurt: Hradecky - Abraham, Hasebe, Salcedo - da Costa, Mascarell, de Guzman (74. Russ), Willems - Wolf (60. Gaćinović), Rebic (89. Haller) - Boateng; Trainer: Kovac.
Tore: 0:1 Rebic (11.), 1:1 Lewandowski (53.), 1:2 Rebic (82.), 1:3 Gacinovic (90.+6)
Schiedsrichter: Zwayer
Zuschauer: 76322 (ausverkauft)
Zum einen, weil er nun nach dem Hickhack und dem Ärger rund um die Bekanntgabe seines Wechsels zum FC Bayern als Sieger geht - als einer, der der Sportgemeinde Eintracht Frankfurt nach dem Sieg im DFB-Pokal 1988 den ersten Titel seit 30 Jahren bescherte und in den vergangenen zwei Jahren sehr gut gearbeitet hat. "Wir haben uns kontinuierlich gesteigert, von einem Fast-Absteiger zu einem Finalisten", sagte er und meinte: bis zum Pokalsieger. Und als solcher, das ist der zweite Punkt, wird es ihm etwas leichter fallen, das wirklich nicht kleine Heynckes'sche Erbe in München anzutreten, wenn er an der Säbener Straße aufkreuzt. Schließlich ist er mit seinen 46 Jahren der erste Übungsleiter seit langem, der nicht - wie Heynckes, Carlo Ancelotti, Josep Guardiola und Louis van Gaal - mit der Referenz beim FC Bayern anheuert, schon einmal die Champions League gewonnen zu haben.
Die Münchner hatten sich vorgenommen, diesen Abend als Abschiedsgeschenk für den Mann zu gestalten, der sie als Nachfolger Ancelottis in den vergangenen acht Monaten nach einem für bajuwarische Verhältnisse missratenen Saisonstart zu alter Dominanz und zum Meistertitel geführt hatte. Und der Sieg im Pokal, so war es geplant, wäre kein Preis für etwas gewesen, was lange zurückliegt. Heynckes geht als 73 Jahre alter, moderner Trainer auf der Höhe seiner Schaffenskraft in den Ruhestand. Und nicht wie Otto Rehhagel, der 2012 mit 73 Jahren noch einmal die Berliner Hertha übernahm, mit ihr in die zweite Liga abstieg und dabei mehr wie die Karikatur eines Trainers wirkte. Aber Münchens Innenverteidiger Mats Hummels hatte es ja vorher schon gesagt: "Jupp ist ein ganz Großer." Daran ändert auch eine Niederlage in einem Finale nichts.
Und im Grunde hat er seinem Nachfolger - und damit auch dem FC Bayern - einen Gefallen getan, dass er nicht das Double gewonnen hat. So liegt die Messlatte für Kovač nicht ganz so hoch. Aber natürlich war das nie die Intention. Vielmehr war es so, dass sich die Bayern vor 74.322 Zuschauern im ausverkauften Olympiastadion arg quälen mussten. Ante Rebić hatte die Eintracht nach einem Ballverlust von James Rodríguez nach elf Minuten in Führung gebracht. Doch als Robert Lewandowski acht Minuten nach der Pause den Ausgleich für den Favoriten erzielte, schien alles seinen erwarteten Gang zu nehmen. Aber die Frankfurter machten einfach unbeeindruckt weiter, in der 82. Minute schlug Rebić zum zweiten Mal zu, und in der sechsten Minute der Nachspielzeit war es schließlich Mijat Gaćinović, der das 3:1 erzielte, die Eintracht ins Glück schoss - und Heynckes den Abschied endgültig vermieste
"Zum Sportlerleben gehören auch Niederlagen"
Der aber blieb auch in der Stunde der Niederlage ganz der anständige Mensch, der er in all den Jahren im Profifußball stets war. Nein, zum Unparteiischen Felix Zwayer wolle er nichts sagen. "Ich habe mich in meiner ganzen Karriere nicht über den Schiedsrichter geäußert. Das werde ich auch heute nicht tun." Ein bisschen wich er dann allerdings doch von seiner generösen Linie ab: "Aber jetzt haben wir den Videobeweis und da wäre es ratsam gewesen, die richtige Entscheidung zu treffen." In der Tat hätte Zwayer, zumal er sich die Szene noch einmal am Bildschirm angesehen hatte, nach einem Foul von Kevin-Prince Boateng an Javier Martínez in der 94. Minute durchaus auf Elfmeter für den FC Bayern entscheiden können - wenn nicht sogar müssen, wie selbst Kovač später einräumte.
Heynckes aber verwies darauf, dass es bei allem Pech sinnlos sei, nun zu lamentieren. "Zum Sportlerleben gehören Siege - aber eben auch Niederlagen. Das habe ich gelernt." Nun müsse er erst einmal "ein bisschen Abstand nehmen, wieder zur Ruhe kommen." Sein Dank gelte den Spielern, die ihm stets viel Respekt entgegengebracht hätten. Es sei ein Privileg gewesen, mit ihnen zu arbeiten. "Ich muss ganz ehrlich sagen, dass wir - unabhängig von diesem Pokalspiel - fast über die ganze Saison überragenden Fußball gespielt haben." Ob er froh ist, dass es nun vorbei ist? "Was soll ich jetzt sagen? Ich habe tagtäglich sehr gewissenhaft mit der Mannschaft gearbeitet, das hat mir viel Spaß gemacht." Er wisse aber in seinem Alter seine Kräfte richtig einzuschätzen.
Und dann schickte er doch noch indirekt einen Gruß an seinen Nachfolger: "Der Job hier beim FC Bayern ist sehr anstrengend. Das schafft man nur, wenn man hochprofessionell ist. Von der schönen Stadt München habe ich in den acht Monaten nichts gesehen, überhaupt nichts. Bin voll eingetaucht in meinen Job." Die Chancen stehen gut, dass auch Kovač genau das tun wird. Den Preis für sein Lebenswerk hat Jupp Heynckes übrigens längst bekommen. Der DFB hat ihn im März 2015 damit ausgezeichnet, als erst fünften deutschen Trainer nach Dettmar Cramer, Udo Lattek, Gero Bisanz - und Otto Rehhagel. Und nun? Ist Schluss.
Quelle: ntv.de