Bizarres Schauspiel um Messi Der gnadenlos vorgeführte Superstar
01.02.2021, 13:12 Uhr
Mitleid mit Messi.
(Foto: AP)
Die Welt weiß nun, was Lionel Messi beim FC Barcelona verdient. Und das sind unvorstellbare Summen. Die Zeitung "El Mundo Deportivo" enthüllt die Zahlen aus seinem Vertrag. Aber was steckt eigentlich dahinter? Und woher hat die Zeitung das Arbeitspapier?
Am Sonntagabend passierte etwas, das eigentlich fürchterlich belanglos war. Der FC Barcelona spielte ein Spiel in der Primera Division. Und Lionel Messi erzielte dabei einen Treffer. Einen schönen, zweifelsohne. Einen Freistoß nahe der Strafraumkante zauberte er über die Mauer von Athletic Bilbao hinweg ins Tor. Zum 1:0 für seinen FC Barcelona. Zuvor hatte er bereits eine ziemlich gute Gelegenheit aus kurzer Distanz liegengelassen und ein hohes Zuspiel mit der Brust direkt aufs Tor gedrückt. Präziser: Er hatte den Ball knapp über das Tor gedrückt. Sei's drum. Am Ende stand ein 2:1-Erfolg und Tabellenplatz zwei.
Wären am Sonntag nicht andere Dinge passiert, wären Leistung, Tor und Ergebnis wohl kaum prominente Plätze in der Berichterstattung eingeräumt worden. Aber tatsächlich waren der FC Barcelona und Messi an diesem Sonntag einmal mehr erheblich erschüttert worden. Von Zahlen, die jedem normal bis gut oder auch sehr gut verdienenden Menschen mindestens den Verstand rauben. Die "El Mundo" hatte Details aus dem Vertrag des Weltfußballers beim katalanischen Topklub veröffentlicht. Dabei handelte es sich offenbar tatsächlich um Zahlen aus dem Originalvertrag. Ein starkes Indiz dafür: Weder der Spieler, noch der Klub dementierten etwas.
Der Verein bedaure die Veröffentlichung, hieß es lediglich in dem Statement des FC Barcelona. Es handle sich um ein privates Dokument mit dem Prinzip der Vertraulichkeit zwischen den Parteien. Der Verein lehne "kategorisch jegliche Verantwortung" ab und sagte Messi "absolute Unterstützung" zu. Besonders in Anbetracht jeglicher Versuche, dessen Ruf zu diskreditieren.
Die Empörung im Verein ist also groß. Die der Menschen, denen von den Zahlen schwindelig geworden ist, noch viel größer. Seit seiner Verlängerung 2017 soll er bis zum Ende dieser Spielzeit, also in vier Saisons, insgesamt bis zu 555.237.619 Euro kassieren, das würde jährlich ja gut 138 Millionen Euro bedeuten. Von der Gesamtsumme habe er schon 92 Prozent erhalten. Dass es sich dabei um ein Brutto-Gehalt handeln soll, macht das Volumen vermutlich kaum nachvollziehbarer. Mit der Enthüllung des Vertrags hat die Zeitung Messi bloßgestellt, ihn gnadenlos vorgeführt. Aber warum eigentlich?
Bartomeu wehrt sich gegen Vorwürfe
Die Frage treibt alle beim FC Barcelona um, die es gut mit dem Superstar meinen. Trainer Ronald Koeman gehört zu ihnen. Nach dem Sieg am Sonntagabend sagte er: "Es gibt Leute, die Barça und Messi verletzen wollen", sagte der Niederländer. "Wenn sich herausstellt, dass es sich um jemanden im Inneren handelt, ist das sehr schlecht, und sie sollten im Verein keine Zukunft haben." Und wenn es beim FC Barcelona um Schaden rund um Messi geht, sind sie im Verein sehr schnell bei Ex-Boss Josep Maria Bartomeu. Denn zwischen dem Ende des vergangenen Jahres zurückgetretenen Präsidenten und dem Weltfußballer war ein erbitterter, zumeist offen ausgetragener Streit entbrannt, der beinahe zum Abgang geführt hätte.
So wehrte sich Messi gegen Anschuldigungen, dass die gesamte Mannschaft den Rauswurf von Ex-Coach Ernesto Valverde forciert habe. Und er wehrte sich gegen Anschuldigungen, dass die Spieler nicht bereit seien, in der Corona-Krise auf Gehalt zu verzichten. Hinzu kamen die harten sportlichen Erschütterungen. Verbunden durchaus auch mit dem Verkauf von Stürmer Luis Suarez, einem sehr guten Freund von Messi, für den der Superstar kein Verständnis hatte. Der Uruguayer fiel dem Umbruch unter Koeman zum Opfer, der Niederländer hatte dem 33-Jährigen mitgeteilt, nicht mehr mit ihm zu planen.
Nun, Bartomeu, der Hauptverdächtige im Fall "Messi-Leaks" wollte sich persönlich zu den Vorwürfen nicht äußern, allerdings verschickte er eine Erklärung, die in der TV-Sendung "Gol a Gol" verlesen wurde. Darin schrieb er, dass die Behauptung, er habe den Vertrag geleakt, "völlig falsch" sei. "Das ist ein sehr ernstes Thema", das "vor Gericht enden wird", heißt es weiter. Bartomeu selbst sieht kein großes Problem in den Summen. "Messi verdient, was er bekommt, sowohl auf der sportlichen als auch kommerziellen Ebene. Und ohne die Pandemie könnte Barca diese Summen auch problemlos bezahlen", rechtfertigte er die 555 Millionen Euro, die in seiner Amtszeit durchgewunken wurden.
Durchaus spannend: Bei den Katalanen besteht offenbar Konsens, dass Messi keine Vorwürfe zu machen sind, sondern der Verein alles falsch gemacht habe. Der ehemalige Superstar Luis Figo fasste die Lage mit einem Tweet zusammen: "Messis Berater verdienen eine Statue", schrieb der Portugiese. Und: "Barças Management kann nur mit dem von Gaspart verglichen werden." Joan Gaspart war von Juli 2000 bis Februar 2003 Klubboss der Katalanen. Er gilt als der vielleicht schlechteste aller Zeiten. Eine Kritik, die er selbst teilt. Direkt nach seiner Demission hatte er gesagt: "Ich war ein guter Vizepräsident, aber ich bin ein schlimmer Präsident gewesen." Unter Gaspart hatte Barça Anfang der 2000er Jahre Schulden angehäuft, die unter anderem zu einem Zwangsverkauf von Superstar Rivaldo führten.
Finanziell ist auch nun die Lage wieder dramatisch. Den FC Barcelona drücken nach jüngsten Angaben Gesamtschulden in Höhe von 1,17 Milliarden Euro. Zudem hatte Barça in seinem Wirtschaftsbericht mitgeteilt, dass die kurzfristigen Verbindlichkeiten bei 730,6 Millionen Euro liegen. Aus der Bilanz geht hervor, dass diese Verbindlichkeiten 196 Millionen Euro an langfristigen Schulden gegenüber anderen Vereinen für Spielertransfers enthalten. Aufgrund der extrem angespannten Situation habe der Klub außerdem veranlasst, die Zahlung der Gehälter an die Spieler von Januar auf Februar zu verschieben.
"Pharaonen-Vertag" hat Barça "ruiniert"
Dass die Bombe "Messi" nun zündet - Zufall? Ganz sicher nicht. Zumindest die Art der Berichterstattung ist getrieben von klarer Stimmungsmache. Schließlich nennt die "El Mundo Deportivo" das Arbeitspapier einen "Pharaonen-Vertag", der den FC Barcelona "ruiniert hat".
Die Lösung der wirtschaftlich gravierenden Krise ist eine der großen Aufgaben für den neuen Präsidenten. Denn nach dem Rückzug von Bartomeu im Oktober ist das Amt offiziell vakant. Einer der Top-Kandidaten ist Joan Laporta, der bereits zwischen 2003 und 2010 Präsident war. Er warb in den vergangenen Wochen damit, den Star im Klub zu halten. "Er weiß, dass das Angebot, das ich mache, real sein wird und ich es erfüllen werde. Ich denke, das wird viel helfen und ist ein Vorteil gegenüber den anderen Kandidaten." Womöglich will der "Messi-Leak" auch Laporta schaden?
Begleitet wird die Suche nach dem Maulwurf von der bangen Sorge, dass Messi im Sommer nun endgültig den Klub verlässt, zu dem er im Sommer 2000 als 13-Jähriger gewechselt war. Sein Vertrag läuft aus, an Interessenten soll es nicht mangeln. Natürlich nicht. Sollte er allerdings ungeachtet des unwürdigen Theaters doch noch bleiben, so tappt er womöglich öffentlich in die Falle des Gierigen. Denn "El Mundo Deportivo" legte nun noch einmal nach, sie schreibt von einem möglichen Treuebonus in Höhe von 38.964.977,50 Euro. Wobei es auch schon hieß, dieser Bonus werde fällig, egal ob Messi Barcelona verlässt oder nicht. In normalen Zeiten absurd, in Pandemie-Zeiten noch absurder. Es wirkt also tatsächlich so, als wolle eine Partei der sportlich so erfolgreichen Ewigkeits-Liaison ein krachendes Ende bereiten. Aber wer? Und warum?
Quelle: ntv.de