Gibt es das bittere Déjà-vu? Die große Angst des FC Bayern vor Kylian Mbappé
08.03.2023, 16:37 Uhr
Kylian Mbappé ist das derzeit heißeste Eisen im europäischen Fußball.
(Foto: IMAGO/PanoramiC)
Wenn der FC Bayern seine "super Ausgangsposition" gegen Paris St. Germain im Achtelfinale der Champions League veredeln möchte, richtet sich der Fokus auf Kylian Mbappé. Im Hinspiel deutete er nach seiner Einwechslung an, wie sehr er das Spiel seiner Mannschaft verändert.
Elf gegen einen? Elf gegen einen! Und was für einen: Wenn der FC Bayern an diesem Mittwochabend (21 Uhr bei DAZN und im Liveticker bei ntv.de) gegen Paris St. Germain spielt, dann komprimiert sich das Duell nur auf Kylian Mbappé. Und das durchaus zurecht. Obwohl ein Lionel Messi an seiner Seite spielt, lautet die Frage lediglich: Wie stoppt man diesen Franzosen, der so schnell, so trickreich, so torgefährlich ist? Eine Antwort darauf wollte Julian Nagelsmann lieber für sich behalten. Zumindest den konkreten Teil. Nur bedingt erhellender waren die Ansagen von Thomas Müller. "Wenn unser Plan aufgeht, wird er nicht viel Spaß haben", sagte er.
Bedeutet wohl: Mbappé darf sich in München intensiver Mehrfachbetreuung erfreuen. Und auch körperlicher Schwerstarbeit. Wer der zugeteilte Chefbegleiter werden wird, ist noch unklar. Womöglich Innenverteidiger Dayot Upamecano, womöglich auch Rechtsverteidiger Josip Stanisic, der im Duell mit Neuzugang João Cancelo aktuell "die Nase vorne hat", wie Coach Nagelsmann sagt. Das ist durchaus überraschend. Zwar war Stanisic für Kroatien bei der WM dabei, doch Cancelo eilt der Ruf voraus, einer der besten Außenverteidiger der Welt zu sein. Aber irgendwie passt es in München (noch) nicht zwischen dem Portugiesen und dem Rekordmeister.
"Stani" soll es richten
Und so rühmen die Bayern nun eben Stanisic, reden ihn stark für das wichtigste Duell seiner Karriere. "Stani ist schon ein bisschen länger dabei. Seine Qualitäten sind ja unbestritten. In den Momenten, wo du die Chancen bekommst, zu spielen, musst du da sein. Er ist gallig in den Zweikämpfen, ist sehr schnell auf Strecke und kann sich reinbeißen", lobte Müller, der im Showdown-Duell mit Paris sein bereits 140. Champions-League-Spiel bestreiten wird. Denn als das personifizierte "Mia san mia" ist er in solch einem Giganten-Gipfel unverzichtbar, auch wenn Nagelsmann das im Hinspiel noch anders sah.
Die Münchner setzen auf die Stärke des Kollektivs und die Pariser auf die Qualitäten von Mbappé. Wie sehr er das Spiel seiner Mannschaft verändert, wie sehr er das Niveau hebt, hatte er im Hinspiel gezeigt. Weil er noch angeschlagen war, kam er erst nach knapp einer Stunde in die Partie. Die Bayern führten 1:0 und hatten gegen das fahrige Milliardenensemble alles im Griff. Doch dann gerieten sie mächtig ins Trudeln. Zwei Tore kassierte die Mannschaft von Nagelsmann, beide Male traf Mbappé, beide Male wurde der Treffer wegen Abseits aberkannt. Und beide Male war das aberwitzige Tempo des Franzosen entscheidend. "Es gibt zwei PSG's: Eins mit Mbappe und eins ohne. Als er kam, waren alle im Stadion plötzlich ein bisschen nervös. Mit ihm haben die Pariser super gespielt", erinnerte sich Alpha-Ikone Uli Hoeneß vor dem Rückspiel.
Kahn spricht eindringliche Warnung aus
Noch in der Nacht nach dem wackeligen Triumph im Stade de France hatte auch Klubchef Oliver Kahn gewarnt, man habe ja "gesehen, was dieser absolute Ausnahmespieler auslösen" kann. Duelle "auf diesem Niveau - da entscheiden Hundertstelsekunden, da entscheiden Millimeter und kleinste Fehler über Sieg oder Niederlage." Beim jüngsten Rendezvous in München traf der Torgarant im April 2021 doppelt - die Bayern verloren 2:3 und scheiterten nach dem 1:0 in Paris im Viertelfinale. Damit sich Geschichte trotz abgeschaffter Auswärtstorregel nicht wiederholt, schwor Boss Joshua Kimmich seine Kollegen noch in der Kabine auf die "harte Aufgabe" ein.
Mbappé ist für Paris die Lebensversicherung. Nicht Messi, nicht Neymar, der wegen einer schweren Verletzung ohnehin nicht mitwirken kann. In 247 Pflichtspielen hat der 24-Jährige, der die Dekade nach Messi und Cristiano Ronaldo als Weltfußballer prägen soll, 201 Mal getroffen und 96 Mal vorbereitet. In dieser Saison hat Paris fünf Spiele verloren, besonders bitter war das Pokal-Aus gegen den Erzrivalen Olympique Marseille. Zweimal stand Mbappé nicht in der Startelf, zweimal fehlte er verletzt. Bedeutet: Wann immer er von Beginn an spielt, ist PSG kaum zu besiegen. Nur im Ligaspiel mit dem direkten Verfolger RC Lens stand er über 90 Minuten auf dem Feld und konnte nicht helfen. Nun aber ist er in bester Verfassung und sendete am vergangenen Wochenende schon einmal beeindruckende Grüße nach München. "Er spielt nicht nur schön, schön, sondern auch effektiv. Er stellt mit seiner Explosivität und mit seinem Profil eine Gefahr für uns dar. Die ganze Welt schaut ihm gerne zu", schwärmt Müller, aber er verspricht auch: "Wir werden ihm nicht zuschauen, sondern wollen ihn bei der Arbeit stören.
"Ich spiele, um Geschichte zu schreiben"
Der 24-Jährige löste mit seinem 201. Pflichtspieltreffer im PSG-Trikot zum 4:2-Endstand im Ligaspiel gegen den FC Nantes den bisherigen Rekordhalter Edinson Cavani ab. "Ich spiele, um Geschichte zu schreiben und ich habe immer gesagt, dass ich in Frankreich Geschichte schreiben will, in der Hauptstadt meines Landes, in meiner Stadt - und das tue ich jetzt", sagte Mbappé dem TV-Sender Canal Plus. Er befand aber auch: "Das ist großartig. Aber es gibt noch viel zu tun." In der Allianz Arena etwa, doch stemmt sich das Ensemble wieder einmal gegen das drohende Aus und den nächsten geplatzten Traum vom Henkelpott. Denn bei PSG ist alles auf diese Trophäe ausgerichtet. Sollte es nicht klappen, sollte das Team im Achtelfinale scheitern, dürfte vieles, vielleicht sogar alles infrage gestellt werden. Die von Trainer Christophe Galtier sowieso, aber auch die Zukunft der Superstars.
"Ob das Spiel Auswirkungen auf meine Zukunft hat? Ich denke nicht", sagte der "Prince du Parc" (so taufte ihn die Zeitung "L'Equipe" zuletzt). Wilde Spekulationen dürfte er im Falle des Scheiterns aber nicht aufhalten können, zumal er in der Vergangenheit mehrfach mit einem Wechsel zu Real Madrid kokettiert und seinen aktuellen Arbeitgeber damit massiv provoziert hatte. Ebenso und erst recht dürfte ein Verbleib von Messi diskutiert werden, dessen Arbeitspapier nach dieser Saison endet. "Sollten sie wirklich mit Messi verlängern?", fragte "Le Parisien" zuletzt in einem Pro und Contra. Die Major League Soccer lockt mit David Beckhams Inter Miami, der FC Barcelona bleibt der Herzensklub des frisch gekürten Weltfußballers. Und auch Neymar ist immer Objekt wilder Debatten, der Vertrag des 31 Jahre alten Brasilianers ist bis Sommer 2025 gültig.
Mutige Ansage von Mbappé
Aber erstmal Champions League, erstmal Gigantenduell und erstmal reichlich Selbstvertrauen. "Wir treffen auf eine großartige Mannschaft, aber wir sind PSG! Wir spielen, um zu gewinnen", sagt Mbappé. Paris, betonte er, ist "immer Favorit". Kylian sei eben Kylian, sagte Abräumer Marco Verratti am Dienstagabend angesprochen auf die Aussage von Mbappé und ergänzte: "Wir brauchen Spieler, die so sind wie er." Natürlich werde PSG unter Druck stehen, es gehe ja um die Champions League. "Aber wir lieben diesen Druck", versicherte Verratti. Woher die Zuversicht komme? "Wir wissen einfach, was wir zu leisten imstande sind, wir haben großartige Spieler im Kader, wir wissen alle, was für uns möglich ist". Und außerdem wisse jeder, "dass es gegen Paris nie einfach ist".
Nagelsmann, für den es nach der peinlichen Viertelfinal-Niederlage gegen den FC Villarreal in der vergangenen Saison auch persönlich um viel geht, manche sehen sogar seinen Job in Gefahr, will die riesige Herausforderung mutig angehen. "Der Schlüssel ist, viel den Ball zu haben und sie vorne zu beschäftigen. Du wirst nicht alles verteidigen können, du musst selber offensiv denken", sagte er und versprach ein Spektakel: "Wir werden uns nicht hinten reinstellen, so viel kann ich verraten." Die bange Frage: Wie viel Mut ist zu viel? Mbappé, weiß Müller, "ist aktuell der Unterschiedsspieler schlechthin". Elf gegen einen? Elf gegen einen!
Quelle: ntv.de