
... und am Ende hält immer Thibaut Courtois.
(Foto: IMAGO/Offside Sports Photography)
Mohamed Salah bekommt im Champions-League-Finale eine Chance nach der anderen, scheitert aber immer wieder an derselben Person. Real Madrid zerstört den Titeltraum des FC Liverpool und gewinnt das Duell der besten Vereinsmannschaften Europas.
Was ist im Stade de France in Saint-Denis passiert?
Das Duell der beiden besten Mannschaften im europäischen Vereinsfußball. Was nach kontroverser Meinung klingt und so manchen Fan animiert, die ersten Argumente zu formulieren, warum der eigene Lieblingsklub in diese Diskussion gehört, lässt sich ganz klassisch mit Fakten belegen. Der FC Liverpool steht zum dritten Mal in fünf Jahren im Finale der Champions League, für Real Madrid ist es die fünfte Endspielteilnahme in den vergangenen neun Jahren, die Topwerte in dieser Statistik. Daher ist es fast schon folgerichtig, dass sich nun eben diese beiden Mannschaften im Stade de France im Pariser Vorort Saint-Denis begegnen. Zum insgesamt dritten Mal im Finale des höchsten Europapokals.
Und während die Madrilenen im Vorfeld gerne an den 3:1-Erfolg im Finale der Saison 2017/18 erinnerten, als der eingewechselte Gareth Bale mit zwei Treffern den dritten Champions-League-Titel in Serie für Real sicherte, dient Liverpool der Austragungsort nahe der französischen Hauptstadt als gutes Omen. In Paris nämlich gastierte das Endspiel des damaligen Europapokals der Landesmeister in der Saison 1980/81, als beide Klubs erstmals in einem großen Finale aufeinandertrafen. Ergebnis damals: Liverpool 1, Real Madrid 0. Nun also das dritte Duell, in dem den Sieger die prestigeträchtige Trophäe erwartet, die in ihrer aktuellen Ausfertigung rund 75 Zentimeter groß und acht Kilogramm schwer ist.
Und am Ende ist es, so kurios das angesichts des einseitigen Spielverlaufs klingen mag, folgerichtig, dass Real Madrid zum 14. Mal in diesem Wettbewerb triumphiert. Sicher, die Leistung in diesem Finale war keine Fußballgala, wie es der Anspruch des Klubs nahelegt, aber: Wer erst die Milliardenmannschaft Paris St. Germain, anschließend den Titelverteidiger FC Chelsea, dann die vermeintliche Über-Elf von Manchester City und schließlich den FC Liverpool besiegt, trägt berechtigterweise Europas Fußballkrone. Zumal die Madrilenen seit jener Niederlage im Pariser Prinzenpark 1981 in Champions-League-Endspielen unbesiegt sind. 1998, 2000, 2002, 2014, 2016, 2017, 2018 und jetzt 2022.
Teams und Tore
Liverpool: Alisson - Alexander-Arnold, Konate, van Dijk, Robertson - Fabinho - Henderson (77. Keita), Thiago (77. Firmino) - Salah, Mané, Diaz (65. Diogo Jota). - Trainer: Klopp
Real: Courtois - Carvajal, Eder Militao, Alaba, Mendy - Casemiro - Modric (90. Ceballos), Kroos - Valverde (85. Camavinga), Benzema, Vinicius Junior (90.+3 Rodrygo). - Trainer: Ancelotti
Schiedsrichter: Clement Turpin (Frankreich)
Tor: 0:1 Vinicius Junior (59.)
Zuschauer: 75.000 (ausverkauft)
Gelbe Karten: Fabinho -
Das Finale im Spielfilm
1. Minute: Nach massiven Verzögerungen und chaotischen Szenen beim Einlass vor allem der Liverpool-Fans ins Stade de France beginnt das Finale mit 37 Minuten Verspätung.
Anfangsphase: In all der Unklarheit über die Zustände, in denen der offenbar noch immer nicht abgeschlossene Einlass hier stattfindet, verliert dieses eigentlich so großartige Finale etwas seinen Reiz. Vor allem, da die UEFA offenbar versucht, die Verantwortung dafür einfach auf die Fans abzuwälzen. Obwohl sie selbst mindestens mitschuldig an diesen Komplikationen sein dürfte - immerhin hatte es auch jüngst beim Europa-League-Endspiel zwischen Eintracht Frankfurt und den Rangers aus Glasgow ebenfalls Berichte darüber gegeben, wie miserabel mit den Fans umgegangen wurde.
16. Minute: Fast die Führung für Liverpool! Trent Alexander-Arnold bringt den Ball von rechts flach in den Strafraum, Mohamed Salah kommt in der Mitte aus kurzer Distanz zum Abschluss. Real-Torwart Thibaut Courtois reagiert großartig und verhindert den Treffer.
21. Minute: Die königliche Defensive wackelt gewaltig! Sadio Mané steht an der Strafraumkante zwar gegen mehrere Verteidiger, aber vom Ball trennen kann ihn niemand. Stattdessen zieht die Nummer 10 der Reds ab, Courtois bekommt die Hand gerade noch dran und lenkt den Schuss an den Innenpfosten.
30. Minute: Liverpool lässt Real überhaupt keinen Raum für den Spielaufbau. Spätestens am Mittelkreis ist der Druck so groß, dass die Pässe hektisch werden, immer wieder läuft der Ball dann zurück in die Abwehr oder sogar zu Courtois. Die Madrilenen stehen bei Liverpooler Ballbesitz teilweise zu acht am eigenen Strafraum. Das einzig Gute aus ihrer Sicht dürfte sein, dass es noch 0:0 steht.
34. Minute: Wieder Alexander-Arnold, wieder auf Salah, diesmal als hohe Flanke. Der Ägypter kommt aus acht Metern zum Kopfball, bringt aber nicht genug Wucht an diesen, um Courtois ernsthaft zu fordern. Bislang sieht es nicht so aus, als müsste sich Eintracht Frankfurt für den europäischen Supercup auf Real Madrid als Gegner vorbereiten.
44. Minute: KEIN TOR FÜR REAL MADRID! Nach minutenlanger Analyse funkt der Videoassistent an Schiedsrichter Clement Turpin: Abseits. Zuvor spielt David Alaba einen großartigen Diagonalpass auf Benzema, der ganz viel Platz vor dem Tor hat. Alisson und Ibrahima Konate haben die Situation vermeintlich im Griff, stören sich aber gegenseitig. Fede Valverde mischt sich ein, spielt den Ball an Fabinhos Knie, dann schiebt Benzema ein. Dann ermittelt ...
... der Videoassistent bis in die Nachspielzeit, ehe es heißt: Abseits. Eine komplizierte Entscheidung, die auf den ersten Blick eher für Fragezeichen als für Klarheit sorgt. Eine Führung für Real Madrid wäre angesichts der drückenden Überlegenheit Liverpools allerdings ziemlich typisch gewesen dafür, wie die Königlichen es in dieses Finale geschafft haben.
58. Minute: Liverpool fordert Elfmeter, bekommt ihn nicht, und das ist die richtige Entscheidung. Salah sucht zentral im Strafraum den Abschluss, trifft aber nur Alaba und reklamiert Handspiel. War aber der Unterkörper, weiterspielen.
59. Minute: TOOOOOR FÜR REAL MADRID. Es ist die Geschichte dieser Champions-League-Saison. Der Gegner spielt und Real Madrid jubelt. Valverde hat auf rechts viel Platz, zieht aus 20 Metern diagonal ab. Der Ball scheint am langen Eck weit am Tor vorbeizurauschen - doch plötzlich taucht dort Vinicius Jr. auf und schiebt ein. Liverpool macht das Spiel, Madrid das Tor.
64. Minute: Salah gegen Courtois, die nächste. Der Stürmer zieht 25 Meter vor dem Tor von links nach innen, hält dann aus 22 Metern wuchtig drauf. Im Tor jedoch steht mit Courtois der bisher überragende Mann dieses Abends, der auch diese Situation souverän abwehrt.
69. Minute: Wieder Salah gegen Courtois, wieder gewinnt der Belgier. Diogo Jota köpft den Ball quer vor dem Tor her, Salah versucht, aus ganz spitzem Winkel einzuschieben. Aber da ist eben noch der Real-Torhüter, der weiter unüberwunden ist.
82. Minute: Courtois überragt weiter! Langer Ball auf Salah, der sofort den Abschluss sucht - und wieder an Courtois scheitert. Mit dem Arm lenkt er den Schuss um den Pfosten.
90+3. Minute: Liverpool drängt, aber gegen die Real-Defensive ist kein Durchkommen. Toni Kroos fordert im Mittelfeld den Ball, lässt sich foulen - und auf der Bank der Madrilenen beginnen endgültig die Feier-Vorbereitungen.
Was war gut?
Thibaut Courtois. Natürlich keine Überraschung, aber wie für Liverpools Angriffsbemühungen gilt auch an dieser Stelle: Am Torhüter von Real Madrid führt kein Weg vorbei. Allein gegen Mo Salah hält der Belgier mehrfach herausragend, wehrt mehrere scheinbar unhaltbare Schüsse mit brillantem Stellungsspiel und noch stärkeren Reflexen ab. Viel mehr Worte braucht es dafür auch gar nicht, wer einen Moment übrig hat, guckt sich die Highlights dieser Masterclass in Torverhinderungen noch einmal auf dem Abspielmedium der Wahl an. Oder wie es Jürgen Klopp im Nachgang beim ZDF anerkennend wie humorvoll sagte: "Wenn der Torwart des Gegners 'Man of the match' ist, ist das immer eine scheiß Nachricht."
Natürlich auch Toni Kroos, der in Deutschland immer noch gerne als "Querpass-Toni" verkannt wird, in dieser Real-Mannschaft aber seit Jahren eine tragende und prägende Rolle einnimmt. Zum fünften Mal gewinnt der 106-fache deutsche Ex-Nationalspieler die Champions League, nach dem Titel mit dem FC Bayern 2013 nun zum vierten Mal mit den Madrilenen. Dazu Weltmeister, je dreimal spanischer und deutscher Meister, fünfmal Klub-Weltmeister, dreimal DFB-Pokalsieger, viermal UEFA-Supercup-Sieger ... und das ist längst nicht alles.
Und auch für Carlo Ancelotti ist ein Lob an dieser Stelle angebracht. Gerne wird der Italiener für seine vermeintlich zu lockere Art kritisiert, am Ende aber ist er der erfolgreichste Trainer in der Geschichte des Wettbewerbs. Nach 2003 und 2007 - jeweils mit dem AC Mailand - und 2014 mit Real Madrid ist es sein vierter Titel in der Champions League, da kann niemand mithalten. Der erfolgreiche Heldenfußball, den die Königlichen mit ihren vielen augenscheinlich glücklichen Siegen in dieser Europapokal-Saison pflegen, ist auch Zeugnis des unerschütterlichen Selbstvertrauens, das Ancelotti seinen Profis mitgibt.
Was war schlecht?
Die Vorfälle an den Einlasskontrollen, die 37-minütige Verzögerung des Anpfiffs und die Frage, wer die Verantwortung für dieses mitunter gesundheitsgefährdende Chaos trägt, müssen ausführliche und gründliche Untersuchungen im Nachgang dieses Finals klären. Dass die UEFA nach dem Europa-League-Endspiel zum zweiten Mal in kürzester Zeit ins Zentrum dieser Kritik gerät, ist allerdings auch Ausdruck der Gleichgültigkeit, die der moderne Fußball dem durchschnittlichen Stadionbesucher entgegenbringt. Für die Zuschauenden an den Bildschirmen und auf den wichtigen Plätzen soll es glänzen, alles andere ist augenscheinlich unwichtig.
Quelle: ntv.de