Schlotterbecks Sieg-Rechnung Der "ewige" Streich kann sich unsterblich machen
20.04.2022, 10:05 Uhr
Emotional und ausgelassen: Streich feiert mit den Fans.
(Foto: IMAGO/Matthias Koch)
Für Nico Schlotterbeck ist der Weg klar vorgezeichnet: Der SC Freiburg wird erst Pokalsieger und nimmt dann an der Champions League teil. Das erste Ziel ist nach dem Sieg im Halbfinale gegen den HSV ganz nah, doch sein Trainer Christian Streich bleibt zurückhaltend. Und betont doch seine Gewinnstatistik.
"Ich habe durchgerechnet: Gewinnen wir ab jetzt fünfmal, sind wir Pokalsieger und Champions-League-Teilnehmer. Das ist das Ziel. Ich glaube, das kriegen wir hin." Nico Schlotterbeck zeigt sich überaus selbstbewusst. Im Halbfinale des DFB-Pokals hat der Verteidiger des SC Freiburg alles dafür getan, damit sein Traum in Erfüllung geht. Sein Klub hat 3:1 gegen den Hamburger SV gewonnen, er selbst hat dabei den Elfmeter zum 3:0 rausgeholt, als er im Strafraum von Moritz Heyer mit dem Fuß am Kopf getroffen wurde. Zudem hat er 75 Prozent seiner Zweikämpfe gewonnen.
Hamburg: Heuer Fernandes - Heyer, Vuskovic, Schonlau, Vagnoman (82. Muheim) - Meffert - Suhonen (85. Chakvetadze), Reis (69. Kaufmann) - Jatta (82. Alidou), Glatzel, Kittel. - Trainer: Walter
Freiburg: Flekken - Schmid (90.+2 Sildillia), Lienhart, Nico Schlotterbeck, Günter - Maximilian Eggestein, Höfler - Sallai (64. Höler), Grifo (79. Weißhaupt) - Jeong (79. Haberer), Petersen (64. Demirovic). - Trainer: Streich
Schiedsrichter: Deniz Aytekin (Oberasbach)
Tore: 0:1 Petersen (11.), 0:2 Höfler (17.), 0:3 Grifo (35., Foulelfmeter nach Videobeweis), 1:3 Glatzel (88.)
Alles für sein Ziel - und den gelungenen Abschied? Vor dem Anpfiff mehrten sich die Berichte, dass der Innenverteidiger nach der Saison zu Borussia Dortmund wechseln wird, er habe dem Klub seine Zusage gegeben. "Ich habe das gelesen, aber ich kann dazu sagen, dass sich da bis Saisonende nichts tut", dementierte der 22-Jährige die Gerüchte. "Ich habe gesagt, ich treffe meine Entscheidung nach der Saison, daran hat sich nichts geändert."
Vor dem langfristigen Saisonziel stand für ihn ohnehin erstmal ein kurzfristiges auf dem Plan: "Jetzt genieße ich den Abend und kümmere mich darum, was ich den Jungs zu trinken bringe." Da wollte auch der Torschütze des 1:0 tatkräftig mitwirken. "Mal schauen, wie der Trainer drauf ist, aber ich glaube schon, dass wir uns das eine oder andere Getränk genehmigen dürfen. Zur Not machen wir es heimlich", sagte Nils Petersen. Meist als überaus erfolgreicher Joker von Trainer Christian Streich eingesetzt, durfte er gegen den HSV wie zuletzt auch beim Liga-Sieg gegen den VfL Bochum von Beginn an ran. Es lohnte sich: Er erzielte den zwölften Treffer des SC Freiburg im DFB-Pokal und zog als Freiburger Rekordtorschütze im Pokal mit Alexander Iashvili gleich.
"Wenn wir es nicht gewinnen, waren wir immerhin in Berlin"
Petersen eröffnete mit seinem Kopfballtor eine furios-effektive erste Halbzeit der Freiburger, die mit dem Sieg erstmals das Pokal-Finale erreichen. Ihr Trainer war immerhin schon einmal dabei, allerdings "auf der Tribüne, da war ich zu schlecht". 1987 hatten die Stuttgarter Kickers das Finale im Berliner Olympiastadion erreicht, Streich spielte damals für den Klub. Er durfte nicht ran, allerdings spielte ein gewisser Niels Schlotterbeck, Onkel von Nico und dessen Bruder Keven, der ebenfalls bei Freiburg unter Vertrag steht. Jener Schlotterbeck war es, der in der 90. Minute ein Eigentor erzielte und damit dem HSV zum 3:1-Sieg verhalf. Sein Neffe machte es 35 Jahre später besser. Und auch Streich ist jetzt in der besseren Position: Diesmal muss er auswählen, wer auf dem Rasen dabei sein darf, wenn am 21. Mai der Anpfiff gegen den Sieger des zweiten Halbfinals, RB Leipzig oder 1. FC Union Berlin, ertönt.
Ein Spiel, das er gewohnt pragmatisch angeht. "Wenn Union Berlin ins Finale kommt, wäre es unglaublich, weil es in ihrer eigenen Stadt wäre. Wenn Leipzig ins Finale kommt, dann hätten sie es auch verdient", sagte er in der ARD. "Aber es ist egal. Du musst gegen solche Mannschaften bestehen. Du musst versuchen, das Spiel zu gewinnen - und wenn wir es nicht gewinnen, waren wir immerhin in Berlin." Vom Sieg träume er nicht, eine entsprechende Frage beantwortete er schlicht mit Nein. Dass er mehr aber für möglich hält, zeigt sein Verweis auf seine persönliche Statistik: Als Trainer der Junioren war er 2006, 2009 und 2011 Pokalsieger. Mit ihm dabei waren Christian Günter, Nicolas Höfler und Johnny Schmid. "Einige Jungs waren schon im A-Jugend-Finale, das hört sich jetzt komisch an, aber es ist so, dass sie dort auch gewonnen haben. Wir haben die Finals immer gewonnen."
"Dafür lohnt es sich, Profi zu werden"
So wie der SC Freiburg spielt, ist die Saison ohnehin schon historisch. Schlotterbeck rechnete es vor: Neben dem Einzug ins Pokal-Finale geht es um die Europa League oder erstmals sogar die Champions League. Davon lässt sich Streich aber nicht aus der Ruhe bringen. "Wir sind jetzt sehr erfolgreich. Das ist schön. Aber wir müssen schauen, dass wir realistisch draufschauen. Das ist die Aufgabe für die Zukunft", sagte er. "Es wird auch wieder Phasen geben, wo es ganz eng wird. Es ist fast jedes Jahr so, dass sechs, sieben, acht, manchmal neun Mannschaften gegen den Abstieg spielen können. Die Bundesliga ist gnadenlos."
An die Bundesliga und damit an das kommende Spiel gegen Borussia Mönchengladbach dachte Petersen erst einmal nicht. Mit Freiburg ins Pokal-Finale zu kommen, sei etwas ganz Besonderes, sagte er. "Dafür lohnt es sich, Profi zu werden."
Dafür lohnt es sich auch, Trainer zu werden. Streich könnte den ersten Titel mit seinem Profiteam gewinnen, mehr als zehn Jahre, nachdem er den Job angetreten hat. Der SC Freiburg ist sein Lebenswerk, nie war er bislang woanders Trainer, arbeitete sich ab 1995 beim SC Freiburg sukzessive hoch. Nun steht er vor der endgültigen Krönung.
Quelle: ntv.de, ara