Oman-Sieg trübt die DFB-Stimmung Flick: "So dürfen wir bei der WM nicht spielen"
18.11.2022, 11:08 Uhr (aktualisiert)
Bundestrainer Hansi Flick ist nach dem finalen WM-Test gegen den Oman alarmiert. Zwar findet er Gründe, warum seine Fußballer keine gute Leistung gegen den Weltranglisten-75. abrufen. Aber er spricht auch offen Dinge an, die ihm nicht gefallen und Sorgen bereiten.
Zwei Sachen sagt man dem japanischen Fußball nach. Die eine sollte der deutschen Fußball-Nationalmannschaft Angst machen. Die andere könnte ihr Erleichterung verschaffen. Die Japaner, so sagt man, pressen ihren Gegner früh und erzwingen dadurch gefährliche Ballverluste, die sie mit ihren schnellen Spielern in Konter ummünzen. Obacht Deutschland, Angst! Aber die Japaner, so sagt man, haben es nicht so mit der Effizienz. Also Deutschland, Erleichterung! Auf einen Realitätscheck bei der Weltmeisterschaft in Katar dürfte derweil kaum ein Mitglied der DFB-Delegation Wert legen. Erst recht nicht nach dem finalen Test gegen den Oman, der mit 1:0 erwackelt wurde.
Bundestrainer Hansi Flick, der seit Wochen den puren Optimismus ausstrahlt, sah sich hernach gezwungen, die Dinge etwas weniger hoffnungsvoll zu analysieren. Zunächst bekannte er zwar: "Es war ein Freundschaftsspiel, ein Schritt in Richtung WM-Auftakt gegen Japan. Wir konnten uns an die Temperaturen gewöhnen, alles gut" - um schließlich auf Nachfrage in der Medienrunde doch noch einzugestehen: "Ich bin nicht happy, wie wir verteidigt haben - so dürfen wir bei der WM nicht spielen. Wir brauchen mehr Körperlichkeit, das habe ich vermisst." Als Entschuldigung führte er an, dass die Spieler im Hinterkopf gehabt hätten, sich vor dem großen Ziel nicht noch zu verletzen.
Zu große Sorge vor einem WM-Aus?
Nun ist die Lage so: Neue Verletzte kann der Bundestrainer tatsächlich nicht gebrauchen. Mit Timo Werner fehlt ihm in Katar die gesetzte Stammkraft. Mit Marco Reus eine herausragende Option auf den Flügeln. Und dann sind da auch noch die (kleinen) Sorgen um Antonio Rüdiger und Thomas Müller. Beide wurden geschont, wie so viele andere aus der vermeintlichen Stammformation. Aber entschuldigt die Angst, sich zu verletzen, tatsächlich eine solche Leistung wie gegen den Oman? Müssten nicht jene, die ihre Chance auf einen Stammplatz wittern, voll angreifen? Zumindest, solang die Kräfte in der schwülen Hitze reichen?
Ja, die Hitze war ein Gegner. Das war von vornherein klar. Aus dem warmen Herbst in Deutschland in die Hitze der arabischen Halbinsel, das muss man erstmal verknusen. Schon vor dem Anpfiff waren die Gesichter der Spieler vom Schweiß gezeichnet. Bilder, die man lange nicht mehr gesehen hatte. Kaum vorstellbar, wie ein Turnier verlaufen wäre, das im Juni/Juli ausgespielt worden wäre, angesichts der Temperaturen, die nun noch immer herrschen. Gut für die Spieler (und schlecht fürs Klima), dass die Stadien im WM-Gastgeberland runterklimatisiert werden können. In der ungekühlten Hitze des Oman lassen sich also durchaus Dinge erklären: weniger Sprints etwa.
Aber daran mangelte es dem Team, wenn überhaupt, im zweiten Schritt. Erschreckender waren die gigantischen Lücken auf den defensiven Außenbahnen, die der Oman immer wieder zu guten Gegenangriffen nutzte, selbst wenn diese nur selten zu Ende gespielt werden konnten - und dann auch kläglich vergeben wurden. Ob Japan auch so gnädig ist wie die erstaunlich munteren und technisch starken Spieler des Weltranglisten-75.? Nein, diesen Realitätscheck kann im deutschen Lager wirklich niemand wollen.
Spieler verpassen Chancen für Eigenwerbung
Und die offenbarten Lücken im Sultan Qaboos Sports Complex lassen sich auch nicht einfach mit dem Verweis beiseite wischen, dass der Bundestrainer das Spiel für personelle Experimente nutzte. Auch wenn viele Plätze in der ersten Katar-Elf vergeben scheinen, alle sind es eben nicht. Ein Ilkay Gündogan etwa muss sich gegen Leon Goretzka behaupten, um an der Seite des gesetzten Joshua Kimmich agieren zu können. Beide spielten gegen den Oman von Beginn an und weitgehend unauffällig. Das Resultat im Duell: ein schwaches Remis, das wohl eher Goretzka hilft, der mit Kimmich beim FC Bayern in den vergangenen Wochen herausragend funktioniert hatte.
Auch ein Kai Havertz darf sich nicht zu sicher sein, dass er gegen Japan erste Wahl ist. Auf der "Zehn" agierte er am Mittwochabend eher zurückhaltend. Angesichts der Konkurrenz durch Müller und des phänomenalen Jamal Musiala wird er als Spielgestalter eher nicht berücksichtigt. Womöglich aber als Stürmer, wobei Niclas Füllkrug tüchtig nachschiebt. Der Bremer kam in Maskat zu seinem späten DFB-Debüt und traf. Er gab dem deutschen Spiel mehr Präsenz und tat Stürmerdinge. Also Dinge, die in Deutschand lange vermisst wurden. Und was ist mit David Raum, Matthias Ginter oder Lukas Klostermann? WM-Bewerbungen waren das nicht. Wobei der Leipziger Klostermann noch das Argument hat, sich nach langer Verletzung erst wieder rankämpfen zu müssen. Was indes die Frage aufwirft, warum Flick ihn dann überhaupt berücksichtigt hat.
Flick wollte trotz der Ernüchterung noch Milde walten lassen, was im Sinne der Teamzusammenführung eine kluge Strategie ist, aber er machte auch klar, dass er die Dinge so nicht laufen lassen wird. "Es war wichtig, die Hitze mal gespürt zu haben, das hilft uns sehr für Katar. Aber ich erwarte dort eine andere Zweikampfhärte. Eins-gegen-eins-Situationen so einfach herzuschenken, darf nicht passieren."
(Dieser Artikel wurde am Donnerstag, 17. November 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, tno