Fußball

Kapitän, Depression, Insolvenz Der tragische Bankrott des Craig Bellamy

Bellamy hat einen guten Job - und ist trotzdem insolvent.

Bellamy hat einen guten Job - und ist trotzdem insolvent.

(Foto: picture alliance / empics)

Als Co-Trainer des englischen Aufstiegskandidaten FC Burnley ist Craig Bellamy gut im Geschäft. Der frühere Fußballprofi führt dennoch kein Bilderbuch-Leben. Es ist geprägt von einer schwierigen Kindheit, frühem Reichtum, falschen Entscheidungen, Depressionen - und jüngst seiner Insolvenz.

Mehr als 17 Jahre in der Premier League, fast 300 Spiele auf höchstem Niveau. Gleich zweimal in der Karriere beim FC Liverpool, dazu unter anderem bei Manchester City, West Ham United und Newcastle United. Nationalspieler, Kapitän von Wales, 2012 bei den Olympischen Spielen im eigenen Land dabei. Fast 45 Millionen Euro gaben die Klubs insgesamt an Ablösesumme für ihn aus. Und doch muss Craig Bellamy nun bekennen: Ich bin pleite.

"Für das ganze Geld, das ich verdient habe, kann ich keine Hypothek aufnehmen. Finanziell habe ich keine Zukunft. Das tut weh. Ich kann nichts besitzen. Alles ist weg", sagte der heute 43-Jährige der "Daily Mail". Die britische Steuerbehörde hatte mitgeteilt: "Es wird angeordnet, dass Craig Douglas Bellamy für insolvent erklärt wird." Es ist die jüngste Tragödie in einem an Tragödien reichen Leben des Walisers.

"Der Großteil meines Geldes ist für Alkohol, Frauen und schnelle Autos draufgegangen. Den Rest habe ich einfach verprasst", sagte George Best einmal. Der Nordire, der 2005 mit gerade einmal 59 Jahren gestorben ist, verkörpert bis heute das Klischee des extravaganten Fußballers, der durch den Sport zu Reichtum kam und mit allen Folgen die Schattenseiten erlebte. Doch derartige Spekulationen weist Bellamy weit von sich. "Ich weiß, dass einige Leute wahrscheinlich denken werden, dass ich mein Geld für Alkohol, Glücksspiel oder Drogen verschwendet habe. Das habe ich nicht", betonte er. "Ich kann mich zurückziehen, ohne dass man etwas von mir hört, aber ich werde nicht in die Kneipe gehen. Seit meiner Jugend habe ich nie Drogen genommen. Ich spiele nicht - ich habe nie gezockt."

Falsche Investitionen - und Pech für Bellamy

Der Mann, der selbst in einer schwierigen Wohnsiedlung aufwuchs, mit Jugendkriminalität in Berührung kam, dann früh durch den Fußball reich wurde und damit nicht klarkam, vertraute windigen Beratern. Diese hätten ihn zu Beteiligungen an mehreren nicht rentablen Bauprojekten wie einem Steakhaus und einer Weinbar sowie einer Film-Firma überredet. "Alles, was ich hatte, wurde mir genommen. Wenn Sie die falschen Leute dazu bringen, dann schwindet alles."

Auch das Pech mischt mit. Um Meilensteine in seinem Leben festzuhalten, sammelte er Uhren. Diese sind ein Vermögen wert, doch Bellamy bleibt nur noch eine einzige davon. Vier sollen sich Berichten zufolge im Besitz eines Juweliers befinden und nicht zurückerlangt werden können. Der Inhaber ging offenbar 2020 erst in Insolvenz und dann in ein polizeiliches Zeugenschutzprogramm, weswegen er nicht kontaktiert werden kann.

Ein Drama für Bellamy. Der doch eigentlich anderen helfen wollte, es einmal besser zu haben. Er baute eine Schule in Sierra Leone, er finanzierte die Beerdigung von Fremden in Cardiff, wenn niemand sonst dafür aufkam, er verwöhnte Freunde, die ihn verrieten, er verlor das Haus seiner Familie in Wales. Fast 1,6 Millionen Euro schuldet er nun laut "Daily Mail" der britischen Steuerbehörde.

Der frühere Profi, der derzeit als Co-Trainer beim englischen Zweitligisten FC Burnley arbeitet, lebt mittlerweile in einer Wohnung, die ihm vom Klub gestellt wird. Es ist ein neuer Tiefpunkt für Bellamy. "Es ist an dem Punkt angelangt, an dem der Konkurs eine Erleichterung für mich ist", sagt er jedoch selbst. Rückschläge hat er schon häufiger in seinem Leben meistern müssen.

"Gehört zu den großmäuligsten Spielern"

Ruhig war es um Bellamy selten, er war kein in der Masse mitschwimmender Profi. Er fiel auf. "Wenn er auf dem Feld steht, gibt er nicht weniger als 100 Prozent. In vielerlei Hinsicht ist er der perfekte Profi", sagte sein Trainer bei Newcastle United, Sir Bobby Robson einmal WalesOnline. Er ließ ihn mit dem legendären Alan Shearer in der Offensive zusammenspielen, mit Bellamy an der Seite gelangen dem früheren englischen Nationalspieler so viele Tore in einer Saison wie nur selten. Trotzdem hatten die beiden ein angespanntes Verhältnis: "Wenn Du je nach Newcastle zurückkommst, schlage ich dir den Kopf ab", hatte Shearer Bellamy angeblich bei dessen Abschied aus Newcastle per SMS geschrieben.

Auch Robson hatte feststellen müssen, "dass man bestenfalls nicht in einen Streit mit Craig Bellamy gerät". Das Fazit des Trainers: "Er gehört zu den großmäuligsten Spielern, die ich je getroffen habe." Beim FC Liverpool geriet Bellamy einmal im Suff mit John Arne Riise aneinander. Ein Streit, der in einer Karaoke-Bar begann, zog sich bis ins Hotel weiter, wie der Norweger in seiner Biografie "Running Man" schilderte. An deren Ende beteuert Riise: "Er hätte meine Karriere beenden können." Bellamy hatte ihn mit einen Golfschläger geschlagen. Eine Geschichte, die Bellamy einen neuen Namen vom Boulevard einbrachte: "The Nutter with the Putter" - der Irre mit dem Putter. Liverpool verdonnerte ihn zu 120.000 Euro Geldstrafe.

Der nächste Rückschlag kam im Jahr 2011 als Gary Speed Suizid beging: "Meinen besten Kumpel zu verlieren, hat alles verändert. Ich kann nicht glauben, wie hart das ist", sagt Bellamy damals dem "Sunday Mirror". Der Vorfall brachte sein Leben ins Wanken: Seine Ehe ging in die Brüche, Depressionen plagten ihn. "Es ist die schlimmste Zeit meines Lebens", sagte er damals.

Er verließ Liverpool und wechselte zurück in die Heimat, die letzten Jahre seiner Karriere verbrachte er bei Cardiff City. Es sollte eine der besseren Entscheidungen Bellamys werden. Mit 33 Jahren gelang ihm in der Saison 2012/13 der Aufstieg in die erste Liga. "Mit Cardiff aufzusteigen, ist der stolzeste Moment meiner Karriere." 2014 machte er schließlich Schluss, 294 Spiele hat er bis dahin in der Premier League absolviert, 81 Tore geschossen und 37 weitere vorbereitet.

Depression hat ihn im Griff

Seine Verdienste in Cardiff trugen sicherlich zu seinem ersten Job nach der Profikarriere bei. Vom Mitarbeiter des Nachwuchsleistungszentrums des Klubs stieg er fix zum Nachwuchs-Cheftrainer auf, ehe es ihn 2019 zum RSC Anderlecht zog. Doch die dunklen Schatten sollten ihn einholen. Er begann beim belgischen Klub als Trainer der U21, ehe sein früherer Manchester-City-Teamkollege Vincent Kompany ihn als Co-Trainer zur ersten Mannschaft holte. Die Saison 2020/21 hatten Kompany und sein Team auf Platz drei der Jupiler Pro League beendet, der Erfolg sollte sich mithilfe von Bellamy wiederholen. Doch dieser wirkte nur sehr kurz mit. Nur neun Spiele lang von Juli bis September 2021.

Die Depression hatte ihn wieder so im Griff, dass er nach Cardiff zurückkehren musste. Dorthin, wo seine Familie lebt, seine damals gerade etwas mehr als einjährige Tochter Orla. Diese hatte den damals schweren Schub ausgelöst. "Ich habe meine Arme ausgestreckt, aber sie wollte nicht zu mir kommen. Warum sollte sie auch? Sie hatte mich nur bei acht oder neun Gelegenheiten gesehen, und selbst dann war ich nur 24 Stunden am Stück da. Ich war nicht wirklich ein Teil von Orlas Leben. Sie wusste nicht, wer ich bin", so Bellamy damals gegenüber der "Daily Mail". Die Coronavirus-Pandemie hatte seine Lage erschwert, er lebte in Brüssel, konnte nicht mal eben nach Cardiff reisen - und stellte sein Leben infrage.

Von der Familie getrennt sein, ein Gefühl, das er von früher kannte. Eines, mit dem er schon zu Beginn seiner Karriere nur schwer umgehen konnte. Schon als 15-Jähriger war er zu Hause ausgezogen, um in Norwich Fußball zu spielen. "Es war herzzerreißend", sagte er später rückblickend: "Ich habe mich jede Nacht in den Schlaf geweint und versucht, ein Fußballer zu sein. Ich wollte kein Fußballer sein, weil ich nicht so viele Schmerzen haben wollte. Aber dann wurde mir klar, dass dies mein Beruf ist, mit dem ich meinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Aber wie stehe ich das durch? Also musste ich meine Gefühle abschalten." Er bilanzierte: "Und die kommen leider wieder zurück."

Während des Lockdowns holte ihn das Gefühl wieder ein: "Ich begann die Einsamkeit zu spüren, die ich als Kind empfunden hatte. Der Magen dreht sich um, man bekommt das Gefühl, nicht richtig atmen zu können. Und Traurigkeit." Bei Anderlecht bot man ihm Hilfe an, doch für ihn ging es in Brüssel nicht weiter. Zurück in Cardiff, zurück bei seiner Familie und seiner jüngsten Tochter - er hat noch zwei erwachsene Söhne und eine Tochter im Teenageralter - begab er sich in psychologische Behandlung.

Bei Burnley wieder mit Kompany zusammen

Nach seinem Rückzug in Cardiff bekam Bellamy sein Leben so weit wieder in den Griff, dass er im Juli 2022 den Job als Co-Trainer beim FC Burnley antreten konnte. Wieder holte ihn der mittlerweile dort tätige Kompany, der einst auch beim Hamburger SV spielte, in sein Trainerteam. Der Klub ist nur vier Autostunden von seiner Heimat entfernt, Prioritäten setzt er anders als früher: "Die Familie steht an erster Stelle. Sie ist das Wichtigste. Das sage ich meinen Spielern auch immer wieder." Er führte aus: "Wenn einer der Spieler zu mir kommt und sagt, dass eine Hochzeit ansteht oder so, dann sage ich ihm, er soll hingehen und es tun. Der Fußball kommt und geht für dich. Diese Momente darf man nicht verpassen. Ich werde das nicht zulassen."

Der Mann, von dem der frühere Wales-Coach John Toshack einmal sagte "Er kann es mit der ganzen Welt aufnehmen", will mit seiner Geschichte die heutigen jungen, aufsteigenden Fußballer warnen. "Ich bin in einer Generation von Fußballern aufgewachsen, in der alles für dich getan wurde. Jede Rechnung. Wo auch immer ich war, der Verein hat alles für mich getan. Ich denke, das ist falsch", sagte er der "Daily Mail". "Es macht dich zu verletzlich. Es ist gut, dass die Spieler ihre eigene Verantwortung haben, denn eines Tages wird der Verein nicht mehr da sein."

Mehr zum Thema

Sein Rat an jetzige Spieler: "Überprüfe alles, stelle sicher, dass die Leute, die dich beraten, zugelassen sind. Wenn nicht, ist es der Wilde Westen." Er hat am eigenen Leib erleben müssen, dass er den falschen Personen vertraut hat. "Du wirst deine Karriere beenden und immer noch ein junger Mann sein, und wenn du deine Karriere beendest, wer wird dann für dich aufkommen? Du wirst lernen müssen, zu überleben. Du wirst in der realen Welt leben müssen."

Das musste Bellamy selbst auf die harte Tour lernen. Seine Geschichte ist eine voller Aufs und Abs. Schon bald könnte nämlich ein Hoch folgen. Der FC Burnley ist mit elf Punkten Vorsprung Tabellenführer der Zweiten Liga. Der Wiederaufstieg in die Premier League ist sehr wahrscheinlich. Dann würde der 43-Jährige wieder da ankommen, wo er als Profi schon einmal Erfolge feierte.

Quelle: ntv.de

Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen