Fußball

Sieg auf Schalke versöhnt Eintracht-Fans haben Kovac wieder lieb

Niko Kovac hinterlässt tiefe Spuren in Frankfurt.

Niko Kovac hinterlässt tiefe Spuren in Frankfurt.

(Foto: picture alliance / Ina Fassbende)

Erneut steht Eintracht Frankfurt im DFB-Pokal-Finale - die Fans feiern. Einer genießt still den Triumph: Trainer Niko Kovac. Der Auswärtssieg bei Schalke 04 erleichtert ihm die letzten Arbeitswochen in der Mainmetropole.

Als alles vorüber war, als feststand, dass Eintracht Frankfurt am 19. Mai in Berlin beim Finale des DFB-Pokals antreten darf, begab sich die Mannschaft geschlossen in die Kurve und ließ sich von ihren Fans für fast 100 Minuten Fußball-Pokalfight feiern. Die Euphorie der mehreren tausend Mitgereisten donnerte auf die Spieler und die Offiziellen nieder, die schrien, tanzten und sich in den Armen lagen. Die Eintracht demonstrierte Eintracht. Doch einer fehlte.

Der Chef stand mindestens 50 Meter entfernt in der Nähe des Mittelkreises und entzog sich der Sympathiebekundungen der Anhänger. Man kann auch sagen: Mit ausreichendem Sicherheitsabstand genoss Niko Kovac still seinen Triumph nach einer Woche, die aus seiner Sicht alles andere als einfach gewesen sein dürfte. Nach Bekanntwerden und Verkünden seines Wechsels zum FC Bayern München im Sommer waren die Sympathiewerte des Eintracht-Trainers so rasant bis in den Keller gerutscht, wie es zuletzt wohl nur SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz in den Wochen vor der Bundestagswahl erlebt hatte.

Kevin-Prince Boateng freut sich mit seinem Trainer.

Kevin-Prince Boateng freut sich mit seinem Trainer.

(Foto: picture alliance / Ina Fassbende)

Doch der vorübergehend in Ungnade gefallene Vater des Frankfurter Erfolges hätte sich ruhig trauen dürfen. Denn auch wenn die Gäste vom Main beim 1:0-Sieg in Gelsenkirchen alles andere als mitreißenden Fußball boten, hatten die Anhänger zumindest für den Moment auch ihren scheidenden Coach wieder lieb. "Wir haben heute gezeigt, dass wir noch immer eine Einheit sind", hatte der 46-jährige Fußballlehrer mit kroatischem Pass einleitend auf der Pressekonferenz gesagt. Und später dann: "Alles andere, was gesagt und geschrieben wurde, beeinflusst uns überhaupt nicht."

Tatsächlich hatte die intensive Diskussion rund um das vorzeitige Ende des bis 2019 gültigen Arbeitspapiers des Übungsleiters und dessen Engagement beim Branchenprimus die Wogen der Erregung hoch schlagen lassen. Das Frankfurter Kicker-Kollektiv aber zeigte sich beim so immens wichtigen Match auf Schalke unbeeindruckt. Es spielte das, was es in dieser Saison schon so oft - und oft erfolgreich - gespielt hatte: die Entfaltung des Gegners verhindern, in der Intensität dagegenhalten und auf den einen Fehler lauern. Insofern geriet die Begegnung zur Blaupause einer gesamten Saison.

"Nobelpreiswürdiger Auftritt"

Am Mittwochabend im Pott spielten sie das am Ende so gut, dass der Geniestreich von Luka Jovic in der 75. Minute, der eine scharf hereingetretene Ecke mit der Hacke verlängerte und unhaltbar für Schalkes Schlussmann Ralf Fährmann ins Tor bugsierte, reichte. "Die Mannschaft hat ihr letztes Atom Energie gegeben", sagte Kovac. "Das war heute nobelpreiswürdig."

Die Minimalisten um Kapitän David Abraham fahren also nach Berlin und ermöglichen ihrem Noch-Chef ein Vorspielen bei dessen künftigem Arbeitgeber. Das schafft gleich mehrere schöne Geschichten am Rande. Zum einen will Kovac natürlich die Bayern ärgern, zum anderen will er das in seiner Geburtsstadt Berlin tun. Und dann sind da ja auch noch die beiden Boatengs: Jerome, der für Bayern spielt, und Kevin-Prince, der bei Frankfurt unter Vertrag steht. Letzterer jedenfalls war nach Spielschluss endorphindurchflutet, als er von einem verdienten Sieg nach einer Woche sprach, "die ein bisschen komisch war." Nach 43 Minuten musste Boateng an alter, ungeliebter Wirkungsstätte verletzungsbedingt das Feld räumen. Umso süßer schmeckte ihm der Triumph, "den meine Mannschaft mir geschenkt hat". Und weiter: "Wer heute vor vier Uhr nach Hause kommt, bekommt eine Strafe."

Schalker hadern mit dem Referee

Chance vertan: Guido Burgstaller und Yevhen Konoplyanka.

Chance vertan: Guido Burgstaller und Yevhen Konoplyanka.

(Foto: imago/Chai v.d. Laage)

Zu dieser frühen Stunde werden die Schalker längst daheim gewesen sein. Ob sie allerdings schlafen konnten, ist fraglich. Immer wieder werden sie sich gewundert haben, wie sie dieses Spiel verlieren konnten. Bis zum Gegentreffer eine Viertelstunde vor dem Ende hatten sie so gut wie nichts zugelassen, allerdings auch rund drei Viertel des Spiels kaum etwas riskiert. Fast schon Ironie des Schicksals schien es da, dass ausgerechnet in der Phase, als Blau-Weiß mutiger wurde und durch Guido Burgstaller (67.) und Yevhen Konoplyanka (68.) zu zwei Großchancen kam, das entscheidende Gegentor kassierte.

Am Ende haderten fast alle Schalker mit Schiedsrichter Robert Hartmann aus Wangen, der zunächst ein klares Foulspiel an Konoplyanka unmittelbar vor dem Gegentreffer ungeahndet ließ und später, in der Nachspielzeit, den Ausgleich durch Franco die Santo wegen angeblichen Handspiels annullierte. Hier lag er falsch, aber weil er durch seinen Pfiff noch vor dem Torschuss Tatsachen geschaffen hatte, konnte der Videoschiedsrichter nicht eingreifen. Es hätte dem Spiel möglicherweise die entscheidende Wende gegeben, denn zu dem Zeitpunkt spielte die Eintracht bereits in Unterzahl. Gelson Fernandes, in der 78. Minute eingewechselt, musste nach rekordverdächtigen 33 Sekunden wegen eines überharten Einsatzes gegen Leon Goretzka den Platz verlassen. "Wenn das Rot war, können wir aufhören zu spielen", so Kovac.

Diesmal lag er falsch. Doch den Referee wollte auch Domenico Tedesco nicht für die Niederlage verantwortlich machen. Schalkes Trainer suchte die Schuld für das Ausscheiden allein bei sich und seiner Mannschaft. "Wir haben drei Großchancen, die wir nutzen müssen", so der Coach. "Dann fahren wir das Ding mit dem Punch und der Unterstützung der Fans nach Hause."

Heidel "bitter enttäuscht"

So aber war auf Seiten der Schalker die emotionale Gemengelage eine gänzlich andere. Berauscht von der Euphorie des Derbysieges gegen Dortmund bis hin zu einer veritablen Pokaldepression brauchte es am Schalker Markt wieder mal nur drei Tage. Doch wenn der Tabellen-Zweite der Bundesliga in den ausstehenden vier Saisonspielen, die wenigen noch fehlenden Punkte zur Champions-League-Qualifikation einfährt, dann krönt er eine unerwartet gute Saison. Dass weiß auch Manager Christian Heidel: "Das Spiel heute war eine bittere Enttäuschung", so der Manager der Gelsenkirchener. "Aber das hat nichts mit dem Saisonverlauf zu tun." Vielmehr sei das Pokal-Aus einer der von ihm so oft warnend erwähnten Rückschläge. "Wenn wir uns für die Königsklasse qualifizieren, haben wir eine überragende Saison gespielt."

Zumindest in diesem Punkt sind sie den Frankfurtern ein paar Schritte voraus. Die Eintracht droht, auf den letzten Metern der Saison das internationale Geschäft zu verspielen. Geschieht dies, dürfte Kovac trotz wiederholter Finalteilnahme bei den Fans der Eintracht wieder als Verräter gelten. Der Halbfinalsieg hat ihm lediglich ein wenig Aufschub verschafft.

Quelle: ntv.de

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