Kahn, "Brazzo" und Nagelsmann Bayern-Patriarch Hoeneß holt zum Rundumschlag aus
02.06.2023, 19:58 Uhr
Uli Hoeneß steht mal wieder im Mittelpunkt beim FC Bayern.
(Foto: dpa)
Nach einer chaotischen Saison und dem Last-Minute-Titel in der Meisterschaft sortieren sich die Dinge beim FC Bayern neu. Wieder einmal mittendrin: Uli Hoeneß. In einem Interview spricht er vor allem über die zahlreichen Verfehlungen in der Rückrunde.
Es ist wieder einmal die Zeit von Uli Hoeneß. Nach der chaotischsten Saison des FC Bayern seit Jahren rückt der Ehrenpräsident wieder in den Fokus. Beim Rekordmeister wird aufgeräumt. Unter anderem mussten die Bosse Oliver Kahn und Hasan Salihamidžić gehen. Im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" holt Hoeneß nun zum Rundumschlag aus. So sei die Trennung von Vorstandschef Kahn und Sportvorstand Salihamidžić noch vor dem entscheidenden Bundesligaspiel beim 1. FC Köln ohne Alternative und nicht stillos gewesen. "Es wäre nicht fair gewesen, so wichtige Entscheidungen mit den Betroffenen erst 24 Stunden vor der Aufsichtsratssitzung zu besprechen", sagte Hoeneß.
Der Aufsichtsrat tagte erst am vergangenen Dienstag, drei Tage nach dem 2:1 in Köln, das den Münchnern doch noch den elften Meistertitel in Serie vor Borussia Dortmund beschert hatte. "Wir wollten, dass es Oliver und Hasan direkt von uns erfahren, wir wollten das Thema von der Mannschaft vor dem Spiel fernhalten und wir wollten nach der Bekanntgabe in der Kabine auch umgehend die Öffentlichkeit informieren", erläuterte Hoeneß. Die Entscheidung sei letztlich nicht vom sportlichen Abschneiden abhängig gemacht worden. Beim Gespräch mit Kahn sei es vorübergehend laut geworden.
Nagelsmann-Entscheidung ohne Rücksprache
Die Summe der Entscheidungen der beiden hätten für eine "Gesamtentwicklung" gesorgt, "die im Lauf der Zeit mehr und mehr für Irritationen gesorgt hat", bekannte Hoeneß. Als ein Beispiel mangelhafter Kommunikation nannte er die Begleitumstände bei der Entlassung von Trainer Julian Nagelsmann. Kahn und Salihamidžić hätten diese Entscheidung trotz der großen Tragweite ohne Rücksprache getroffen. "Niemand" habe davon gewusst, "auch Herbert Hainer (Anmerk. d. Red.: Präsident des Rekordmeisters) wurde als Aufsichtsratsvorsitzender viel zu spät informiert. Und so etwas geht einfach nicht", sagte Hoeneß.
Kahn habe einen falschen Ansatz gewählt und zu wenig Bezug zum Fußball gehabt. "Oliver hatte seine Rolle für sich so definiert, dass er sich aus dem Sport weitgehend rausgehalten hat. Dabei ist der Sport die Hauptaufgabe. Unser Produkt ist Fußball", sagte Hoeneß. Außerdem habe Kahn weder engen Kontakt zu ihm noch zum früheren Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge gepflegt. "Man kann jede Firma neu aufstellen und alles anders machen, das ist völlig legitim - aber man muss Erfolg damit haben. Um nichts anderes geht es. Es stört mich, wenn es jetzt wieder heißt, der Hoeneß will immer noch die Regeln bestimmen", sagte der 71-Jährige: "Am liebsten wäre mir, es liefe alles bestens und wir hätten noch alle Vorstände beieinander. Die letzten Tage und Wochen waren alles andere als ein Vergnügen."
Hoeneß verteidigt Tuchel
Gemeinsam mit Rummenigge, der am Dienstag in den Aufsichtsrat berufen wurde, führt Hoeneß nun Gespräche mit Spielern und Beratern. Thomas Tuchel "wird eine wichtige Rolle spielen bei der Entscheidungsfindung, aber er wird jetzt sicher nicht zu den Klubs oder Beratern fahren und Verhandlungen führen". Den Trainer nahm er übrigens trotz durchwachsenen Leistungen und Ergebnissen in Schutz. "Ich bin überzeugt davon, dass Thomas Tuchel in der Rückrunde darunter leiden musste, dass es einigen Spielern an der Grundlagenausdauer gefehlt hat. Wenn man viereinhalb Wochen Urlaub gibt, braucht man mindestens sechs Wochen Vorbereitung. Aber wir hatten gerade mal zweieinhalb Wochen!"
Es habe zu wenig Testspiele gegeben, nämlich "nur dieses eine gegen Salzburg", so Hoeneß: "Wie soll man da fit sein? Ich habe in meiner Spielerkarriere nie vier Wochen Urlaub gehabt, auch im Sommer nicht." Einige Bayern-Profis aber hätten "von Anfang November bis Mitte Januar kein ernst zu nehmendes Spiel gehabt". Er habe den damaligen FCB-Trainer Julian Nagelsmann jedoch "anfangs nicht" vor dieser Gefahr gewarnt. "Als dann aber Manuel Neuers Verletzung die Stimmung belastet hat, habe ich darauf hingewiesen, dass wir jetzt nicht mehr so lange Urlaub machen sollten."
Vor der WM-Unterbrechung hatten die Bayern nach 15 Bundesliga-Spielen neun Punkte mehr als Borussia Dortmund, dieses Polster verspielte der Rekordmeister aber zügig. Nagelsmann musste im März nach dem 1:2 bei Bayer Leverkusen gehen, Tuchel rettete die Meisterschaft nur dank der besseren Tordifferenz ins Ziel. Die Leistungen der Bayern hätten ihm große Sorgen bereitet. "Wenn ich sehe, wie wir in der zweiten Halbzeit gegen Leipzig fast vorgeführt werden im eigenen Stadion, da kann ich nicht loslassen", sagte Hoeneß mit Blick auf das 1:3 am vorletzten Spieltag: "Mir ist einfach nur wichtig, dass beim FC Bayern alles in Ordnung ist." Er kümmert sich drum.
Quelle: ntv.de, tno/dpa/sid